Rechte Umsturzfantasien

geschrieben von Ulrich Peters

7. Januar 2023

Hintergründe zu den groß angelegten Razzien bei der »Patriotischen Union«

Am 7. Dezember 2022 kam es in der Bundesrepublik, in Österreich und Italien zu medial einige Furore machenden groß angelegten Hausdurchsuchungen und Festnahmen. Im Fokus dieser aktuellen Ermittlungen gegen bewaffnete extreme Rechte steht eine Gruppe, die unter der Bezeichnung »Patriotische Union« Waffen gehortet, Schießübungen durchgeführt, Feindeslisten angelegt und einen gewaltsamen Umsturz vorbereitet haben soll. In den rund 150 durchsuchten Gebäuden wurden neben diversen Pistolen und Gewehren auch Nachtsichtgeräte und Satellitentelefone beschlagnahmt sowie mehrere hunderttausend Euro in bar als auch Gold sowie Silber gefunden. Von den insgesamt 54 Beschuldigten sind aktuell (Stand Mitte Dezember 2022) 25 Personen in Haft. Inhaltlich greift die Gruppe auf reichsideologische Versatzstücke ebenso zurück wie auf Verschwörungsglaube und (rechte) Esoterik. Sie ist damit auch Ausdruck einer anhaltenden Radikalisierung demokratiefeindlicher Milieus, die insbesondere im Zuge der verschwörungsideologischen »Corona-Proteste« neue Allianzen geschlossen haben. So verwundert es wenig, dass neben langjährigen Reichsideolog*innen und Neonazis auch Impfgegner*innen, Esoterikfans, QAnon-Gläubige sowie AfD-Anhänger*innen zu den Beschuldigten gehören.

»Patriotische Union«

Als oberstes Gremium der »Patriotischen Union« gilt ein administrativer »Rat«, mit dem Reichs-ideologen Heinrich XIII. Prinz Reuß an dessen Spitze. Als sein persönlicher Referent war Thomas Tscherneschek aus dem bayerischen Landkreis Ansbach vorgesehen. Tscherneschek war für den Strukturaufbau verantwortlich, organisierte Schießübungen und hat neue Mitglieder rekrutiert. Er selbst war im Motorradclub »Gremium MC« aktiv, der seit Jahren mit Verbindungen und personellen Überschneidungen in die neonazistische Szene auffällt.

In Olbernhau (Sachsen) wurden zwei ehemalige Stadträte festgenommen. Neben Frank Richter (CDU) noch der bis 2020 für die AfD aktive Christian Wendler. Der Sportschütze soll für die Beschaffung von Waffen zuständig gewesen sein. Die Esoterikerin Ruth Hildegard Leiding aus Heppenheim (Hessen) war u. a. am Aufbau der AfD-Ortsgruppe beteiligt und als Wahrsagerin für die ebenfalls inhaftierte Birgit Malsack-Winkemann tätig. Malsack-Winkemann saß von 2017 bis 2021 für die AfD im Bundestag und war zuletzt wieder als Richterin in Berlin tätig. Im »Rat« sollte sie Verantwortung für das Justizressort übernehmen. Laut den Ermittlungen könnte ihr eine Schlüsselrolle zukommen. Malsack-Winkemann hat als ehemalige Abgeordnete weiterhin Zugang zum Parlament, besitzt entsprechende Ortskenntnisse und ist als aktive Sportschützin im Besitz von Waffen und an diesen trainiert.

Polizist*innen und Soldat*innen beteiligt

In einem dem »Rat« angegliederten »militärischen Arm« unter Leitung des ehemaligen Bundeswehrsoldaten Rüdiger von Pescatore sind weitere ehemalige wie aktive Soldaten und Polizist*innen beteiligt. Mit Michael Fritsch und Maximilian Eder gehören u. a. zwei bundesweit bekannte Protagonisten der Pandemieleugner*innenszene dazu. Der ehemalige Polizist Fritsch war seit August 2020 als Redner auf »Corona-Protesten« vertreten, Gründungsmitglied des verschwörungsideologischen Vereins »Polizisten für Aufklärung« und Kandidat für die rechts-esoterische Partei »Die Basis«. Neben ehemaligen Angehörigen des »Kommandos Spezialkräfte« (KSK) der Bundeswehr wie Eder gelang es jedoch, auch aktive Soldaten einzubinden. So wird etwa dem Stabsfeldwebel beim KSK Andreas Meyer vorgeworfen, dass er Mitglieder der Gruppe mit seinem Truppenausweis in Kasernen eingeschleust hat. Wie schon bei vorherigen Ermittlungen gegen extrem rechte Bundeswehrangehörige spielt das KSK erneut eine zentrale Rolle. Unter von Pescatore gedient hat auch der ehemalige Fallschirmjäger Peter Wörner. Im April 2022 gab es bei ihm eine Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit der geplanten Entführung von Karl Lauterbach durch die Gruppierung »Vereinte Patrioten«. Neben Schusswaffen fanden sich hier bereits erste Hinweise auf die »Patriotische Union«.

Anhaltende Radikalisierung

Ein gewaltsamer Umsturz hätte real wohl wenig Aussicht auf Erfolg gehabt, allerdings zeigt sich mit diesem Fall ein anhaltend hohes Selbstbewusstsein der Szene, dass solche Aktionen erfolgreich sein könnten. Diese Perspektive hängt eng mit der Herausbildung eines verschwörungsideologischen Protestmilieus und dem Wirken der AfD zusammen. Was sie eint, ist die Verachtung der Demokratie und die Beschwörung eines Widerstandsrechts, das aufgrund der vorhandenen Bewaffnung von Teilen der Szene bei anhaltender Radikalisierung eine reale Gefahr darstellt.

Ulrich Peters ist freier Journalist aus Berlin und im Redaktionskollektiv des Antifaschistischen Infoblatts aktiv. Informationen antifainfoblatt.de