Von Dachau nach Spanien

geschrieben von Werner G. Fischer

5. September 2013

Neues zum »Mörderlager«-Bericht und zum Lebensweg von Hans
Beimler

Jan.-Feb. 2012

Hans Beimler: Im Mörderlager Dachau. Herausgegeben, kommentiert und um eine biographische Skizze ergänzt von Friedbert Mühldorfer, Vorwort von Max Mannheimer. Papy Rossa Verlag, Köln, 195 S., 12,90 Euro

Am 1. Dezember 1936 fiel vor Madrid Hans Beimler, der Beauftragte der Kommunistischen Partei Deutschlands für die deutschen Freiwilligen im Kampf für die Verteidigung der spanischen Republik. Zum 75. Jahrestag seines Todes erschien jetzt Beimlers Bericht »Im Mörderlager Dachau« über seine Haft im Konzentrationslager Dachau in einer Neuauflage.

Der langjährige bayerische KPD-Funktionär und Reichstagsabgeordnete war am 11. April 1933 verhaftet worden und mit vielen Hunderten in das zum Stammlager des SS-Konzentrationslagersystems werdende KZ Dachau gebracht worden. Beimler gelang nach 28-tägiger Haft eine spektakuläre Flucht, die ihn schließlich nach Moskau führte. Bereits im August 1933 wurde sein Bericht dort zunächst in deutscher Sprache veröffentlicht. Dessen Erscheinen war für die Nazi-Regierung Anlass, Beimler die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen.

Weitere Ausgaben in deutscher, englischer, russischer, jiddischer, französischer Sprache folgten 1933 bis 1935 und schließlich 1937 nach dem Tod Beimlers auch in spanischer Sprache. Der Bericht ist nicht nur eine emotionsgeladene Schilderung des Leidens der Häftlinge unter dem Terror der SS, sondern er ist vor allem eine der ersten Darstellungen auch des Widerstandes und der Solidarität der Häftlinge. Neben Auszügen in Zeitungen und Zeitschriften wurde er auch als Tarnschrift in das faschistische Deutschland eingeschmuggelt. Nach 1945 erschien der Text (unwesentlich korrigiert) erst wieder 1976 und 1980 in der DDR.

Der Herausgeber Friedbert Mühldorfer hat die Entstehung des Berichts dokumentiert und kommentiert und ihn mit Sach-Anmerkungen versehen. Er hat gleichzeitig eine 120-seitige Biographie über Hans Beimler verfasst, die angesichts der eher spärlichen Archivhinterlassenschaften durchaus mehr ist als eine »Skizze«.

In der DDR war der Name Hans Beimler mit der Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand und vor allem mit dem Kampf im spanischen Bürgerkrieg verbunden. Die »Hans Beimler-Medaille« wurde nicht nur an deutsche, sondern auch an eine Vielzahl ausländischer Interbrigadisten als staatliche Auszeichnung verliehen. Daneben waren militärische und andere öffentliche Einrichtungen nach Hans Beimler benannt, wodurch Tausende von Jugendlichen mit dessen Namen vertraut waren. Es hat einen Fernsehfilm und 1986 einen DEFA-Dokumentarfilm von Karlheinz Mundt gegeben. Nach 1990 wurde die Erinnerung an Beimler weitgehend entsorgt und heute dürfte der Namen in den »neuen Bundesländern«, vor allem unter Jugendlichen, kaum bekannter sein als in der alten Bundesrepublik.

Insofern ist das Bemühen von Friedbert Mühldorfer umso höher zu schätzen, ein Lebensbild vorgelegt zu haben, dessen Typus es so in der Gegenwart überhaupt nicht mehr gibt. Es ist der Lebensweg eines Arbeiters, der durch die Revolution 1918 geprägt wurde und der bis zu seinem frühen Tod mit 41 Jahren nicht vorrangig für seinen persönlichen Aufstieg in der Gesellschaft kämpfte, sondern ein wirklicher Arbeiterführer war. Sein Leben war, wie der Autor zeigt, von den Möglichkeiten und den Begrenzungen der Zeit und der Sache, der er sich verschrieben hatte, geprägt. Die Kritik Mühldorfers an mancher klischeehaften Darstellung in der DDR ist deshalb durchaus gerechtfertigt.

Beimler war, wie die meisten anderen Protagonisten aus seinem Umfeld, kein »strahlender Held«. Er war aber ein Mensch, der an seinen durch das reale Leben und weniger durch intellektuelle Überlegungen gewonnene Überzeugungen festhielt und sie umzusetzen suchte. Friedbert Mühldorfer weist daher darauf hin, dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass Beimler sich damals von der KPD und deren Politik gelöst habe. Die Versuche, gerade nach 1990 wieder, die bereits 1937 von den Hitlerfaschisten in die Welt gesetzte These zu bekräftigen, der Tod Beimlers am 1. Dezember 1936 vor Madrid sei ein Mord an einem »Abtrünnigen« durch die eigenen Genossen gewesen, werden vom Autor der Biographie zurückgewiesen.

Aus eigenen Forschungen zum spanischen Bürgerkrieg kann der Verfasser dieser Rezension bestätigen, dass eine solche Form der »Liquidierung von Abtrünnigen« in Spanien nicht bewiesen werden kann und diese politisch auch keinen Sinn ergeben würde. Dass es nach 1933 in der kommunistischen Bewegung, nicht nur in der KPD, ein tiefes Ringen um politische Positionen gegeben hat, kommt, wohl vor allem auf Grund der spärlichen archivalischen Hinterlassenschaften Beimlers, in der vorliegenden Darstellung eher zu kurz.

Dem Landesverband Bayern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, in dem der Herausgeber und Autor des neuen Beimler-Buches aktiv ist, sei für die Unterstützung der Veröffentlichung ausdrücklich gedankt.