Exil im Sehnsuchtsland
18. November 2013
Ausstellung und Essay zu Heinrich Mann und Frankreich
Das »Buddenbrookhaus« in Lübeck zeigt gegenwärtig eine Ausstellung über das Verhältnis Heinrich Manns zu Frankreich. Das Museum hat sich entschieden, statt eines Ausstellungskatalogs mit vielen Bildern einen Essay herauszubringen. Autor Manfred Flügge hat sowohl die Ausstellung konzipiert, als auch den sehr lesenswerten Essay »Traumland und Zuflucht« verfasst.
Für den 1871 geborenen Heinrich Mann war Frankreich schon früh geistiger und literarischer Bezugspunkt. Erste Bücher französischer Schriftsteller, die er kennenlernte, stammten von Emil Zola und dem heute fast unbekannten Paul Bourget. Vor allem der psychologische Roman »Le disciple« (Der Schüler) hat ihn stark beschäftigt. Obwohl sich Heinrich Mann stark von Frankreich angezogen fühlte, blieb er in Deutschland, seine wenigen Reisen in das Nachbarland müssen für ihn eher enttäuschend gewesen sein. »Frankreich hat ihn nur über Gelesenes inspiriert, über Literatur und Zeitungen, das dortige Alltagsleben kannte er ebenso wenig wie das literarische Leben in Paris.«, schreibt Flügge. Frankreich war für Heinrich Mann das Land der französischen Revolution. Damit stand es für Freiheit.
Die Liebe zu Frankreich und zur französischen Literatur machte Heinrich Mann zum Außenseiter im deutschen Kulturleben. Als während des Ersten Weltkriegs die meisten Schriftsteller in nationalen Taumel verfielen, wurde er deshalb stark angefeindet. