Ausgabe März/April 2024

2. März 2024

Unser Titelbild zeigt das Gedenkenam 17. Februar anlässlich des rechtenAnschlags vor vier Jahren in Hanau.Rund 8.000 Menschen erinnerten
dort an die Ermordeten Ferhat Unvar,
Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi,
Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz,
Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat
Gürbüz und Gökhan Gültekin. Siehe
auch Seite 6 und Länderseite Hessen.
Foto: Hendrik Bammel

Unser Titelbild zeigt das Gedenken
am 17. Februar anlässlich des rechten
Anschlags vor vier Jahren in Hanau.
Rund 8.000 Menschen erinnerten
dort an die Ermordeten Ferhat Unvar,
Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi,
Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz,
Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat
Gürbüz und Gökhan Gültekin. Siehe
auch Seite 6 und Länderseite Hessen.
Foto: Hendrik Bammel

Seit Jahren wird auf massenweise Posi-tionierung im Kampf gegen rechts gehofft. Nun sind diese Massen bei Kälte und Regen auf Großdemos unterwegs, und dennoch macht sich gerade unter denjenigen Skepsis breit, die jahrelang auf solche Manifestationen politischen Willens hingearbeitet haben. Statt sich darüber zu freuen, dass wir mit unseren Analysen der Gefahren des Schulterschlusses von militanten Neonazis, AfD und Teilen der CDU – mit Unterstützung einiger Unternehmer – in der Breite durchgedrungen sind, wird beklagt, dass Demos nichts strukturell ändern. Richtig, aber diese Manifestationen sind eine hervorragende Rückendeckung für einen antifaschistischen Umbau staatlicher und gesellschaftlicher Institutionen, für eine andere Form von Sicherheit, für Bildung, für die Ausrichtung an Menschlichkeit und Solidarität. Es ist an uns, darauf hinzuwirken. Der gut gepflegte Pessimismus unter Antifaschist*innen kann eine treffende Analyse der Großdemos und der eigenen Stärken nicht ersetzen. Lasst ihn zu Hause und richtet euch darauf ein, euch freudig wiederholen zu müssen, ohne den überheblichen Satz »Das haben wir schon immer gesagt« zu verwenden. Die VVN-BdA hat sich früh entschieden, die Chancen der Massenmobilisierung zu nutzen, um dem organisiertesten und bedeutsamsten Teil der extremen Rechten in Deutschland – der AfD – so sehr zu schaden, dass sie zumindest nicht stärker werden kann. Die Konzepte dafür gibt es und sie greifen. Lasst sie uns dieses Jahr stärker verfolgen.

Parallel dazu läuft eine andere Art der Kampagne, die unsere Aufmerksamkeit noch mal anders erfordert und die SPD-Chef Lars Klingbeil im Juni 2022 so beschrieb: »Nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung hat Deutschland heute eine neue Stellung im internationalen Koordinatensystem. Deutschland muss den Anspruch einer Führungsmacht haben.« Dazu gehören stetige Aufrüstung, Militäreinsätze, diskursive Kriegsvorbereitung und das ökonomische Niederringen anderer Staaten. Die Katastrophen der von uns beobachteten Kriege in der Ukraine und in Israel/Gaza haben bisher nicht zum Umdenken geführt, sondern den Eskalationskurs bestärkt. Auch hier müssen wir uns daran gewöhnen, uns zu wiederholen, bis wir mit klugen Analysen und Handlungsweisen durchdringen. Nils Becker

Zeitgeschehen

Kampf gegen die AfD auf allen Ebenen (Thomas Willms)
Dresden 2024: Feels like 2010? (Silvio Lang)
AfD-Geschichtsrevisionismus: Nebelkerzenwerfen (Jens-Christian Wagner)
Hanau-Gedenken: Say their Names (Andreas Siegmund-Schultze)
Hentschke-Bau: Ein Vorzeigeunternehmen schlechthin (Silvio Lang)
Großdemos gegen rechts
Geheimtreffen? Potsdam ist überall (Janka Kluge)
Potsdam-Treffen: Falsche Analogien (Peter Nowak)
Unsere Meldungen (Ulrich Stuwe)
Plauen: Austausch über Gegenstrategien (Doritta Kolb-Unglaub)
Militäreinsatz im Roten Meer (Jürgen Wagner)
Dörfer gegen Rechts: Es beginnt vor Ort (Muerbe u. Droege)
Kurioses aus Archiven (Ulrich Schneider)
Die doppelte Bedeutung des 27. Januar (VVN-BdA-Bundessprecher*innenkreis)

