Editorial

4. Januar 2025

Ziemlich genau vor einem Jahr kam das Potsdamer Geheimtreffen zu »Remigrationsplänen« ans Tageslicht und sorgte für die größten Demonstra­tionen, die Deutschland seit langem gesehen hatte. Laut einer Studie des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung, sorgten diese Demos für eine Neubelebung der antifaschistischen Bündnisse und Netzwerke – ein Aktivierungsimpuls für Neue bisher nicht Engagierte, die Selbstwirksamkeit erfuhren, sich organisierten und dabei blieben. Bereits bestehende Forderungen, beispielsweise zur ausreichenden Finanzierung der Zivilgesellschaft und der Bildungsarbeit gegen rechts, sowie zur Abgrenzung der Parteien und Medien zur AfD, konnten popularisiert – wenn auch nicht durchgesetzt werden. Laut Studie bildeten die Demos nicht den Querschnitt der Bevölkerung ab, es fehlten bürgerliche, konservative Milieus und Milieus mit geringer formaler Bildung. Wie belastbar diese neuen Allianzen sind, muss zudem durch immer  neue Protestevents unter Beweis gestellt werden. Gleichzeitig braucht es Demos als Engagementmöglichkeiten und gemeinschaftsstiftende Momente. Die Veranstaltungen zu 80 Jahre Befreiung könnten 2025 genau diese Funktion erfüllen und eine Brücke vom Gestern ins Heute schlagen. Pro Asyl wies im Jahresrückblick darauf hin, dass sich trotz des klaren Auftrags durch die Demos Anfang des Jahres die Politik entschied, die »Remigrationspläne« der AfD in Gang zu setzen. Verantwortungslose flüchtlingsfeindliche Debatten, Gesetzesverschärfungen, mehr Abschiebungen und letztlich Wahlerfolge gerade der Partei, die man eigentlich klein halten wollte, sind die Bilanz des Jahres. Und das neue beginnt, wie das alte endete: Wieder gab es ein Geheimtreffen von AfD-Funktionären (Hauptredner: Roger Beckamp, MdB, und Lena Kotré, Landtagsabgeordnete Brandenburg) mit Neonazis von »Blood and Honour« und »Junge Tat« in der Schweiz. Wieder ging es um die Durchsetzbarkeit von Massenabschiebungen, wieder gibt es eine saubere Correctiv-Recherche. Aber einiges ist anders: Die Realisierung wird wahrscheinlicher, und der öffentliche Aufschrei ist gering.