Für meine Brüder

geschrieben von Markus Tervooren

5. September 2013

Kino-Epos über die jüdischen Bielski-Partisanen in
Weißrussland 1941-1944

Jan.-Feb. 2009

Defiance

Regie: Edward Zwick

Kinostart 05.03.2009

USA 2008

Die Geschichte, die der Film erzählt, beruht auf wahren Begebenheiten, ihre Helden haben wirklich gelebt. Mit Daniel Craig – Mein Name ist Bond, James Bond – als Hauptdarsteller ist es gelungen, diesem filmischen Hohelied auf den Widerstand gegen die Nazis breite mediale Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Der Titel »Defiance« ist ein Wort, das das Deutsche nicht kennt. Das Wörterbuch umschreibt es mit Trotz, offener Ungehorsam, tollkühner Widerstand. Der Film liefert uns die Übersetzung. Das passiert in einem durchaus konventionellen, schön fotografierten Abenteuer- und Actionfilm, von Edward Zwick (Der Letzte Samurai, Blood Diamond). Mit tollen Schauspielern und packenden Actionszenen wird er seinem Anliegen, ein noch weitgehend unbekanntes Kapitel bewaffnetem antifaschistischen Widerstandes und jüdischer Selbstbehauptung inmitten des Grauens der Shoa einem breiten Kinopublikum näher zubringen, durchaus gerecht.

1941 in Weißrussland, die Wehrmacht ist auf dem Vormarsch auf die Sowjetunion, die osteuropäischen Juden werden, mit Unterstützung von weißrussischen Kollaborateuren, zu Hundertausenden ermordet. Aber die weißrussischen Wälder werden auch zum Operationsgebiet zahlreicher sowjetischer, polnischer und weißrussischer Partisaneneinheiten.

Die Bielski-Brüder Tuvia (Daniel Craig), Zus (Liev Schreiber), Asael (Jamie Bell), und Aron (George MacKay), aus dem Dorf Stankiewicze bei Nowogródek, verstecken sich in den Wäldern, nachdem die Deutschen zusammen mit der örtlichen Polizei ihre Familie ermordet haben. Längst hat sich der Nalibocka-Wald zur Zuflucht für zahlreiche Juden und Jüdinnen entwickelt. Die Brüder werden rasch zu den Anführern einer jüdischem Partisanengruppe. Ihr Hauptanliegen ist die Rettung weiterer Juden. Schnell hat sich ihr Ruf als tollkühne Rächer herumgesprochen. Tuvia und seine Brüder gehen auch ins Ghetto von Nowogróde, bewegen viele dort Zusammengepferchte zur Flucht, um sich ihrer Gruppe anzuschließen. Diese hat sich als »Bielski-Brigade« längst einen Ruf unter den anderen Partisanen und auch bei den verhassten Deutschen erworben. So entsteht in den Wäldern eine jüdische Gemeinschaft, die bis 1944 auf 1200 Menschen anwächst, das »Jerusalem in den Wäldern«. Die meisten ihrer Mitglieder überlebten den Holocaust.

Wie dies möglich war, mit allen scheinbar unüberwindlichen Widersprüchen ist das eigentliche Thema dieses Films. Wie ist es möglich, als Partisanen gegen die Deutschen zu kämpfen und gleichzeitig Hunderte Menschen am Leben zu erhalten, die nach militärischer Logik lediglich Ballast darstellten. Woher und wie kann das Lebensnotwendige beschafft werden, wie behauptet man sich als Juden, gegen den allgegenwärtigen Antisemitismus in der Bevölkerung, aber auch bei anderen Partisanengruppen? Verkörpert wird dieses Dilemma durch die beiden gegensätzlichen Bielskie-Brüder und Konkurrenten, Tuvia und Zus. Kaum finden die ersten Flüchtlinge zu den Partisanen fragt Zus, wie man diese denn im Wald ernähren und gleichzeitig kämpfen solle. Tuvia antwortet ihm: »Ich will retten und nicht nur töten«. So sieht man in der Folge Tuvia als charismatischen Organisator, oft umstrittenen Führer des Partisanenlagers und schlagkräftigen Beschützer seiner Gemeinschaft, der zur Waffe vor allem zur Verteidigung greift. Zus hingegen ist der tollkühnen Rächer und Partisanenkämpfer, der zusammen mit sowjetischen Partisanen Kollaborateure bestraft, deutsche Posten überfällt und Militärtransporte angreift.

Gleichzeitig erfahren wir einiges über die Probleme einer Gemeinschaft, die durch brutale antisemitische Verfolgung und individuellen Überlebenswillen zustande gekommen ist und Solidarität erst lernen muss. Das »Schtetl Bielsk« will und muss eine Gemeinschaft der Gleichen sein, doch auch hier gibt es Neid, Hass, Ungleichheit und Frauenfeindlichkeit, droht immer wieder das Recht des Stärkeren einzubrechen. Das erzählt der Film in kleinen persönliche Geschichten von Liebe und Hass, jugendlichem Erwachen, Neubeginn und Emanzipation. Und gerade hier bricht auch immer wieder die Parallelität von Selbstbehauptung und Widerstand, von Verfolgung und Vernichtung in die abgelegene Gemeinschaft ein. Nachrichten von draußen sind immer auch Nachrichten vom Tod der Angehörigen und Freunde, jeder Hoffnung folgt die tiefste Verzweiflung.

Schwach ist der Film an den Stellen, wo sich Tuvia alias Daniel Craig als Anführer in programmatische Ansprachen an die jüdischen Brüder und Schwestern wendet und der Film sich nicht auf die Geschichte(n), die er erzählt, verlässt. Sein kleinerer Bruder Asael hingegen bringt die Dinge auf den Punkt, wenn er beim Schießtraining kurz bemerkt: Das Gewehr, Juden, ist nicht einfach eine Waffe, es ist die Schleuder, mit der David Goliath tötet.

Der Film räumt gründlich mit dem immer noch weit verbreiteten Vorurteil auf, Juden hätten sich »wie Lämmer zur Schlachtbank« führen lassen. »Defiance« kommt in Deutschland am 5. März in die Kinos. Reingehen!