Spezial

Menschenrechte verteidigen – Argumente und Fakten gegen falsche Behauptungen und reaktionäre Scheinlösungen zu Flucht und Migration (Ruth Stiasny-Seligmann und Kay Seligmann)

Portrait

Ingrid Strobl: Den letzten Weg gegangen (Janka Kluge)

Geschichte

50 Jahre Nelkenrevolution (Ulrich Schneider)
100 Jahre Rote Hilfe: Solidarität in allen Epochen (Silke Makowski)

Internationales

Israel: Zerstörung und Tod (Appell israelischer Menschenrechtsorganisationen)
Geteiltes Erinnern: Cultures of Remembrance (Educat)

Kultur

Wie Ungeist überdauert (Regina Girod)
Rechtspop: Reaktionäre Vereinnahmungsversuche (Christian Meyer)
Ein Teil von uns: 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland (Axel Holz)
John Heartfield Film: Die Wucht der Bilder (Hannah Geiger)
Bauen am nationalen Haus (Kristin Caspary)
Den Schleier zerrissen: Lokalstudie Walldorf (Silke Makowski)
Die Jugend der Olga Benario (Peps Gutsche)
Die Pflicht zum Nein: Auschwitz-Prozess vor 60 Jahren (Ulrich Schneider)
Flucht und Abenteuer: Hans Lauter (Gustav Peinel)
NS-Dokuzentrum München: Rechte Gewalt im Fokus (Ernst Antoni)

editorial

geschrieben von Nils Becker

2. März 2024

Seit Jahren wird auf massenweise Posi-tionierung im Kampf gegen rechts gehofft. Nun sind diese Massen bei Kälte und Regen auf Großdemos unterwegs, und dennoch macht sich gerade unter denjenigen Skepsis breit, die jahrelang auf solche Manifestationen politischen Willens hingearbeitet haben. Statt sich darüber zu freuen, dass wir mit unseren Analysen der Gefahren des Schulterschlusses von militanten Neonazis, AfD und Teilen der CDU – mit Unterstützung einiger Unternehmer – in der Breite durchgedrungen sind, wird beklagt, dass Demos nichts strukturell ändern. Richtig, aber diese Manifestationen sind eine hervorragende Rückendeckung für einen antifaschistischen Umbau staatlicher und gesellschaftlicher Institutionen, für eine andere Form von Sicherheit, für Bildung, für die Ausrichtung an Menschlichkeit und Solidarität. Es ist an uns, darauf hinzuwirken. Der gut gepflegte Pessimismus unter Antifaschist*innen kann eine treffende Analyse der Großdemos und der eigenen Stärken nicht ersetzen. Lasst ihn zu Hause und richtet euch darauf ein, euch freudig wiederholen zu müssen, ohne den überheblichen Satz »Das haben wir schon immer gesagt« zu verwenden. Die VVN-BdA hat sich früh entschieden, die Chancen der Massenmobilisierung zu nutzen, um dem organisiertesten und bedeutsamsten Teil der extremen Rechten in Deutschland – der AfD – so sehr zu schaden, dass sie zumindest nicht stärker werden kann. Die Konzepte dafür gibt es und sie greifen. Lasst sie uns dieses Jahr stärker verfolgen.

Parallel dazu läuft eine andere Art der Kampagne, die unsere Aufmerksamkeit noch mal anders erfordert und die SPD-Chef Lars Klingbeil im Juni 2022 so beschrieb: »Nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung hat Deutschland heute eine neue Stellung im internationalen Koordinatensystem. Deutschland muss den Anspruch einer Führungsmacht haben.« Dazu gehören stetige Aufrüstung, Militäreinsätze, diskursive Kriegsvorbereitung und das ökonomische Niederringen anderer Staaten. Die Katastrophen der von uns beobachteten Kriege in der Ukraine und in Israel/Gaza haben bisher nicht zum Umdenken geführt, sondern den Eskalationskurs bestärkt. Auch hier müssen wir uns daran gewöhnen, uns zu wiederholen, bis wir mit klugen Analysen und Handlungsweisen durchdringen.

