Suchmeldung und Steckbrief

geschrieben von Ernst Antoni

5. September 2013

Sept.-Okt. 2012

»Vermisst« steht in kapitalen Lettern über den querformatigen Plakaten und Anzeigen. Darunter ein Foto. Einmal eine junge Frau mit Kopftuch, auf anderen Postern Porträts junger Männer. Die Abgebildeten sind meist unschwer erkennbar als Menschen »orientalischer« Herkunft, Muslime …

»Das ist meine Freundin Fatma. Ich vermisse sie…«, heißt es im Text zum Frauenbild und weiter: »…denn ich erkenne sie nicht mehr.« Die Suchmeldung wandelt sich zum Steckbrief: »Sie zieht sich immer mehr zurück und wird jeden Tag radikaler. Ich habe Angst sie ganz zu verlieren – an religiöse Fanatiker und Terrorgruppen.« Es folgt der Hinweis auf eine »Beratungsstelle Radikalisierung« beim, dem Bundesinnenministerium unterstehenden, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Mit Telefonnummer, Internetadresse und Homepage.

Auf dieser lässt sich nachlesen, dass es seit Beginn dieses Jahres im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine »Beratungsstelle« gibt, »an die sich alle Personen wenden können, die sich um die Radikalisierung eines Angehörigen oder Bekannten sorgen und zu diesem Themenbereich Fragen haben.« Die Plakataktion des Bundesinnenministeriums – kurz vor dem ursprünglich geplanten Kampagnenstart publik geworden – wirft wahrlich Fragen zum Themenbereich auf. Nicht nur für Angehörige und Bekannte.

Die wichtigste inhaltliche Frage haben eine Reihe muslimischer Verbände bereits beantwortet. Mit der Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem Innenministerium, das mit diesen Anzeigen und Plakaten alle Muslime unter Fanatismus-Generalverdacht stelle. Heraufbeschworen werde eine »gesellschaftliche Paranoia«, so die Verbände in einer Erklärung.

Eine weitere Frage führt zum Ermittlungsfiasko bei der NSU-Mordserie, als permanent im »Ausländer-Milieu« geforscht wurde, und eine damit verbundene Frage zu jenen Diensten, die im Generalverdacht-Produzieren nach wie vor unermüdlich sind. Wenn‹s nicht gegen rechts geht.

Die Frage, ob dieses Bundesinnenministerium nicht längst von allen guten Geistern verlassen ist, erübrigt sich angesichts der »Faktenlage«.