Ersatzveranstaltungen

geschrieben von Florian Gutsche

9. März 2023

NS-verherrlichende Gedenkveranstaltungen in Budapest (11.2.) und Sofia (25.2.)

In diesem Jahr konnte man sehen, dass antifaschistische Interventionen etwas bewegen können. Weder in Budapest noch in Sofia konnten die Neonazis ihre Veranstaltungen so durchführen, wie sie es während der letzten zehn Jahre gewohnt waren.

Von staatlicher Seite gab es in Budapest das Verbot der vom Blood&Honour-Ableger organisierten Gedenkveranstaltung im Városmajor-Park. In Sofia wurde der abendliche Fackelmarsch zu Ehren des glühenden Antisemiten Hristo Lukov ebenfalls verboten. Die als Wanderung getarnte Neonaziveranstaltung, bei der der Ausbruchsversuch der faschistischen Truppenverbände während der Belagerung Budapests durch die Rote Armee mit allerlei Nazi-Devotionalien nachvollzogen wird, konnte jedoch wieder stattfinden. Die Teilverbote der alljährlichen Spektakel sind die direkte Reaktion auf die international gewachsene Aufmerksamkeit für diese Veranstaltungen. Dass diese auch weltweit Beachtung fanden, ist das Resultat kontinuierlicher internationaler antifaschistischer Aufklärungsarbeit unterschiedlicher Organisationen.

In beiden Städten reagierten die Rechten mit Ausweichstrategien auf die staatlichen Verbote. In Budapest entschieden sie sich für einen deutlich abgelegeneren Ort am Rande der Stadt, um dort ihre Ersatzveranstaltung für die verbotene Kundgebung im Városmajor-Park durchzuführen. Hier konnten sich hunderte militante Neonazis von der Polizei ungehindert bewegen. In Sofia entschlossen sich die Neonazis, eine Demonstration gegen das Verbot ihres Fackelmarsches durchzuführen. Etwa 200 Lukov-Anhänger*innen zogen am Mittag des 25. Februar bei einer angemeldeten Demonstration durch die Innenstadt – unter ihnen auch Mitglieder der Legion Hungaria. Am Abend sammelten sich dann noch einige der Neonazis am ehemaligen Wohnhaus von Lukov. Aber größere Ansammlungen konnten unterbunden werden.

Wichtiger als das staatliche Handeln waren in beiden Städten jedoch die Aktivitäten der örtlichen Antifaschist*innen, die aus dem Ausland weitere Unterstützung erhielten. In Budapest gelang es mit zwei antifaschistischen Kundgebungen auf dem Gelände der Budapester Burg, den Zugang zum Sammelpunkt der »Wanderung« einzuschränken. Die Neonazis konnten sich also nicht so frei bewegen, wie sie es gewohnt waren. Am späteren Nachmittag war zu sehen, wie einige entnervte Grüppchen unter Zeitdruck auf dem Weg zum Sammelpunkt waren. Nach Abschluss der Kundgebungen wurden unter fadenscheinigen Vorwänden von der Polizei die Personalien der antifaschistischen Kundgebungsteilnehmer*innen aufgenommen, und es ereignete sich ein erfolgloser Angriff von Mitgliedern der Legion Hungaria auf einige der Kundgebungsteilnehmer*innen.

Nach den Jahren der Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie, können Durchführung und Größe der antifaschistischen Mobilisierung als positiv bewertet werden. Zwar reichten die antifaschistischen Kundgebungen bei weitem nicht an die Größe des erfolgreichen Gegenprotestes von 2020 heran, wo mehrere hundert Gegendemonstrant*innen, darunter etwa 200 Menschen der Roma-Community, den Nazis im Városmajor-Park kräftig einheizten. Der größte Wehrmutstropfen des Wochenendes in Budapest dürfte die Festnahme mehrerer internationaler Antifaschist*innen sein, denen vorgeworfen wird, sie hätten mehrere Neonazis gewaltsam angegriffen. Einige der vermeintlichen Angreifer*innen sitzen noch immer in Untersuchungshaft, während die Neonazis und Presse gezielt und unter der Verwendung von Namen und Adressen gegen Antifaschist*innen hetzen und diese bedrohen. Für die ungarischen Antifaschist*innen hat sich das Bedrohungslevel dadurch drastisch erhöht.

In Sofia gelang es Antifaschist*innen wieder, ein breites Bündnis auf die Beine zu stellen. Unter Beteiligung der ansässigen Pride zogen am Nachmittag des 25. Februar mehr als 300 Menschen auf einer antifaschistischen Demonstration durch Sofia. Vertreter*innen der VVN-BdA durften auf der Demonstration auch einen Redebeitrag halten, der von den Teilnehmer*innen aufgenommen wurde. Mit der Demonstration gelang es in Sofia, einen öffentlich wahrnehmbaren Gegenpunkt zum nationalistischen Getöse rund um Hristo Lukov zu schaffen. Außer kleineren Provokationen gelangweilter Neonazis am Rande kam es hier zu keinen nennenswerten Vorfällen.

Gerade Sofia zeigt, dass internationale Vernetzung und die überlegte Unterstützung durch internationale Antifaschist*innen positive Folgen hat. Die Ersatzveranstaltung der Neonazis besitzt nicht die gleiche Attraktivität wie der Fackelmarsch. Auch in Budapest konnten wieder einige Stiche gesetzt werden, aber gerade die »Wanderung« erfreut sich weiter großer Beliebtheit. Die Unterstützung der örtlichen antifaschistischen Akteure muss deshalb in geeigneter Form weiter gehen.

Unserem Autor wurde am 24. -Februar – unter Strafandrohung – die Reise nach Sofia untersagt.