Kampf auf allen Ebenen

geschrieben von Thomas Willms

2. März 2024

Die AfD muss verboten werden – bevor es zu spät ist

Es kommen jetzt Monate, vielleicht Jahre, in denen es immer wieder um das »Pro« und das »Contra« zum AfD-Verbot gehen wird. Wer bei uns lange genug dabei ist, wird sich an die Jahre 2007 bis 2010 erinnern, als die VVN-BdA ihre Kampagne »No NPD – NPD-Verbot jetzt!« führte. Damals wie heute ist diese Fragestellung irreführend – für unseren Verband allemal, denn wir haben einen eigenen Blick auf das Thema, den uns die Verfolgten des NS-Regimes mitgegeben haben. Praktische, pragmatische und taktische Überlegungen gibt es und darf es auch geben – sie ändern aber nichts daran, dass für uns Neonazis, in welcher Verpackung auch immer sie auftreten, von vornherein keinen Anspruch auf Legitimität haben. Die Fragestellung ist aber auch deshalb irreführend, weil sie ein Entweder-Oder behauptet, das nicht -existiert. Gerade der VVN-BdA liegt nichts ferner, als die Ausschaltung des organisierten Neofaschismus an eine Behörde oder ein Gericht delegieren zu wollen. Jahrzehntelange Erfahrung mit dem Staat Bundesrepublik Deutschland und seinem Verhältnis gegenüber organisierten Neonazis stehen dem entgegen. Kampf auf allen Ebenen weiterlesen »

Feels like 2010?

geschrieben von Silvio Lang

2. März 2024

Proteste gegen geschichtsrevisionistische Naziaufmärsche im Februar in Dresden

2009 fand in Dresden am Jahrestag der Bombardierung der Stadt, dem 13. Februar, die damals größte Nazidemonstration Europas statt. Ohne wirksamen Widerspruch zu erfahren, zogen mehr als 6.000 Nazis durch die sächsische Metropole – darunter ein damals noch unbekannter Björn -Höcke.

Nur ein Jahr später hatte sich das Bild grundlegend gewandelt. Weil ein breites antifaschistisches Bündnis unter dem Namen »Nazifrei! Dresden stellt sich quer« (Dresden Nazifrei) sich gefunden und Blockaden organisiert hatte. Eine Erfolgsgeschichte antifaschistischen Wirkens. Feels like 2010? weiterlesen »

Nebelkerzenwerfen

geschrieben von Jens-Christian Wagner

2. März 2024

Höhenflug der AfD: Den Geschichtsrevisionismus nicht dulden! Gastkommentar von Jens-Christian Wagner

2024 könnte ein Schicksalsjahr werden. In Brandenburg, Thüringen und Sachsen stehen Landtagswahlen an, und erstmals könnte es der extrem rechten AfD gelingen, in einem Bundesland in Regierungsverantwortung zu gelangen. Insbesondere in Thüringen ist diese Gefahr virulent. Dort liegt die AfD derzeit in Wahlumfragen bei 36 Prozent. Wenn die FDP und die Grünen knapp die Fünfprozenthürde reißen, könnten gut 40 Prozent der Wähler:innenstimmen schon für eine absolute Mehrheit im Landtag reichen. Sehr weit sind Höcke und Co. davon nicht mehr entfernt. Nebelkerzenwerfen weiterlesen »

Say their Names

geschrieben von Andreas Siegmund-Schultze

2. März 2024

In Hanau und 60 weiteren Orten: Gedenken an rassistischen Terroranschlag 2020

8.000 Menschen sind am 17. Februar anlässlich des vierten Jahrestags des rassistischen Terroranschlags im hessischen Hanau auf die Straße gegangen. Sie gedachten bei der Demonstration mit bundesweiter Beteiligung der Ermordeten Ferhat Unvar, -Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin. In rund 60 weiteren Städten wurde am gleichen Wochenende daran erinnert, dass am 19. Februar 2020 ein 43jähriger Neo-nazi in Shishabars neun Menschen mit Migrationsgeschichte, dann seine Mutter Gabriele R. und sich selbst erschoss sowie sechs weitere verletzte.

In Hanau führten viele Demonstrant:innen Schilder mit den Gesichtern der Ermordeten mit sich, häufig gerufen wurde die Parole »Widerstand überall, Hanau war kein Einzelfall«. Präsent war auch der Slogan »Say their Names«. Say their Names weiterlesen »

Ein Vorzeigeunternehmen schlechthin

geschrieben von Silvio Lang

2. März 2024

Sachsens VVN-BdA in gerichtlicher Auseinandersetzung mit Hentschke Bau

Seit März 2023 befindet sich die sächsische VVN-BdA in einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Unternehmen Hentschke Bau aus Bautzen und seinem Geschäftsführer Jörg Drews (antifa berichtete). Hintergrund ist ein Artikel1, der von einem Recherchekollektiv in Trägerschaft des Landesverbandes, in Zusammenarbeit mit dem Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) der Uni Leipzig, veröffentlicht wurde und sich mit Vernetzungen von Unternehmern in Ostsachsen mit der rechten Szene befasste. Ein Vorzeigeunternehmen schlechthin weiterlesen »

Großdemos gegen rechts

geschrieben von Red.

