Ausgabe September/Oktober 2025
6. September 2025
Inhaltsverzeichnis und Editorial: Ausgabe 9/10 2025
6. September 2025
Zeitgeschehen
Die AfD im Kontinuum des Neofaschismus (Thomas Willms)
Zwischenbilanz zu antifaschistischen Mobilisierungen zu CSDs (Selina Arthur)
»Maja ist weiter in Isolation« (Interview mit Wolfram Jarosch)
Saskia Ludwig: Schnittstelle zwischen Konservatismus und extremer Rechter (Ulrich Peters)
Die rechte Stimmungsmache gegen die BVerfG-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf (Janka Kluge)
AfD-Militarismus nähert sich der Kanzlerpartei an (Ulrich Sander)
AfD gibt sich im Zuge von Diskussionen um Verbot einen Verhaltenskodex (Janka Kluge)
Unsere Meldungen (Ulrich Stuwe)
»We’ll Come United«-Karawane (red)
Freie Sachsen sind neben der AfD die größte Organisation der extremen Rechten im Freistaat (Kerstin Köditz)
Fashion against Fascism (Gerald Netzl)
Erste Videokonferenz von Redaktionen der FIR-Mitgliederzeitschriften (Ulrich Schneider)
Das Internationale Jugendtreffen in Buchenwald (Regina Girod)
Druck auf Regierung Israels (BSK-Erklärung)
Aus den Archiven
In Hamburg fand der 18. Workshop der »Archive von unten« statt (Julia Hartung)
Spezial
Der geschichtspolitische Angriff der AfD (Maxi Schneider)
Porträt
Vor 125 Jahren wurde Anna Seghers geboren (Maria Krüger)
Internationales
Kärnten/Koroška hat über 100 Orte, die an den Widerstand gegen Nazis erinnern (Elsa Logar, Milan Wutte und Jakob Holzer)
Polizeiüberfall auf Antifacamp auf Gelände der NS-Gedenkstätte Peršmanhof/Kärnten (Gespräch mit dem Klub Slowenischer Student*innen in Wien)
Geschichte
Queerfeindlichkeit und der Kampf gegen Sexualforschung im Nazireich und heute (Niklas Tretow)
Die biografischen Erinnerungen von Heinz Junge (Ulrich Schneider)
Polizist Bruno Meyer wollte Etkar André und Fiete Schulze aus Naziknast holen (Detlef Grumbach)
Kultur
Die Holocaustüberlebende Anita Lasker-Wallfisch wurde jüngst 100 (Harry Friebel)
Narthex zu regressiven Erscheinungen, Strategien, Taktiken und Grundlagen (Ulrich Stuwe)
Die Geschichte der schwäbisch-jüdischen Familie Moos in einer Autobiografie (Erika Weisser)
Pastasciutta antifascista: Erinnerung an den Sturz des Faschismus 1943 in Italien (ANPI Berlin-Brandenburg)
Ein Film erinnert an die Opfer des Anschlags in Mölln 1992 (Gespräch mit der Regisseurin Martina Priessner)
Perspektive Ost: Demokratische Praxis sichtbar machen (Nils Becker)
Der Debütfilm »Rote Sterne überm Feld« (Gespräch mit der Regisseurin Laura Laabs)
Patriarchat-Ultras: Sogenannte Kulturkämpfe oder auch Gesinnungstheater von rechts (Muerbe u. Droege)
Sachbuchcomic stellt Vorstellungen von prähistorischen Geschlechterrollen infrage (Sophia Hirsch)
Editorial von Nils Becker
In diesen Tagen wurde das neue Wehrpflichtgesetz vom Verteidigungsministerium vorgestellt. Demnach müssen alle, die nach 2007 geboren sind und einen männlichen Geschlechtseintrag haben, mit der Vollendung ihres 18. Lebensjahres einen Fragebogen ausfüllen – eine Art Vorauswahl zur Musterung. Ab 2027 wird die darauf folgende Musterung auch zur Pflicht. Die dabei erhobenen Daten über den Zustand der Wehrfähigen sind aufgrund der Notstandsrelevanz (der sogenannte Spannungs- oder Verteidigungsfall) besonders geschützt. Von der Freiwilligkeit, die 2024 von Minister Pistorius noch hochgehalten wurde, ist nichts mehr übrig. Das auch, um den Absprachen auf dem Nato-Gipfel im Juni gerecht zu werden. Demnach muss die Bundeswehr 260.000 aktive Soldat*innen und 200.000 Reservist*innen vorhalten. Neben aktuell noch vielen Ausnahmen von der Musterung wird für das Gros der Fragebogen-, Musterungs- bzw. Wehrpflichtigen die klassische Kriegsdienstverweigerung, mit all ihren Konsequenzen, die einzige Möglichkeit sein, sich dieser »Zeitenwende« zu entziehen.
