Menschenversuche im Elsass
30. August 2015
Die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof
1941 gründeten die Nazis in dem Ski- und Naherholungsgebiet Natzweiler in der Nähe Straßburgs ein Konzentrationslager. Es war das einzige Konzentrationslager im besetzten Frankreich, das in die Struktur der KZs eingebunden war. Daneben gab es in Frankreich, wie in allen von den Nazis besetzten Ländern, Lager, in denen oft noch viel schlimmere und grausamere Bedingungen herrschten.
Der Ort wurde ausgewählt, weil ein Geologe und SS-Standartenführer in einem nahegelegenen Steinbruch Granit entdeckt hatte. Der Stein wurde für die Errichtung staatlicher Gebäude in Berlin, Nürnberg und Linz dringend benötigt.
Die ersten Häftlinge erreichten das Tal im Elsass am 21. Mai 1941. Sie kamen aus dem KZ Buchenwald. In Natzweiler wurden viele politische Häftlinge aus Frankreich, Holland, Belgien und Luxemburg inhaftiert. Sie wurden unter der Bezeichnung »Nacht und Nebel« (N und N) in das KZ gebracht. Der Gestapo und der SS war es zu unsicher, die in ihren Heimatländern oft angesehenen Männer, in den jeweiligen Ländern zu inhaftieren und hinzurichten. Seit zehn Jahren befindet sich in der Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen KZ eine Ausstellung, die besonders an diese europäische Widerstandskämpfer erinnert.
Obwohl viele politische Häftlinge in Natzweiler inhaftiert waren, wurden die Funktionen im Lager lange von kriminellen Häftlingen ausgeübt. Entsprechend schwer war es, im Lager Widerstandsstrukturen aufzubauen. Traurige Bedeutung hat Natzweiler auch durch die dort verübten Menschenversuche erlangt. Ärzte der Universität Straßburg nutzten das KZ, um dort barbarische Experimente an Häftlingen durchzuführen.
In unmittelbarer Nähe des KZ befindet sich das ehemalige Hotel Struthof mit einigen Nebengebäuden. In einem von ihnen wurde 1943 eine Gaskammer eingerichtet. Hier wurden u.a. Häftlinge umgebracht, die der SS-Arzt August Hirt von der Universität Straßburg aus Auschwitz angefordert hatte. Er wollte eine anatomische Sammlung »einer neuen Rasse« anlegen. Dafür arbeitete er eng mit der »Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte« aus dem 1935 gegründeten Ahnenerbe zusammen. Anfang August 1943 kamen in Natzweiler 57 Männer und 30 Frauen aus Auschwitz Birkenau an. Sie wurden in den Tagen zwischen dem 11. und 19. August vergast. Ihre Leichen wurden sofort danach ins anatomische Institut der Universität Straßburg gebracht. Im KZ Natzweiler sind weder die Aufnahme der Häftlinge noch die Morde registriert worden. Erst seit 2003 sind die Namen der Opfer bekannt. Vor wenigen Wochen wurden im Keller des anatomischen Instituts noch Überreste von ermordeten Häftlingen gefunden.
Ein anderer »Wissenschaftler«, der die Gaskammer nutzte war der Virologe Otto Bickenbach. Er forschte über das Giftgas Phosgen. Obwohl er bereits vor dem Zweiten Weltkrieg ein Gegenmittel entdeckt hatte führte er weiter Menschenexperimente durch. Ein Überlebender berichtete später »Nach ungefähr 10 Minuten hörte ich einen dumpfen Knall, so als würde jemand in die Hände klatschen. Es waren die Lungen zweier Häftlinge, die um den Verteiler laufen mussten. Sie waren `geplatzt´, und aus ihrem Mund, aus ihren Ohren und ihren Nasen rann brauner Schleim«.
Ein weiterer Arzt, der an Häftlingen in Natzweiler medizinische Experimente durchführte war der Bakteriologe Eugen Haagen. Er unternahm 1943 und 1944 zwei Versuchsreihen, bei denen er Häftlinge mit einem Typhusvirus infizierte. Die hygienischen Bedingungen im Krankenblock waren so schlimm, dass sich 1944 im ganzen Lager eine Typhusepidemie ausbreitete.
Zu den Besonderheiten von Natzweiler gehörte, dass das KZ für mehr als 60 Außenlager in Süddeutschland zuständig war. Selbst nach der Evakuierung im November 1944 wurde die Verwaltung der Außenlager aufrecht gehalten. Ihr Sitz wurde in einen kleinen Gasthof in Guttenbach verlegt. Obwohl Ende 1944 das KZ Natzweiler befreit wurde, endete der Leidensweg vieler Häftlinge erst im April / Mai 1945.
Neben französischen Besuchern trifft man heute auch deutsche Gruppen in der Gedenkstätte, die täglich geöffnet ist. Die Internetseite www.struthof.fr ist ebenfalls in deutscher Sprache abrufbar.