2. März 2024

Auf antifaschistischen Werten beharren

Seit dem 12. Januar wird in Deutschland wieder massenhaft gegen rechts demonstriert. Allein am Wochenende 20./21. Januar waren es laut Campact rund 1.500.000 Menschen in fast 100 Städten und Dörfern. Ausgelöst wurde diese Demowelle, die auch weiter anhält, durch die veröffentlichten Recherchen über ein Treffen von Neonazis und Rechtskonservativen Ende November 2023. Deren Planungen zu rassistisch motivierten Vertreibungen sowie zur Schwächung demokratischer Verfahren und die Breite der Akteur:innen, die daran arbeiten, wurden einer breiteren Öffentlichkeit jetzt erst offenbar (siehe Seiten 8 und 9). Auch die um sich greifenden Sorgen wegen AfD-Wahlerfolgen bei den kommenden Landtagswahlen und der Chancen auf Regierungsbeteiligungen im Bündnis mit CDU und FDP treiben die Menschen auf die Straße. Das Potsdamer Treffen war nur der Auslöser, um der grundsätzlichen Unzufriedenheit mit dem Rechtsruck in Politik und Gesellschaft, Ausdruck zu verleihen. Großdemos gegen rechts weiterlesen »

Potsdam ist überall

geschrieben von Janka Kluge

2. März 2024

Treffen offenbarte enge Verbindungen von Neonazis mit Rechtskonservativen

Das Ende November in einem Potdamer Hotel ausgerichtete Treffen von Neonazis und Rechtskonservativen bestimmte im Januar wochenlang die Berichterstattung. Mitglieder von Werteunion, CDU, AfD und andere Rechte – darunter einige Unternehmer – diskutierten dort über einen »Masterplan Remigration«. Das Treffen wurde von Correctiv beobachtet, dann in mehreren Artikeln aufgearbeitet und unzählige Mal medial aufgegriffen. Die 30 Teilnehmer mussten jeweils 5.000 Euro Spende zahlen, die an eine bisher nicht genannte rechte Organisation weitergegeben worden sein sollen. In der Ankündigung, die nur an ausgesuchte Personen ging, wurde der österreichische »Identitäre« Martin Sellner als Hauptredner angekündigt und dass er dabei seinen »Masterplan« präsentiere. Sellner ist eng mit Götz Kubitschek und dem Institut für Staatspolitik in Schnellroda (Sachsen-Anhalt) verbunden. Die Ideen, die Sellner vorstellte, werden im Umfeld von Kubitschek und AfD schon lange diskutiert – aus heiterem Himmel gefallen sind diese Vorstellungen für diejenigen, die sich über die rechte Szene informieren, also nicht. Potsdam ist überall weiterlesen »

Falsche Analogien

geschrieben von Peter Nowak

2. März 2024

Rechtes Treffen bei Potsdam: Warum Vorsicht bei der Bildung historischer Parallelen wichtig ist

Das Treffen extremer Rechter im November 2023 in der Villa Adlon am Lehnitzsee in Potsdam hat innenpolitisch für große Aufregung gesorgt. Eine kurzfristige Massenbewegung gegen rechts war eine der Folgen. Für Empörung sorgten vor allem die als »Remigration« verharmlosten rassistischen Pläne einer Massenabschiebung von Menschen aus Deutschland. Schnell sprachen Politiker*innen, aber auch Medien von einer Wannseekonferenz 2.0.

Das Mediennetzwerk Correctiv, das das rechte Treffen in Potsdam der Öffentlichkeit bekannt machte, wollte sich diese historische Analogie ausdrücklich nicht zu eigen machen. Tatsächlich sorgte die Bildung dieser historischen Parallele auch bei vielen Antifaschist*innen für Kritik. Denn auf dem Treffen von 15 hochrangigen NS-Funktionären am 20. Januar 1942 wurde der Massenmord an der jüdischen Bevölkerung in Deutschland und den von der Wehrmacht besetzten Ländern koordiniert. Wenn das rechte Geheimtreffen in Potsdam mit der Wannseekonferenz in Verbindung gebracht wird, wird der eliminatorische deutsche Antisemitismus relativiert, monieren die Kritiker*innen dieser Analogiebildung. Falsche Analogien weiterlesen »

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