Solidarität, Analyse, Aktion
17. Mai 2021
Europäische »No Pasaran«-Konferenz zu Widerstand gegen rechten Aufschwung
Als Antifaschistinnen und Antifaschisten betrachten wir natürlich nicht nur die politischen Entwicklungen hierzulande, sondern haben auch Bewegungen und Kräfte der extremen Rechten international im Blick. Schon anlässlich der Wahlen zum EU-Parlament mussten wir erleben, dass rechtspopulistische und offen faschistische Parteien deutlich gestärkt wurden. Durch den Austritt der ungarischen Orbán-Partei Fidesz aus der Fraktion der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) könnte sich deren Einfluss noch verstärken. Im Kontext dieser Wahlen veranstaltete die Europäische Linke (EL) zum ersten Mal im Jahr 2019 eine internationale Beratung unter dem Titel »No Pasaran« (»Sie werden nicht durchkommen«). Diese Adaption der Losung des Spanischen Bürgerkriegs soll die Dramatik verdeutlichen, die die Parteien der Fraktion GUE/NGL, aber auch darüber hinaus in der gegenwärtigen Entwicklung in Europa sehen.
Da sich der Aufschwung der Rechtskräfte in Europa auch unter Pandemiebedingungen fortsetzt, lud Mitte März die EL unter dem Titel »Solidarität, Analyse, Aktion – wie wir die extreme Rechte bekämpfen« zu einer weiteren »No Pasaran«-Konferenz ein. Unter Corona-Bedingungen wurde es nur eine Videotagung, dennoch war das Interesse an der Beratung groß. Referenten waren Vertreter diverser Linksparteien und Experten aus verschiedenen Ländern, selbst aus Brasilien. In einer ersten Bestandsaufnahme wurde die Ambivalenz der aktuellen Situation beleuchtet. In den USA wurde zwar ein Präsident der Demokraten gewählt, aber der »Trumpismus« bleibt weiterhin politisch einflussreich. In Griechenland wurde 2020 die Partei »Goldene Morgenröte« (Chrysi Avgi) in einem umfangreichen Prozess als kriminelle Vereinigung verboten, jedoch ist nicht zu übersehen, dass in der Polizei und den »Sicherheitskräften« deren Anhänger noch heute starke Netzwerke besitzen. In anderen europäischen Ländern feiert die extreme Rechte Erfolge, in Portugal schaffte erstmals seit der Nelkenrevolution 1975 eine faschistische Partei den Sprung ins Parlament, in Spanien agiert die offen franquistische Partei Vox gegen die Regierung. In Italien verschieben sich die politischen Gewichte innerhalb der Rechten zugunsten der offen faschistischen »Fratelli d’Italia«, und die rassistischen »Schwedendemokraten« erreichen über 20 Prozent an Zustimmung.
Fachleute aus mehreren Ländern vertieften diesen Überblick mit ihren Erfahrungen. Eine polnische Referentin skizzierte die widersprüchliche Entwicklung unter der PiS-Regierung. Sie berichtete vom breiten Widerstand gegen die Einschränkungen der Selbstbestimmungsrechte von Frauen, aber auch von den Schwierigkeiten, diesem Widerstand Kontinuität und Kraft zu verleihen, da die politischen Parteien sich ambivalent dazu verhalten.
Der extremen Rechten gelinge es in verschiedenen Ländern, nicht nur selber Rechtsentwicklungen voranzutreiben, sondern bürgerliche Parteien zu veranlassen, die politische Agenda der extremen Rechten zu übernehmen und als eigenes Programm umzusetzen. Als Beispiel wurden die Polizeigesetze genannt, die der französische Präsident Emmanuel Macron gegenwärtig versucht durchzupeitschen. Dabei beklagte der französische Vertreter, dass trotz des Erstarkens der extremen Rechten unter Marine Le Pen die verschiedenen linken Kräfte in Frankreich noch nicht den Weg des gemeinsamen Handelns gefunden hätten. Damit wachse die Gefahr, dass es bei der kommenden Präsidentschaftswahl in der Stichwahl nur wieder zu einer Alternative »rechts oder ganz rechts« kommt.
In mehreren Beiträgen wurde auch auf das Anwachsen rassistischer Strömungen in verschiedenen Ländern hingewiesen. Hier sei die politische Linke gefordert, mit den migrantischen Initiativen in enger Kooperation Handlungsstrategien zu entwickeln.
Von allen Gesprächsteilnehmern wurde die Schwäche der linken Bewegung in den jeweiligen Ländern als eine Ursache für den Anstieg der extremen Rechten genannt. So wurde beklagt, dass die extreme Rechte teilweise Themen und Symbole der Linken »gekapert« habe und diese – nationalistisch und rassistisch interpretiert – als eigene Agenda ausgebe. Die Linke müsse das gesellschaftliche Handeln im Interesse der arbeitenden Bevölkerung und der sozial Benachteiligten sowie die Solidarität mit dem globalen Süden in den Mittelpunkt des gemeinsamen Handelns stellen, um den Einfluss der extremen Rechten zu begrenzen.
Es war sicherlich den Begrenzungen einer Videokonferenz geschuldet, dass die Lebendigkeit der Diskussion eingeschränkt war. Auch fehlten unter den Referenten Aktivisten der antifaschistischen und antirassistischen Bewegungen aus den jeweiligen Ländern, die über ihr konkretes Handeln gegen die extreme Rechte berichteten. Ein positives Beispiel lieferte Christine Buchholz, die die gesellschaftliche Initiative »Aufstehen gegen Rassismus« in Deutschland und ihr gesellschaftliches Handeln gegen die AfD und Corona-Leugner vorstellte.
Im kommenden Jahr, so die gemeinsame Überzeugung aller Teilnehmenden, soll die nächste »No Pasaran«-Konferenz stattfinden – dann wieder als reale Begegnung. Außerdem sollten dann auch die extrem rechten Tendenzen in Osteuropa, in den baltischen Republiken und der Ukraine stärker in den Blick genommen werden.