Eine politische Festlegung
30. Juli 2020
Potsdamer Abkommen: Was aus Deutschland werden sollte
Das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 ist ohne Zweifel das zentrale historische Dokument über die Ziele der Alliierten für die Nachkriegsordnung in Deutschland und Europa. Die Erfahrungen mit zwölf Jahren faschistischer Herrschaft in Deutschland und den Folgen des vom deutschen Faschismus vorbereiteten Zweiten Weltkrieges waren ursächlich für dieses Abkommen. Zwar konnte im Sommer 1945 noch niemand eine endgültige Bilanz der Kriegsschäden und Kriegsfolgen ziehen. Dennoch war allen Beteiligten klar, dass die faschistische Politik Millionen Menschen das Leben, die Freiheit und die Heimat gekostet hatte, und dass riesige Gebiete in den okkupierten Ländern der Politik der »verbrannten Erde« zum Opfer gefallen waren. Mit dem Abkommen in Potsdam sollte eine Wiederholung verhindert und eine stabile Nachkriegsordnung geschaffen werde.
Schon im Februar 1945 auf der Jalta-Konferenz hatten die Regierungschefs Franklin D. Roosevelt, Winston S. Churchill und Josef W. Stalin festgelegt: »Es ist unser unbeugsamer Wille, den deutschen Militarismus und Nationalsozialismus zu zerstören und dafür Sorge zu tragen, dass Deutschland nie wieder imstande ist, den Weltfrieden zu stören.« Diese gemeinsame Überzeugung prägte noch die Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945. Gemeinsam hatte man den deutschen Faschismus militärisch zerschlagen und noch kämpfte man gegen die japanischen Militaristen. Dennoch waren für aufmerksame politische Beobachter schon deutliche Anzeichen einer gegenseitigen Abgrenzung sichtbar, die als Vorboten des Kalten Krieges zu werten waren.
Vier Grundsätze
Im Potsdamer Abkommen wurden die politischen und wirtschaftlichen Grundsätze zur Deutschlandpolitik in vier zentralen Punkten, den vier D’s beschrieben: Demilitarisierung, Denazifizierung, Demonopolisierung/ Dezentralisierung und Demokratisierung.
Es war vollkommen unstrittig, dass die Wehrmacht aufgelöst und die Militärführer zur juristischen Verantwortung gezogen werden sollten. Es ging zudem um die gesellschaftliche Entmilitarisierung, zum Beispiel in der Erziehung, der Arbeit und den Verwaltungen. Die NSDAP und alle faschistischen Massenorganisationen wurden aufgelöst. Gleichzeitig ging es um die Ausschaltung ehemaliger Nazis in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Dezentralisierung bedeutet in der heutigen Geschichtsdarstellung zumeist »Föderalismus«. Das Potsdamer Abkommen bezog dies aber auch auf die Wirtschaft. Dies ermöglichte die Entflechtung von Monopolunternehmen wie zum Beispiel dem IG-Farben-Konzern sowie die Sozialisierung der Schlüsselindustrien, der Banken und die Enteignung von Großgrundbesitz zugunsten von demokratischen wirtschaftlichen Strukturen.
Auch der Begriff der Demokratisierung meinte nicht allein die Wiederzulassung von politischen Parteien und Organisationen wie den Gewerkschaften, sondern es ging auch um die Forderung nach umfassender Mitsprachemöglichkeit der Bevölkerung in allen gesellschaftlich relevanten Fragen. Und die Demokratie sollte vor den Werkstoren nicht Halt machen, damit nicht noch einmal wirtschaftliche Macht zu undemokratischen Zwecken missbraucht würde.
Neben diesen Vorstellungen zur gesellschaftlichen Neuordnung wurden im Potsdamer Abkommen territoriale Festlegungen getroffen, die die Grundlage für eine längerfristige friedliche Nachkriegsordnung darstellen sollte. Auch die Rückgabe des im Münchener Diktats von 1938 übernommenen Sudetenlandes an die Tschechoslowakei wurde geklärt. Daraus folgend musste andererseits auch der Umgang mit der dort lebenden deutschen Minderheit und deren Umsiedlung geklärt werden.
Natürlich war das Potsdamer Abkommen eine Vorgabe der Besatzungsmächte Großbritannien, Sowjetunion und USA, der sich Frankreich anschloss. Die inhaltlichen Punkte deckten sich jedoch weitgehend mit den Vorstellungen der Nazigegner für einen antifaschistisch-demokratischen Neubeginn, wie sie beispielsweise im Schwur von Buchenwald und in den ersten Programmen der demokratischen Parteien formuliert wurden. Sie beinhalteten keine Festlegungen zur Wirtschaftsordnung und dem zukünftigen Gesellschaftsmodell.
Trotz anderslautender Behauptungen gilt es festzuhalten: Das Potsdamer Abkommen war keine »Übergangsvereinbarung«, sondern bewahrt seine Rechtskraft bis heute. Nicht zuletzt der Artikel 139 im Grundgesetz macht deutlich, dass daran nicht zu rütteln ist.
Die politischen Festlegungen des Potsdamer Abkommens wurden in der BRD viele Jahrzehnte verdrängt. Im Gegensatz dazu verstanden Antifaschisten das Potsdamer Abkommen auch in den späteren Jahren als eine antifaschistische Vision, die nicht mit einem konkreten Gesellschaftsmodell verbunden ist. Diese Vorstellung einer antifaschistisch-demokratischen Gesellschaft bleibt auch 75 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg aktuell.