Damit es gar nicht zu weiteren Einsätzen der Bundeswehr kommt, erstarkt die Friedensbewegung gerade. Das Aktionsbündnis »Rheinmetall Entwaffnen«, das mit der Parole »Verweigern wir uns dem Kriegsregime« ihr Camp Ende August in Köln bewarb, macht vor, worauf wir uns da einstellen können. Das Camp und die Demo musste in zweiter Instanz gerichtlich durchgesetzt werden. Vier gut gemachte Aktionen – u.a. eine Demo am Wohnhaus des Rheinmetall-Chefs Armin Papperger und die Blockade eines Bundeswehrgebäudes – sorgten für so viel Publicity, dass die Polizei die Abschlussdemo in Köln angriff (Veranstalter zählten 150 Verletzte) und stundenlang einkesselte. Über 500 Personalien von Demonstrierenden wurden erfasst. Als Gründe wurden die Missachtung von Auflagen und Angriffe auf Polizeibeamte genannt. Das Komitee für Grundrechte sieht in der Zerschlagung der Demo nicht nur einen Akt der Repression, sondern auch die Bemühung, die Aktionsformen des zivilen Ungehorsams – mehr macht das Bündnis ja nicht – als besonders unfriedlich darzustellen. Eine Warnung an alle, die sich mit den Protesten solidarisieren, sich der Kriegstüchtigkeit widersetzen oder sie praktisch herausfordern.
Vorväter der AfD
6. September 2025
Die AfD im Kontinuum des Neofaschismus
Politische Strategien entstehen nicht im luftleeren Raum. Sie sind das Werk einzelner Akteure, nicht gesichtsloser Parteiapparate. Da ist die extreme Rechte nicht anders als andere politische Bewegungen. In letzter Zeit sind mit Horst Mahler und Udo Voigt zwei Persönlichkeiten dieser Strömung verstorben, die mit ihrem Denken und Handeln ihre eigene Szene prägen wollten. Mahler hielt sich für wichtiger, als er war, Voigt war wichtiger, als er tat. Beide sind gescheitert; Mahler auf niedrigem, Voigt auf hohem Niveau. Aus beider Scheitern wurden Lehren gezogen, die uns die AfD eingebrockt haben. Vorväter der AfD weiterlesen »
Ein Lichtblick
6. September 2025
Zwischenbilanz zu antifaschistischen Mobilisierungen zu CSDs
Antifamobilisierungen rund um CSDs sind dieses Jahr sehr erfolgreich. Schon seit letztem Sommer beobachteten wir von Indymedia bis tagesschau eine massive Solidarität mit den von Rechten bedrohten Prides. Ob nun in Bautzen, Luckenwalde oder Budapest sind viele Menschen aktuell bereit, die Angriffe auf die CSDs nicht einfach so durchgehen zu lassen. Da zeigt sich, dass queere Menschen Teil jeder Bewegung und überall vertreten sind: in Gewerkschaften, Antifagruppen, Schulen und Jugendzentren. Sie haben die aktuellen Entwicklungen genau im Blick. Ein Lichtblick weiterlesen »
Maja ist weiter in Isolation
6. September 2025
Vater setzt sich für Überstellung von Maja T. in BRD ein. Gespräch mit Wolfram Jarosch
antifa: Du forderst als Vater von Maja T., dass dein aktuell in Ungarn in einem Haftkrankenhaus gut 200 Kilometer von Budapest entfernt inhaftiertes 24jähriges Kind nach Deutschland überstellt wird. Wie sehen die Bedingungen für Maja aktuell aus?
