Eine »gewisse Verhärtung«

geschrieben von Hans Canjé

5. September 2013

Erinnerung an den kommunistischen Wiederstandskämpfer Karl
Schabrod

Mai-Juni 2011

»Der aus Überzeugung oder um des Glaubens oder des Gewissens willen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistete Widerstand war ein Verdienst um das Wohl des deutschen Volkes und Staates.« (Präambel des Bundesentschädigungsgesetzes vom 29. Juni 1956)

Die skandalöse Geschichte der zweiten Verfolgung Karl Schabrods hat sein juristischer Vertreter Diether Posser umfassend in »Anwalt im Kalten Krieg – deutsche Geschichte in politischen Prozessen 1951 – 1968« im Kapitel »Karl Schabrod: Als Mensch und Abgeordneter geschätzt, als Kommunist verfolgt« geschildert. (Verlag J. H. Dietz Nachfolger, Bonn 2000)

Sein Name steht auf der Liste der Ehrenbürger der Stadt Perleberg in Brandenburg. Auch auf der Liste der herausragenden Bürger der Stadt Düsseldorf, die auf dem Nordfriedhof der Stadt ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, ist sein Name zu finden. In Wolfgang Langhoffs Buch »Die Moorsoldaten« ist er der Häftling »Kurt«: Karl Schabrod, geboren am 19. Oktober 1900 in Perleberg. Gestorben vor 30 Jahren am 31. März 1981in Düsseldorf.

Und so verlief das Leben des gelernten Schreiners und kommunistischen Redakteurs Karl Schabrod in den zwölf Jahren der faschistischen Herrschaft im Zeitraffer:

28. Februar 1933 nach dem Reichstagbrand Verhaftung bei einer Flugblattaktion Düsseldorfer Antifaschisten zur Entlarvung der Brandstifter. Deportation in die Konzentrationslager Brauweiler, Börgermoor und Papenburg. Haftentlassung am 1. Mai 1934. Als »Staatsfeind« nach Fortsetzung des Widerstandes in Essen erneute Verhaftung am 28. Juli 1934. Am 20. Dezember 1934 Antrag des Staatsanwalts vor dem Sondergericht Dortmund: Verurteilung zum Tode wegen »Vorbereitung zum Hochverrat«, ein Delikt, für das die Gesetze zu dieser Zeit noch drei Jahre Zuchthaus als die Höchststrafe vorsahen. Darum am 22. Dezember 1943 durch das Oberlandsgericht Hamm die Verurteilung zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe. Das ist, so sein Kommentar, »noch eine härtere Strafe als rascher Tod, wenn ich bedenke, dass ich vierzig Jahre lang lebendig begraben sein müsste. Ich hoffe aber zuversichtlich, dass ich in einigen Jahren der Freiheit wieder zurückgegeben werde.«

147 Monate und acht Tage währte das »tausendjährige Reich«. Davon musste er 143 Monate und einen Tag weniger im Zuchthaus und hinter Stacheldraht verbringen. Die Freiheit wurde ihm am 13. Mai 1945 gegeben, als sich für ihn die Türen des Zuchthauses Werl öffneten. (Für jeden Tag erhielt er fünf Mark »Entschädigung«.)

Viel Zeit, die Folgen der zwölf finsteren Jahre zu bewältigen ließ er sich nicht. Er wirkte bald wieder als Journalist, Parteifunktionär, als Abgeordneter des Landtages von Nordrhein-Westfalen (1946-1950), des Düsseldorfer Stadtrates (1950-1954) und selbstverständlich als Mitglied der VVN.

In der 1978 im Röderberg Verlag erschienenen Chronik »Gegen Flick und Florian« über den antifaschistischen Widerstand in Düsseldorf schrieb Karl Schabrod im Rückblick auf diese Jahre: »Ich wusste nicht, dass meiner ersten Nacht als politischer Häftling noch 4 620 weitere Nächte, das sind 143 Monate, unter Hitler und dann noch elf Monate unter Adenauer folgen würden.«

Da war, elf Jahre nach seiner Befreiung aus dem Zuchthaus, am 17. August 1956 die KPD verboten und er bereits erneut Opfer der politischen Justiz geworden. Weil er 1958 als unabhängiger Kandidat zu den Landtagswahlen antrat wurde er wegen »Staatsgefährdung« am 9. Juni 1959 zu neun Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Nachdem er 1961 zur Bundestagswahl mit anderen Kommunisten eine Wahlgemeinschaft gegründet hatte, erhielt er nach drei-monatiger Untersuchungshaft wegen »Rädelsführerschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation« und »Geheimbündelei« am 23. Juli 1962 vom Landgericht Düsseldorf dieses Urteil: 2 Jahre Gefängnis, Aberkennung des Wahl- und Stimmrechts, Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter. Begleitend aberkannte ihm die Entschädigungskammer des Landgerichts Düsseldorf die Anerkennung des Status Verfolgter des NS-Regimes. Das hieß auch Streichung der Verfolgtenrente.

Der Bundesgerichtshof kassierte 1963 lediglich die Höhe der Haftstrafe, weil »möglicherweise in dem überaus harten, sich am Rand des Todes bewegenden Lebensgang des Angeklagten während der NS-Zeit der vieles erklärende und manches entschuldigende Ursprung für eine gewisse Verhärtung« liegen könne. So zur Milde dem Mann gegenüber gemahnt, der in den zwölf Jahren der faschistischen Herrschaft ganze vier Monate in Freiheit zugebracht hatte, ging das Düsseldorfer Gericht in sich und reduzierte die Strafe von 24 auf 20 Monate. Es blieb bei allen Nebenstrafen und der Aberkennung der Eigenschaft, Opfer des Faschismus gewesen zu sein. Diese Anerkennung wird ihm bis heute verweigert. (siehe antifa Januar/Februar 2011)