Erneut verhöhnt

geschrieben von Andreas Siegmund-Schultze

15. Dezember 2020

Mordversuch an Antifaschist*innen in Schleswig-Holstein

Sofort kamen bei vielen Antifaschist*innen die Erinnerungen an Charlottesville und die dort im August 2017 ermordete Heather Heyer hoch, als am Abend des 17. Oktobers Meldungen aus Schleswig-Holstein die Runde machten, wonach Rechte einen Pick-up mit Vollgas in eine Gruppe von Gegendemonstrant*innen gelenkt hatten. Das geschah am Rande einer AfD-Veranstaltung mit dem Parteikovorsitzenden Jörg Meuthen. Im Gegensatz zu Charlottesville forderte der Naziterror in Henstedt-Ulzburg nördlich von Hamburg glücklicherweise kein Todesopfer. Drei Menschen wurden mit zum Teil schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht, darunter auch eine 21jährige People of Color. Der 19jährige Fahrer und sein Begleiter hatten vor dem Mordversuch rechte Sticker verklebt und waren von einer antifaschistischen Kundgebung verwiesen worden, nachdem sie die Teilnehmer*innen mit rechten Parolen belästigt hatten.

Am Tag nach dem rechten Mordversuch zogen rund 300 Antifaschist*innen durch Henstedt-Ulzburg. Foto: Antifa Kiel

Am Tag nach dem rechten Mordversuch zogen rund 300 Antifaschist*innen durch Henstedt-Ulzburg. Foto: Antifa Kiel

Unmittelbar nach der Tat startete die Polizei Bad Segeberg eine schier unerträgliche Öffentlichkeitsarbeit zu dem Fall, die viele Medien bereitwillig weiterverbreiteten. Da wäre zum einen die Verharmlosung des rechten Anschlags in einer Polizeimeldung als »Verkehrsunfall«. Weiter hieß es, als ginge es hier nicht um ein schweres Auto als potentielle Mordwaffe, »Demonstranten der rechten und linken Szene« seien »aneinander« geraten. Die Extremismusdoktrin lässt grüßen. Das Hamburger Abendblatt setzte dem die Krone auf und schrieb, der Fahrer habe die Personen zwar absichtlich angefahren, wollte diese aber »offenbar nur erschrecken«. Das Blatt beruft sich dabei auf namentlich nicht genannte Ermittler des Staatsschutzes. Die an den Anti-AfD-Protesten beteiligte Gruppe »Aufstehen gegen Rassismus Hamburg« nannte das folgerichtig eine »erneute Verhöhnung der Betroffenen«.