Wolfram Jarosch: Es ist nach wie vor so, dass sich Maja in Isolationshaft befindet – das änderte sich also auch nicht nach der Überführung ins Haftkrankenhaus, das nahe der rumänischen Grenze liegt. Es gibt winzige kosmetische Erleichterungen, die recht wahllos auch wieder zurückgenommen werden. Maja bekam zum Beispiel mal einen Ungarisch-Kurs oder war vereinzelt mit anderen auf einem gemeinsamen Hofgang. Das sah dann so aus, dass sich einige Gefangene in Käfigen von vielleicht sechs mal sechs Metern aufhalten dürfen, quasi wie im Zoo. In Majas Nachbarkäfig waren vier Leute aus einer anderen Zelle, von denen sich einer dann mit Maja auf Englisch unterhalten hat. Maja ist weiter in Isolation weiterlesen »
Nicht einzelne »Fehltritte«
6. September 2025
Saskia Ludwig: Schnittstelle zwischen Konservatismus und extremer Rechter
Die Abgeordnete der CDU-Bundestagsfraktion Saskia Ludwig steht seit einigen Wochen in der Kritik wegen ihrer aktiven Beteiligung an der Kampagne gegen die Berufung der von der SPD vorgeschlagenen Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin (siehe Seite 7) sowie der Teilnahme an einer Veranstaltung der rechten ungarischen Denkfabrik »Mathias Corvinus Collegium« (MCC) Anfang August. Ein Blick auf das politische Wirken von Ludwig verdeutlicht, dass es sich hierbei nicht um einzelne »Fehltritte« handelt, sondern Ergebnis einer seit Jahren gewachsenen Nähe zur rechten und verschwörungsideologischen Szene ist (siehe Spalte). Nicht einzelne »Fehltritte« weiterlesen »
Eine Kampagne wie aus dem Lehrbuch
6. September 2025
Die rechte Stimmungsmache gegen die BVerfG-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf
Die Wahl von Verfassungsrichter:innen ist eine komplexe Angelegenheit. Die im Bundestag vertretenen Parteien haben das Recht, Kandidat:innen vorzuschlagen. Der Richterwahlausschuss entscheidet in geheimer Wahl über die Besetzungen. Im Juni standen erneut Wahlen für das Bundesverfassungsgericht an.
Die von der SPD nominierte Frauke Brosius-Gersdorf sah sich kurz darauf einer regelrechten antifeministischen Schmutzkampagne ausgesetzt. Die Professorin an der Universität Potsdam arbeitete unter anderem in der von der Ampel eingesetzten »Kommission zu reproduktiver Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin« mit. Eine Kampagne wie aus dem Lehrbuch weiterlesen »
Lob für CDU-Kriegspolitik
6. September 2025
AfD-Militarismus nähert sich der Kanzlerpartei an
Aus der sich oft als Antikriegspartei ausgebenden AfD klingt es derzeit wie aus dem Regierungslager: »Die Weltlage verändert sich rasant, Europa arbeitet an einer eigenen – von den USA unabhängigen – Sicherheitsarchitektur«, so beginnt ein Beitrag des Spiegel mit der Überschrift »AfD-Politiker fordern Atomwaffen für Deutschland«.
