Konservative Kausalitäten
19. Mai 2017
Was eine »Bibliothek des Konservatismus« in Berlin treibt
Bibliotheken sind Räume, in denen Wissen archiviert und zur Verfügung gestellt wird. Oft sind es auch Orte für Veranstaltungen. Auch die »Bibliothek des Konservatismus« (BdK), seit 2012 im gutbürgerlichen Berliner Bezirk Charlottenburg beheimatet, will so ein Ort des Wissens und der Forschung sein. Doch welches Wissen hier zur Verfügung gestellt wird und welche Vorträge hier zu hören sind, ist allerdings besonders. Denn in dieser Bibliothek kommen »Neue Rechte« und Konservative zusammen. Dabei erscheint die Selbstbezeichnung »konservativ« eher als Schutzbehauptung. Denn nicht der heutige Alltagsgebrauch des Begriffs »konservativ« als bewahrend und rückwärtsgewandt ist charakteristisch für die BdK. Vielmehr hat sich die Bibliothek den Neo-Konservativen der 20er Jahre verschrieben. Der Konservatismus der Weimarer Republik war nicht mehr anti-revolutionär wie noch im 19. Jahrhundert, sondern wollte selbst eine Revolution anzetteln. Diese »Konservative Revolution« lehnte den demokratischen Verfassungsstaat ab und wollte »Dinge erschaffen, die sich zu erhalten lohnt«, wie der Vordenker der Neo-Konservativen Arthur Moeller van den Bruck in seinem von den Faschisten viel beachteten Buch »Das dritte Reich« von 1923 treffend formuliert. An Ähnlichem schraubt die organisierte Rechte auch heute. Die Parallelen sind augenfällig: Die Apokalypse droht. Sie kommt von äußeren und inneren Feinden. Gleichzeitig sehnt man die Umwälzung herbei, um sie gewaltsam, elitär und autoritär im völkischen Sinne aufzulösen.
Vernetzung und Verbreiterung
Neben den Klassikern des Konservatismus von Carl Schmitt über Ernst Jünger und Gottlieb Fichte können in der BdK auch aktuelle Periodika aus diesem Spektrum (Junge Freiheit, Sezession, Blaue Narzisse und National-Zeitung) sowie eine größere Sammlung zum Themenkomplex »Lebensschutz« studiert werden. Letzteres ist auch wieder eine verwirrende Selbstbezeichnung. Denn die Lebensschutz-Bewegung will nicht das Leben schützen, sondern aus rassistischen und nationalistischen Gründen den deutschen Frauen (wohlgemerkt nicht den zugewanderten) die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs streitig machen. Neben dem eindeutigen Bestand an Literatur sprechen auch die Abendveranstaltungen der BdK eine deutliche Sprache. AfD-Politiker, Europa-Feinde, Abtreibungsgegner und Islamfeinde geben sich die Klinke in die Hand. Hinzu kommen interne Treffen wie der Jugendkongress der »Jungen Alternative« im letzten Jahr. Hier kommt zusammen, was der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler als »neue soziale Bewegung von rechts« beschreibt. Der Spiegel kommt im Februar 2017 ebenfalls zu der Einsicht, dass die BdK »einer der wichtigsten Treffpunkte der Neuen Rechten in Berlin« ist. Oder, wie der Bibliotheksleiter Wolfgang Fenske das Ziel der BdK ausdrückt: »Nach innen verdichten, nach außen öffnen«. Also interne Vernetzung und Ideologieschärfung und nach außen gerichtete Normalisierung ihrer Inhalte und Geltung im akademischen Rahmen. Bislang sei die Nähe zur Technischen Universität aber noch nicht so fruchtbar wie erhofft.
Neue Lesart: Menschenfeinde
Wie dieser Bibliothek beizukommen ist, war Inhalt einer Anwohnerversammlung Ende März. Festgehalten wurde, dass die Imagearbeit der »Neuen Rechten« offenbar gut funktioniert hat, indem sie sich von eindeutigen Neofaschisten und Hitler-Verehrern abgegrenzt haben. Doch bereiten sie nicht denen den Weg, die auch mit Gewalt den Umbau der Gesellschaft fordern? Sind die von der BdK vermittelten Inhalte nicht dennoch menschenfeindlich? Sie missachten doch die Menschenrechte all jener, die nicht Anteil an ihrer Revolution nehmen wollen (innere Feinde) oder können (äußere Feinde). Ob nun im akademischen Rahmen oder auf der Straße gegen Zuwanderer als minderwertigere Menschen gesprochen und Ressentiments gestärkt oder erst geschaffen werden, macht doch qualitativ keinen Unterschied. Nicht die gewalttätige Umsetzung des Geredes, sondern die ständige Erweiterung des Sagbaren in diese Richtung ist schon die Grenze an der unser Widerstand beginnen sollte.
Viele Deutsche haben offenbar die aktuellen Diskursverschiebungen nicht wahrgenommen, weil sie im Alltag nicht von Rassismus betroffen sind. Wohl aber die Polin, die sich seit 30 Jahren in Charlottenburg eingelebt hat und erst in den letzten Monaten auf der Straße wegen ihres Akzents angefeindet wird. Auch wenn sich die Ursache für diese nationalistischen Töne nicht direkt auf die Bibliothek des Konservatismus zurückführen lassen, gibt es einen kausalen Zusammenhang. Die BdK ist ein Sandkorn im Treibsand des Rechtsrucks und muss ebenso behandelt werden.
Die Bibliothek des Konservatismus wurde 2012 in der Fasanenstraße 4 in Berlin-Charlottenburg eingerichtet. Auf drei Etagen finden sich rund 30.000 Bände. Darüber hinaus Zeitschriften und andere Medien. Betreiber ist die eigens gegründete »Förderstiftung konservative Bildung und Forschung« (FKBF). Das Haus wurde Anfang 2013 vom Hamburger AfD-Förderer Folkard Edler für 3,6 Millionen Euro erworben und auf die Bibliotheksstiftung übertragen. Über andere Büromieter im Haus finanziert sich die Stiftung, die mittlerweile von Dieter Stein (Junge Freiheit) geleitet wird.