Den Krieg herbeigepredigt
9. Juli 2014
Der Erste Weltkrieg wurde von den Kirchen in Deutschland bejubelt
Dass deutsche evangelische und katholische Prediger den Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 geradezu bejubelten, ist heute nur schwer zu verstehen. Mit nationalem Pathos wurde die Überzeugung vertreten, dass Gott dem deutschen Kaiserhaus und dem Volk eine große Chance zu tapferer Bewährung gibt, um durch den Krieg eine Führungsrolle im christlichen Abendland zu erobern. Von einer zum Frieden verpflichtenden biblischen Botschaft war da kaum noch etwas zu hören. Dabei wäre doch der Text Lukas 9,54, als die Jünger Jesus auffordern, Feuer vom Himmel zu erbitten, damit ein ungastliches Samariterdorf bestraft würde, sehr bedenkenswert gewesen: Denn Jesus reagierte sehr ärgerlich und fragte die Jünger, ob sie denn vergessen hätten, wessen Geistes Kinder sie sind. Die Aufgabe des Messias sei nicht zu zerstören, sondern Frieden zu bringen. Aber seitdem der kriegsbegeisterte römische Kaiser ein römisches Großreich erkämpfen wollte, stellte er den bis dahin auch wegen ihrer pazifistischen Überzeugung hart verfolgten Christen in Aussicht, dass sie nach gelungener Eroberung die neue Staatsreligion werden könnten. Der Kirchenvater Laktanz, der bereits vor 313 in seinem Buch jeglichem Kriegsdienst im Namen Jesu eine öffentliche Absage erteilt hatte, reagierte prompt: In der Neuauflage fehlten alle Argumente gegen Militär und Krieg.
Eine Legende besagt, dass dem immer noch heidnischen Kaiser Konstantin die Mutter Jesu in einer Vision gesagt habe, dass er nur im »Zeichen des Kreuzes« seinen Eroberungskrieg gewinnen würde, was auch leider geschah. Der Kaiser Konstantin habe umgehend angeordnet, auf die Uniformen »Kreuze« zu nähen. Diese Legende hat dann eine fatale Blutspur nicht nur durch das christliche Abendland gezogen. Die Kreuzzüge der Päpste und Kaiser führten bis Jerusalem. Und mit nationalem Pathos stand 1914 »Gott mit uns« als unbiblische Behauptung auf deutschen Koppelschlössern. Nur Karl Liebknecht stimmte im Reichstag unbeirrt gegen die Kriegskredite. Die Christen beider Konfessionen fühlten sich dem vaterländischen Geist und seinen wirtschaftlichen Interessen eindeutig mehr verpflichtet als den biblischen Friedensforderungen.
»Darum auf! Zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Roß. Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war.« Mit diesem Aufruf wandte sich Kaiser Wilhelm II. anlässlich der Mobilmachung des Deutschen Reiches am 1. August 1914 an das Volk. Dieser Ruf wurde von evangelischen und katholischen Kirchen gleichzeitig als Mobilmachung für die Erneuerung der Christenheit verstanden. Der Oberkirchenrat von Berlin stimmte dem Aufruf sofort zu: »Wir ziehen in diesen Krieg, nicht nur um unser Volk zu verteidigen, sondern für unsere deutsche Kultur, gegen die fremde Unkultur, für die deutsche Gesinnung, gegen Barbarei, für die freie an Gott gebundene Persönlichkeit. Und Gott wird mit unseren gerechten Waffen sein.« In Berlin gab es öffentliche Gottesdienste zur feierlichen Verabschiedung der Freiwilligen. In einem Festgottesdienst ruft der Domprediger Bruno Döhring den »Heiligen Krieg« aus und erklärt den Zuhörern: »Wenn wir nicht … die Nähe Gottes empfinden, der unsere Fahnen entrollt und unserem Kaiser das Schwert zum Kreuzzug, zum Heiligen Krieg in die Hand drückt, dann müssten wir zittern und zagen. Nun aber geben wir die trotzige kühne Antwort, die deutscheste von allen deutschen: Wir Deutsche fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt.«
Oberhofprediger Ernst von Dryander proklamierte im Berliner Dom zur Eröffnung des Reichstages am 4. August 1914, woher diese Freude kommt: »Gott ist mit uns! Wer mag gegen uns sein?« Die andächtig lauschenden Mitglieder des königlichen Hauses, die Heerführer und Vertreter der Reichsleitung, ja alle versammelten Volksboten bis weit in die Kreise der Linken hinein (damit meinte er die Reichstagsabgeordneten) durften demnach guten Gewissens die kriegspflichtigen Untertanen ins Gemetzel schicken.
Doch der Krieg bot nicht nur die Möglichkeit, das fünfte Gebot in diesem Verständnis sachgerecht zu erfüllen, sondern er eröffnete nach Auffassung des einflussreichen Theologieprofessors Paul Althaus für die Kirche zugleich die große Chance zur Missionierung: »… weil da unter unserer Kanzel Männer sitzen, die vielfach seit einem Jahrzehnt nicht mehr in die Kirche gegangen sind« Nach dem Kriege bereitete Althaus in seinem Buch »Staatsgedanken« (1928) auf weitere Krieg vor: »Nur der tritt in eine Zeit des Völkerfriedens wahrhaft ein, der das Ja zum Kriege im Herzen trägt.«
Es waren Karl Barth und die religiösen Sozialisten, die sich deutlich gegen dieses »deutsche Kriegslamento« wehrten und das Christentum durch diese deutsch-nationale Theologie verraten sahen. Sie wehrten sich gegen den kriegerischen Zeitgeist und Barth schreibt verbittert über den Ausverkauf der Theologie durch die Verfälschung der Botschaft vom Frieden.