Bereits in den ersten Verteidigungspolitischen Richtlinien nach dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik, verfasst vom damaligen Bundeswehr-Generalinspekteur Klaus Naumann, wurde die »nationale Interessenlage« Deutschlands ins Zentrum der Sicherheitspolitik des neuen Deutschlands gerückt. Von Naumann stammt der Satz: »Es gibt zwei Währungen in der Welt: wirtschaftliche Macht und die militärischen Mittel, sie durchzusetzen« (laut Spiegel 3/93). Zu seiner Zeit wurde der Kampf gegen die Migration zum Thema von Verteidigungspolitischen Richtlinien und der »Information für die Truppe« gemacht: »Zunehmende Migrationsbewegungen« wirkten sich auf die deutsche Sicherheit aus. Zudem wurde das Vorgehen gemeinsam mit der Polizei und den Reservisten gegen »innere Feinde« zur Aufgabenstellung. Naumann hat vergeblich versucht, ständiger Teilnehmer bei Kabinettssitzungen der Regierung zu werden. Doch er begründete erfolgreich das Streben nach direkter Einflussnahme der Generalität auf die Politik. Lob für CDU-Kriegspolitik weiterlesen »
Kreide für die AfD
6. September 2025
Extrem rechte Partei gibt sich im Zuge von Diskussionen um Verbot einen Verhaltenskodex
Bei einer Klausurtagung der AfD-Bundestagsfraktion wurde im Juli über einen Verhaltenskodex abgestimmt, der zumindest für die Abgeordneten der Partei eine gewisse Verbindlichkeit haben soll. Co-Chef Tino Chrupalla wollte den neuen Verhaltenskodex auf der anschließenden Pressekonferenz aber nicht auf die ganze Partei ausdehnen – es gäbe einen Unterschied zwischen einer Rede im Bundestag und auf einer Demo, führte er aus. Kreide für die AfD weiterlesen »
Unsere Meldungen
6. September 2025
Wahlteilnahme passé
In Leverkusen wurde Mitte Juli dem neofaschistischen Politiker Markus Beisicht die Kandidatur zur Oberbürgermeisterwahl durch den Wahlausschuss der Stadt verweigert. Grundlage für die Ablehnung war ein Bericht des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen über Beisicht. Als ehemaliger Aktivist der »Bürgerbewegung pro NRW« und aktives Mitglied von »Aufbruch Leverkusen« werte er bestimmte Minderheiten auf Grund ihrer Nationalität und Religionszugehörigkeit ab. Zu den Stadtratswahlen kann Beisicht kandidieren und bleibt ebenso wie »Aufbruch Leverkusen« zugelassen.
Wie Ende Juli bekannt wurde, sind ebenfalls in Nordrhein-Westfalen der AfD-Kommunalpolitiker Uwe Detert in der Stadt Lage und Julian Bender (»Der III. Weg«) in Hilchenbach von den dortigen Bürgermeisterwahlen ausgeschlossen worden. Joachim Paul, Bundesvorstandsmitglied der AfD und Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen am Rhein (Pfalz), verlor Mitte August nach seiner Zurückweisung durch den Wahlausschuss in erster Instanz das Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht in Neustadt an der Weinstraße. Paul wollte erwirken, doch an der OB-Wahl teilnehmen zu dürfen. Auch hier lagen Dossiers über dessen neofaschistische Vergangenheit vom VS bzw. der Grünen zugrunde. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde des Antragstellers wies das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz am 25. August zurück.
Nicht angenommen
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Klage der AfD gegen Malu Dreyer (SPD) Ende Juli nicht zur Entscheidung angenommen. Die AfD hatte moniert, dass die damalige Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz ihre Neutralitätsverpflichtung verletzt habe, als sie in ihrem Instagram-Kanal behauptete, die AfD verschleiere durch den Remigrationsbegriff ihre rassistischen Pläne. Unsere Meldungen weiterlesen »