Im Globalisierungskrieg
13. September 2013
Gedanken zum Antikriegstag 2013
Entgegen völkerrechtlich verbindlich abgegebener Zusicherungen geht von deutschem Boden wieder Krieg, ja sogar ein Angriffskrieg aus. Deutsche Soldaten kämpfen, töten und sterben für das Bündnis mit den USA, für den Fortbestand der NATO, für mehr politisches Gewicht Deutschlands auf der Weltbühne und nicht zuletzt für Wirtschaftsinteressen. Schon im »Weißbuch der Bundesregierung zur Sicherheitspolitik und Zukunft der Bundeswehr« aus dem Jahr 2006 steht zu lesen, dass »die Sicherheitspolitik Deutschlands von … dem Ziel geleitet wird, die Interessen unseres Landes zu wahren«, worunter insbesondere fällt, »den freien und ungehinderten Welthandel als Grundlage unseres Wohlstands zu fördern«, nota bene: unseres Wohlstandes!
Gerade im Hinblick auf den letztgenannten Aspekt muss der unmittelbar nach dem Ende des Kalten Krieges begonnene Reform- und Transformationsprozess, dem das deutsche Militär unterzogen wird, zu erheblichen Zweifeln Anlass geben. Gemäß der Devise, dass »Waffen ja – schießen nein« eigentlich keinen Sinn mache und Frieden durchaus auch mit aller Gewalt geschaffen werden müsse – denn für den Brunnenbau hätten wir ja schließlich das THW – tritt das strategische Ziel des strukturellen Umbaus immer klarer hervor: nämlich die Kriegführungsfähigkeit der Bundeswehr zu steigern – mindestens 10.000 Soldaten und Soldatinnen sollen zeitgleich dauerhaft in zwei Auslandseinsätzen und einer Marinemission eingesetzt werden können. Zugleich spiegelt sich der sicherheitspolitische Paradigmenwechsel weg von der Defensive und hin zur Offensive auch in den systematischen Rüstungsbeschaffungsprogrammen zur Optimierung globaler Interventions- und Angriffsfähigkeit wider.
Phraseologisch verbrämt wird die neue deutsche Sicherheitspolitik im offiziellen Jargon des Bundesministeriums der Verteidigung mit Parolen wie jener, dass »von der Nation fortan erwartet« werde, »vermehrt internationale Verantwortung zu übernehmen.« Oder wie der deutsche Kriegsminister tönt: »Es ist ehrenvoll, in deutscher Uniform für eine bessere, gerechtere, freiere und sichere Welt einzutreten. Darauf können wir in aller Bescheidenheit stolz sein.«
Wie das Ergebnis solch ehrenvollen und heldenhaften Tuns mitunter aussieht, ließ sich etwa in Kunduz besichtigen, wo am Morgen nach der Bombennacht des 5. Septembers 2009 an die 100 afghanische Männer, Jugendliche und Kinder zerfetzt, verstümmelt, verbrannt, krepiert als Opfer eines schneidigen Bundeswehrobersts auf dem Feld der Ehre lagen. Ob der amtierende Kriegsminister dies meint, wenn er vor dem Deutschen Bundestag die Maxime »Wohlstand erfordert Verantwortung« propagiert?
Hinter der propagandistischen Fassade tritt dagegen unverblümt die Macht- und Interessenpolitik hervor, wenn aus dem Berliner Bendlerblock erschallt: »Wir haben ein nationales Interesse am Zugang zu Wasser, zu Lande und in der Luft.« Mit ihrem neokolonialistischen bis -imperialistischen Unterton kontrastieren derartige Programmaussagen mit den Vorgaben aus höchstrichterlichem Munde, denn in einem epochalen Urteil aus dem Jahr 2005 hatte das Bundesverwaltungsgericht besonders herausgestrichen, dass »der Einsatz der Bundeswehr ‚zur Verteidigung’ mithin stets nur als Abwehr gegen einen ‚militärischen Angriff’ … erlaubt [ist], jedoch nicht zur Verfolgung, Durchsetzung und Sicherung ökonomischer oder politischer Interessen.«
In Anbetracht dessen drängt sich die Frage nachgerade auf, inwieweit die Sicherheitspolitik dieser Republik den Boden des Grundgesetzes nicht längst verlassen hat, wenn es denn realiter um nichts anderes geht, als die Durchsetzung der Globalisierung mit militärischen Gewaltmitteln, vulgo: Wirtschaftskrieg für die Profitinteressen der heimischen Produzenten.
Neu ist letzteres keineswegs, denn wie konstatierte bereits im Jahre 1925 Kurt Tucholsky zutreffend: »Der moderne Krieg hat wirtschaftliche Ursachen.« Und, so der scharfzüngigste Friedensjournalist Deutschlands weiter: »Die Möglichkeit, ihn vorzubereiten und auf ein Signal Ackergräben mit Schlachtopfern zu füllen, ist nur gegeben, wenn diese Tätigkeit des Mordens vorher durch beharrliche Bearbeitung der Massen als etwas Sittliches hingestellt wird.«
Genau deshalb sollten Demokraten, denen am Frieden und am Recht gelegen ist, gegen eine Politik aufstehen, die deutsche Soldaten weltweit in den Krieg schickt, und protestieren. Denn es geht um unseren Frieden und es geht um unsere Verfassung. Wir sind gefordert, als demokratische Staatsbürger und in unserer ganzen Person, beides zu verteidigen gegen die »schmutzige Zumutung der Macht an den Geist«, die einem Aperçu des großen Karl Kraus zufolge darin besteht, »Lüge für Wahrheit, Unrecht für Recht, Tollwut für Vernunft zu halten.«