Widerstand näher betrachtet

geschrieben von Hans Canjé

5. September 2013

Ein Schulbuch mit wichtigen Anregungen gegen aus Rheinland-Pfalz

Sept.-Okt. 2011

Widerstand gegen den Nationalsozial-ismus auf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz. Wissenschaftliche Darstellung und Materialien für den Unterricht. Herausgegeben von Dieter Schiffmann, Hans Berkessel und Angelika Arenz-Morch, für die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz 2011. Mainz. 300 Seiten mit 28 Arbeitsblättern. Zu beziehen über: NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz/ Gedenkstätte KZ Osthofen, Am Ziegelhüttenweg 38 in 67574 (Fax: 06242-91 08 20 – E-Mail: info@ns-dokuzentrum-rlp.de)

Das Schulbuch ist auch beim Buchhandel zu beziehen ISBN: 3-89289-016-1

Hinter dem sachlichen Titel »Widerstand gegen den Nationalsozialismus auf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz«, verbirgt sich ein äußerst verdienstvolles und ambitioniertes Vorhaben: es will dazu beitragen, dass vor allem unter der jungen Schülergeneration, der Widerstand gegen den Faschismus nicht als »amorphes, diffuses System wahrgenommen wird«, das sich auf das Hitlerattentat vom 20. Juli 1944 beschränkt. Und dazu beitragen, dass der Widerstand nicht in Vergessenheit gerät.

Was nicht allein am oft beklagten mangelnden Willen der jungen Generation liegen muss. Wird doch mehr als 65 Jahre nach dem Ende der faschistischen Herrschaft von den Autoren auf die immer noch bestehenden Lücken in der Widerstandsforschung verwiesen, die »bezogen auf unser Bundesland noch in den Kinderschuhen steckt«. Peter Steinbach, wissenschaftlicher Direktor der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Autor eines umfangreichen einführenden Beitrags konstatiert, dass die fast siebenjährige Forschungsarbeit »noch schwerer war als die Zangengeburt eines Babys«.

Die Darstellung des Widerstandes im Gebiet des heutigen Bundeslandes Rheinland-Pfalz umfasst in entsprechenden Abschnitten den Raum Rheinhessen, die Pfalz, den Koblenzer Raum, den Westerwald und den Raum Trier. Gesondert betrachtet sind die evangelische Kirche in Rheinhessen und die Haltung der katholischen Kirche im Bistum Mainz. Axel Ulrich geht in seiner Gesamtübersicht von der Tatsache aus, dass die Widerständigen in ihrer überwiegenden Mehrheit »den Parteien, Verbänden und Gruppierungen der unterdrückten Arbeiterbewegung« entstammten. »Der Widerstand aus dem Bereich des Bürgertums setzte in der Regel erst mit erheblicher Verzögerung ein und erreichte zu keinem Zeitpunkt Organisationsgrad sowie Ausmaß des Widerstandes aus der Arbeiterbewegung.«

Die jeweiligen Darstellungen ähneln sich im Aufbau: Beginnend mit der KPD folgen SPD, linke Kleinorganisationen, Gewerkschaften, Kirchen, Jugend, Einzelkämpfer, Bürgertum und »Widerstand aus dem Militär«. Sie zeichnen sich durch die Anschaulichkeit der Vielfalt des Widerstandes und der Protagonisten aus. Widerstand, so wird Wolfgang Benz zitiert, ist »im eigentlichen Sinne nicht nur als Haltung zu definieren, sondern als Handeln, das auf grundsätzlicher Ablehnung des Nationalsozialismus beruhte, das aus ethischen, politischen, religiösen, sozialen oder individuellen Motiven darauf abzielte, zum Ende des Regimes beizutragen.« Einzelschicksale werden, bebildert und mit vielfältigen Dokumenten geschildert, die Vielfalt der Motive der mutig Handelnden und ihre Widerstandstaten, die Anklageschriften nach der Verhaftung, die Folter und die Urteile. Ein umfangreicher Teil enthält »Hinweise und Kommentare zu den Unterrichtsmaterialen für Lehrerinnen und Lehrer« zu den Arbeitsblättern. Diese enthalten Vorschläge zur Aufgabenstellung für die Schüler, auch Anregungen, z. B. mit Hilfe des Internet, sich über das Gelesene hinaus »vor Ort« mit den hier vorgestellten Personen zu beschäftigen.

Insgesamt eine verdienstvolle und beispielgebende Leistung der Landeszentrale. Der von den Herausgebern erkannten Gefahr »einer unangemessenen Hierarchisierung des Widerstandes« sind die Autoren der regionalen Abschnitte durch ihre sachlichen Abhandlungen, fern jeder Zensurerteilung für diese oder jene Gruppe, entgangen. Peter Steinbach unternimmt in seiner umfangreichen Abhandlung allerdings in einer Art Anleitung für die Lehrer diese »unangemessene Hierarchisierung«; nicht nur durch die überdimensionierte Behandlung über die Attentäter vom 20. Juli 1944, die sich stets bewusst als »Schwert des Widerstandes« begriffen hätten. Zwar anerkennt er, dass die Kommunisten zur ersten Gruppe von Verfolgten und Regimegegner gehörten, qualifiziert deren Widerstand aber als »eher nach außen gerichtet«. Der sozialdemokratische Widerstand sei dagegen »vor allem durch den Versuch der Gesinnungspflege und Gesinnungsbildung geprägt«. Fragwürdig bleibt schließlich, wie in der Einführung die »Geschichte des Nationalsozialismus« und die der »SED-Diktatur« zusammengeführt werden und wenig später betont wird, dass es der historisch-politischen Bildung »nicht um die Legitimierung der zweiten deutschen Diktatur« gehe.