Massaker im KZ Sonnenburg

geschrieben von Kamil Majchrzak

14. Mai 2014

VVN-BdA unterstützt die Erforschung der deutschen Verbrechen in Polen

 

Seit Jahren engagiert sich die Berliner VVN-BdA erinnerungspolitisch in der polnischen Gemeinde Słońsk, in der sich – knapp 100 km vor Berlin – in den Jahren 1933-34 das deutsche KZ Sonnenburg und später von 1934-1945 das berüchtigte Zuchthaus Sonnenburg befand. Vertreter der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) nehmen seit 2009 auch an dem jährlichen Gedenken aus Anlass des Massenmordes am 30. Januar 1945 in Słońsk teil. In der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1945 ermordete ein SS-Kommando aus Frankfurt (Oder) fast Tausend Häftlinge – Widerstandskämpfer aus nahezu allen von Hitler-Deutschland besetzten Gebieten.

Foto: Andreas Domma

Foto: Andreas Domma

Als wichtiger Meilenstein der Bemühungen der Berliner VVN-BdA kann das am 24. Februar 2014 wiederaufgenommene Ermittlungsverfahren wegen Kriegsverbrechen in den Jahren 1942-1945 bewertet werden. Die Ermittlungen werden durch den zuständigen Staatsanwalt aus Szczecin von der polnischen Kommission zur Erforschung der deutschen Verbrechen in Polen geführt. Das ursprüngliche Verfahren wurde bereits am 17.10.1966 durch den damaligen Leiter der regionalen Hauptkommission zur Erforschung der deutschen Verbrechen in Polen Przemysław Mnichowski aufgenommen. Aufgrund der Erschöpfung der Beweisaufnahme und fehlender Kooperation der bundesdeutschen Behörden mussten die Ermittlungen jedoch am 22.12.1972 als ruhend eingestellt werden. Während die Ermittlungsbehörden in der DDR frühzeitig eigene Ermittlungen gegen Sonnenburger Kriegsverbrecher wie Heinz Adrian einleiteten, der am 29. 09. 1948 vom Landgericht Schwerin zum Tode verurteilt wurde und den polnischen Kollegen Vernehmungsprotokolle zur Verfügung stellten, gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den bundesdeutschen Behörden äußerst schwierig und einseitig. Obwohl die Polnische Haupt-Kommission zur Erforschung der deutschen Verbrechen in Polen zu vielen Kriegsverbrechen Original-Unterlagen an die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg versandte, die im Übrigen bis heute unauffindbar sind, rang sich die Bundesrepublik erst nach mehreren Jahren zum Versand einer zudem größtenteils geschwärzten Abschrift des einzigen Urteils bezüglich Sonnenburg durch, das in der Bundesrepublik im Kieler Prozess gegen die direkt für das Massaker an 819 Sonnenburger Häftlingen verantwortlichen Mörder SS-Hauptsturmführer Wilhelm Nickel und SS-Sturmbannführer Heinz Richter, geführt wurde. Die Unterlagen bezüglich der beiden in Kiel freigesprochenen SS-Schergen wurden offiziell mit der Begründung geschwärzt, sogenannte Zeugen zu schützen.

Das gegenwärtig geführte Ermittlungsverfahren ist genau auf diese Zeugenaussagen, Erinnerungen, und Dokumente angewiesen, die als Beweise verwendet werden könnten. Faschistische Verbrechen verjähren in Polen nicht. Die Berliner VVN-BdA unterstützt deshalb intensiv die Bemühungen der Staatsanwaltschaft in Polen. Diese Arbeiten werden durch Angehörige ehemaliger Häftlinge, Historiker sowie junge Aktivistinnen im Rahmen des Arbeitskreises zur Geschichte des Konzentrationslagers und des Zuchthauses Sonnenburg bei der Berliner VVN koordiniert.

Die Zusammenarbeit zwischen dem Arbeitskreis und der Polnischen Kommission zur Erforschung der deutschen Verbrechen in Polen kam am Rande einer internationalen Tagung zum KZ und Zuchthaus Sonnenburg 1933-1945 »Erinnerung an Vergangenheit baut gemeinsame Zukunft«, die am 13.9.2013 von der Berliner VVN-BdA in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Słońsk veranstaltet wurde, zustande. Im Januar 2014 fand bereits ein erstes Arbeitstreffen zwischen Hans Coppi und dem zuständigen Staatsanwalt, Janusz Jagiełłowicz, in Gorzów Wielkopolski statt, bei dem die Ermittlungen durch Zeugenbenennung und Dokumente die evtl. als Beweismaterial verwendet werden könnten, unterstützt wurden. Nach Recherchen des Arbeitskreises leben zumindest in Belgien noch zwei ehemalige Gefangene des Zuchthauses Sonnenburg. Dank der Bemühungen der Mitglieder der Arbeitsgruppe und der internationalen Zusammenarbeit konnten Angehörige ehemaliger Häftlinge in Norwegen, Frankreich und Deutschland auswindig gemacht werden. Geplant ist auch die Gründung eines Internationalen Häftlings-Komitees.

Der Arbeitskreis ist auf Unterstützung angewiesen und sucht immer noch Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die die Geschichte des vergessenen KZs und Zuchthauses Sonnenburg aufarbeiten und Słońsk als Ort der gemeinsamen europäischen Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand wiederentdecken wollen.