Das Hoffen nie aufgeben

geschrieben von Ernst Antoni

4. März 2015

Aber auch nicht das Handeln: Zum Beispiel Adi Maislinger

 

Auf den 40. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau hatte sich der Adi gefreut, so, wie er sich jedes Jahr seit 1945 auf dieses Datum freute, wenn der April seinem Ende zuging. Drei Tage davor, am 26. April 1985, hat dann sein Herz beschlossen, mit dem Schlagen aufzuhören. Eigentlich nicht unbedingt ungewöhnlich, wenn einer bereits das 82. Lebensjahr überschritten hat, in diesem Falle aber doch »jäh und unerwartet«.

Adi Maislinger bei einer Führung in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Foto. Friedbert Mühldorfer

Adi Maislinger bei einer Führung in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Foto. Friedbert Mühldorfer

Hatte Adi Maislinger nämlich bis kurz davor noch das getan, was er seit nahezu zwei Jahrzehnten stets zu tun pflegte: Jugendliche durch die KZ-Gedenkstätte Dachau geführt, ihnen von seinen eigenen Erlebnissen und historischen Zusammenhängen berichtet – und bei diesen Führungen, wenn nötig, im Weg stehende Hindernisse wie metallene Geländer mit einer flotten Flanke überwunden. Da staunten die jungen Leute. Und der alte »Arbeitersportler« mit seiner Kunst- und Turmspringer-Vergangenheit zeigte ihnen: Geht doch noch.

Mit seinem weltzugewandt-fröhlichen Naturell und seiner Erzählweise machte der Münchner Maislinger den Gedenkstättenbesuch für Heranwachsende aus Schulklassen und Jugendgruppen zu einem eher lockeren Erlebnis. Ein bayerischer Kommunist, kein »ehemaliger«, sondern ein ganz aktueller, der unverkrampft von seinen konkreten Erfahrungen in diesem KZ Dachau berichtete, von Mord und Elend, aber auch von Solidarität. Vom Bemühen, einander zu helfen und widerständig zu sein. Heldengesänge waren Adis Erzählungen nie, wohl aber Zustandsbeschreibungen von einem, der das Hoffen nie aufgegeben hat.

Am 9. Dezember 1903 in München geboren und von sozialdemokratisch aktiven Eltern mit dem damals gängigen Vornamen Adolf bedacht, macht er eine Maschinenschlosserlehre, engagiert sich in der Gewerkschaftsjugend und wechselt wie nicht wenige Arbeiterjugendliche in München Ende der 20er-Jahre von der SPD-Jugendorganisation SAJ in den kommunistischen KJVD. Dort schon zu den »Reiferen« gehörend, wird Adi nach der Etablierung der NS-Herrschaft 1933 schneller als erwartet mit großen Verantwortlichkeiten bedacht.

Den Nazis gelingt es nicht nur in Bayern, gleich nach ihrer Machtübernahme die führenden Personen der KPD, wo sie ihrer habhaft werden, gefangen zu nehmen und viele zu ermorden. Einige können sich ins Exil retten. Weniger Bekannte, vor allem aus den Jugendorganisationen, übernehmen die illegale Arbeit. Einige daheim, andere von den umliegenden Ländern aus. Einer von ihnen ist Adi Maislinger, der dies von der Schweiz aus versucht. Als er später illegal ins Ruhrgebiet einreisen will, wird er verhaftet.

Es folgt ein Prozess, der ihn über Jahre ins Zuchthaus bringt und 1942 die Überstellung ins Konzentrationslager Dachau. Dort kommt er, dank der Hilfe von Genossen, ins »Desinfektionskommando«, das sich um neu einlaufende Menschentransporte zu kümmern hat und wird zum Lebensretter für viele »Neuzugänge« aus den von Nazis okkupierten Ländern. Mit wem man auch immer gesprochen hat von dem ehemaligen Dachau-Häftlingen aus aller Welt, die ihn aus dem KZ kannten: Auf den Adi ließ niemand etwas kommen. Der hatte bis zur Befreiung alles ihm Mögliche versucht, seinen Mitgefangenen beim Überleben zu helfen.

Die Befreiung: »Alex sagt: ‚Komm Adi‘ und saust los. Wie ich weiter nach vorne komme, sehe ich ein paar hundert Häftlinge, die lachen, jubeln, hüpfen. Dazwischen ein amerikanischer Soldat, den werfen sie in die Höhe, der Helm fliegt davon…Wir waren frei!«

Ein »Sturz in die Freiheit« sei das für sie alle gewesen, sagt er zwei Wochen vor seinem Tod in einem Zeitschriften-Interview, dieser 29. April 1945. Danach hätten sie sich alle erstmal fangen müssen. Und dann hätten sie versucht, das aufzuarbeiten, was halt anstand in dieser Trümmerwelt.

Adi (der nie wieder Adolf genannt werden wollte) wurde zuerst ein von den US-Befreiern eingesetzter kommunistischer Stadtrat im Münchner Kommunalparlament. Damit war es dann bald wieder vorbei, der Kalte Krieg schickte seine ersten Vorboten. Bis zu seiner Pensionierung in den 60er-Jahren konnte er in städtischen Diensten arbeiten. Heute ist in München eine kleine Straße nach ihm benannt.