Meldungen

11. Juli 2023

Gesichert extrem rechts

Die Hamburger »Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft« (SWG) wird seit Ende Juni vom Landesverfassungsschutz als »gesichert rechtsextrem« eingestuft. Der Verein ist seit 60 Jahren tätig und machte in seinem Deutschland-Journal unter anderem mit Positionen von sich reden, dass Nazideutschland keine Schuld am Zweiten Weltkrieg habe. Dass derlei Thesen bei dem Verein zum guten Ton gehören, bezeugen auch frühere Referenten wie Ex-Innenminister Friedrich Zimmermann (CSU).

Archiv zu Rechtsterror

Mitte Mai wurde bekannt, dass die Bundesregierung ein Digitalarchiv zu rechtem Terror einrichten will. Online sollen Akten und Dokumente zu Neonazimorden zusammengetragen werden. Es sollen auch Unterlagen ziviler Organisationen und aus journalistischer Arbeit herangezogen werden. Laut KritikerInnen ist der Wert aber zweifelhaft. Was »rechts« bzw. »Terror« ist, sehen AntifaschistInnen und staatliche Behörden gewöhnlich recht unterschiedlich. Auch welche Unterlagen zugänglich sein sollen und welche gesperrt bleiben ist offen. Bereits die staatliche »Aufklärung« zum NSU-Komplex und dem Attentat auf dem Münchener Oktoberfest zeigen die Zwiespältigkeit von Staat und Politik beim Thema.

Tag des Grundgesetzes

Die Unionsfraktion beantragt, ab nächstem Jahr einen Tag des Grundgesetzes (GG) einzuführen. Ziel sei es, einen GG-konformen Patriotismus zu fördern. Ab dem 75. Jahrestag der Verabschiedung des GG 2024 soll der Bundeskanzler jährlich eine Rede zur Lage der Nation halten. Bundesfeste (23.5., 3.10.), Bundeswehrgelöbnisse und -appelle sollen öffentlich umfangreich gefeiert werden. Die Union will, dass die politische Bildung das Werben für Patriotismus nicht mehr durch »ein undifferenziertes Kämpfen« gegen Nationalismus »erstickt« und ein verpflichtendes Dienstjahr (»Deutschlandjahr«) geprüft wird.

Bahar Aslan entlassen

Nach einem rassismuskritischen Tweet trennte sich die Polizeihochschule Gelsenkirchen im Mai von Bahar Aslan als Dozentin. Die Autorin hatte in dem Tweet ihre Angst bei Polizeikontrollen zum Ausdruck gebracht und schrieb dabei vom ganzen braunen »Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden«. Nach Ansicht der Hochschule sei sie ungeeignet, eine »vorurteilsfreie, respektive fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität« zu vermitteln.

Ämter entzogen

Miriam Block, die Wissenschaftssprecherin der Grünen in der Hamburger Bürgerschaft, hat ihre Fraktionsämter am 24. April verloren, weil sie für einen parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschuss gestimmt hatte. Der von der Fraktion »Die Linke« beantragte Ausschuss sollte die Ermordung von Süleyman Taşköprü durch den NSU 2001 in Hamburg untersuchen. Die rot-grüne Koalition in Hamburg lehnt dies aber ab. Block wird Gefährdung der Koalition und Bruch der Fraktionsdisziplin vorgeworfen.

Neonaziausreise gewährt

Zur »European Fight Night« im Mai in Budapest durften deutsche Faschisten ausreisen. Die Veranstaltung diente als Ersatz für den »Kampf der Nibelungen«, der jahrelang im sächsischen Ostritz stattfand und erst 2019 verboten wurde. Mehrere Versuche aus Nord-rhein-Westfalen und Sachsen, die Ausreisen zu verhindern, scheiterten im Eilverfahren. Die Verwaltungsgerichte sahen keine internationale Ansehensbeschädigung der BRD durch die Teilnahme der Faschisten.

Bhakdi freigesprochen

Der Impfgegner Sucharit Bhakdi ist Ende Mai vom Amtsgericht Plön freigesprochen worden. Bhakdi soll 2021 in einem Interview im Zusammenhang mit Kritik an der israelischen Corona-Politik zum Hass gegen in der BRD lebende Jüdinnen und Juden aufgerufen haben und später die Zulassung von Impfstoffen gegen Corona mit einem zweiten Holocaust verglichen haben. Im ersten Fall meinte der Richter, dass sich die Kritik lediglich auf die israelische Regierung bezogen haben könnte, was nicht volksverhetzend sei, im zweiten Fall sei der Vergleich zwar nicht akzeptabel, aber keine Volksverhetzung. Der Zentralrat der Juden kritisierte das Urteil.

Anklage gegen Höcke

Bei einer Wahlkampfrede in Merseburg soll Björn Höcke (AfD) die verbotene SA-Losung »Alles für Deutschland!« verwendet haben. Die Staatsanwaltschaft Halle hat deswegen Mitte Mai Anklage gegen ihn wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen erhoben. Als Geschichtslehrer habe Höcke um Herkunft und Bedeutung der NS-Formel gewusst.

Bundeswehr an Schulen

Mitte Juni veröffentlichte das Verteidigungsministerium die Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag zum Ausmaß der Bundeswehrwerbung an Schulen. Danach gab es zwischen Januar und März 2023 350 solche Veranstaltungen. 2022 im selben Zeitraum 241. Von April bis Juni 2023 gab es 196 durchgeführte bzw. geplante Schulbesuche, 155 waren es 2022. Von Juli bis September 2023 seien 119 geplant, statt 148 durchgeführten im Jahr 2022. Zaklin Nastic (Die Linke) bezeichnete dies als Vorantreiben der »Militarisierung der Gesellschaft« und die »Darstellung des Krieges als etwas Gewöhnliches und Töten als Job unter vielen« im geschützten Raum Schule.

Faschisten als Gäste

Abgeordnete der bayrischen AfD-Fraktion haben Mitte Juni 50 Gäste aus der extrem rechten Szene in der Gaststätte des bayrischen Landtags bewirtet. Darunter waren Mitglieder der »Identitären« und der faschistischen Burschenschaft »Danubia München«. Ein Journalist dokumentierte, dass zwei Gäste den White-Power-Gruß zeigten. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) sah keinen Grund zum Eingreifen. Gäste des Landtags würden keiner »Gesinnungsprüfung« unterzogen, sagte sie. Florian Ritter (SPD) forderte AfD-Publikumsveranstaltungen im Landtagsgebäude zu untersagen.

Zu Recht im KZ?

Ein Konzept von Studierenden der Uni Wuppertal für eine neue Gedenkstätte zum Konzentrationslager Kemna, hat Mitte Juni für viel Aufsehen gesorgt. Nach einem Artikel der Westdeutschen Zeitung herrschte bei den angehenden HistorikerInnen »Konfusion« darüber, ob die dort einst gequälten hauptsächlich kommunistischen Insassen »nur« als Opfer zu behandeln sind. Eine Studentin fand die Grenzen zwischen Tätern und Opfern »schwammig«; dort wurden auch »Täter zu Opfern und umgekehrt«. Auch die Seminarleiterin und Chefin der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, Ulrike Schrader, findet, dass »80 Prozent der Häftlinge Kommunisten und damit auch Gegner der Demokratie« waren und deshalb keiner eine weiße Weste habe.

Zusammengestellt von Ulrich Stuwe

(in memoriam P. C. Walther)