Faschistische Wandertrupps

geschrieben von Florian Gutsche

11. Januar 2024

Budapest im Februar: Antifas wollen traditionelles NS-»Heldengedenken« stoppen

Am 10. Februar 2024 wollen Neonazis aus aller Welt wieder einmal in Ungarns Hauptstadt Budapest ihr die Naziherrschaft verherrlichendes »Heldengedenken« durchführen. Im Februar 1945 befahl SS-General Karl Pfeffer-Wildenbruch seiner Gefolgschaft, aus der belagerten Stadt auszubrechen – ein naiver Versuch, nur wenige Soldaten überlebten die anschließenden Kämpfe. Was die extrem rechte Szene nicht davon abhält, den faschistischen General und seine Ergebenen mit ihren jährlichen Aufmärschen zu verehren.

Zwar gab es in den vergangenen Jahren immer wieder erfolgreiche kleinere und größere antifaschistische Interventionen, aber der Drang der Faschist*innen in Budapest, die Geschichte umzuschreiben, ist ungebrochen. Teilweise mobilisierten die extremen Rechten tausende Anhänger*innen auf die Straße, auch aus der Bundesrepublik reisten immer wieder größere Neonazigruppen nach Budapest. So ist zu befürchten, dass auch 2024 Neonazis aus dem Blood-and-Honour-Spektrum versuchen werden, gegen Mittag eine Kundgebung im Városmajor-Park abzuhalten, der im Nordwesten der Stadt gelegen ist. Im Februar 2023 gelang ihnen das nicht, da die Stadt das als »Tag der Ehre« gelabelte Event verboten hatte, woraufhin die Neonazis an den bewaldeten Budapester Stadtrand ausweichen mussten – ein wichtiger antifaschistischer Erfolg.

Jedoch leider der bisher einzige. Neonazis und Militarist*innen konnten weiterhin ihr seit Jahren deklariertes Reenactment – im Grunde bedeutet dies eine Nachstellung – des faschistischen Ausbruchsversuchs aus der Einkesselung durch die Rote Armee von 1945 durchführen. Dabei marschieren sie ausgehend vom Startpunkt im Budapester Burgkomplex, teils in Militäruniformen gekleidet und mit faschistischen Abzeichen versehen, bis zu 60 Kilometer in das Budapester Umland. Weitgehend unbehelligt und bis vor einigen Jahren mit dem Segen des ungarischen Wanderverbandes mischen sich hier faschistische Wandertrupps aus der völkischen Neonaziszene mit vermeintlich unbedarften ungarischen Wanderfans. Erste Versuche von Neonazis, ein geschichtsrevisionistisches »Gedenken« zu veranstalten, gehen bereits auf das Jahr 1997 zurück, und die Aktionen wurden über die Jahre immer größer.

Um das Wochenende herum organisiert die ungarische Neonaziszene diverse kleinere und größere Konzerte in Budapest. Mehrere Tage lang nutzen die Rechten die Reihe an Events zur Vernetzung. Sie frönen dort ihrer nazistischen Erlebniswelt, aus der sie mental gestärkt für ihren Kampf für ein »weißes« Europa und gegen Minderheiten sowie alles außerhalb ihrer Norm in das restliche Jahr starten.

Das wollen Antifaschist*innen nicht länger hinnehmen! Gemeinsam mit unseren österreichischen Freund*innen vom KZ-Verband und den Freiheitskämpfern wird die VVN-BdA mit zahlreichen Verbündeten 2024 von Wien aus nach Budapest fahren. In Budapest werden wir zusammen mit der MEASZ (der ungarische VVN-BdA-Schwesterverband) am Vormittag des 10. Februar eine antifaschistische Kundgebung beim Mahnmal »Schuhe am Donauufer« durchführen und an die Opfer der Shoah sowie des Porajmos erinnern. Danach wird es zum Parlament gehen, wo wir unserer Forderung nach einem Verbot der neonazistischen Veranstaltungen Ausdruck verleihen werden. Außerdem wird es die Möglichkeit geben, sich am Nachmittag den angemeldeten Gegenprotesten zur Neonaziwanderung anzuschließen, bevor wir wieder abfahren. Es gilt zu zeigen, dass unsere ungarischen Freund*innen in ihrem Kampf gegen die Umtriebe der Nazis nicht allein gelassen werden.

Diese grenzübergreifende solidarische Zusammenarbeit unserer antifaschistischen Verbände wird auch von unserer Dachorganisation, der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer – Bund der Antifaschisten (FIR), unterstützt, die die Sitzung ihres Exekutivausschusses aus diesem Anlass nach Budapest verlegt hat, um auch persönlich an den antifaschistischen Kundgebungen teilnehmen zu können.

Da wir am 11. Februar 2024 in Budapest gerne viele sein wollen, suchen wir noch Mitfahrer*innen. Es sind alle eingeladen, sich uns anzuschließen (solange die Plätze reichen). Wir starten in Wien am Morgen des 10. Februar, die Rückkehr nach Wien ist für den Abend vorgesehen. Der Unkostenbeitrag für das Busticket von Wien nach Budapest und zurück beträgt 20 Euro. Eine Unterkunft ist nach Möglichkeit selbst zu organisieren. Es wird aber versucht, eine kleine Schlafplatzbörse anzubieten. Interessierte melden sich bitte unter fahrten_vvn-bda_2024@riseup.net.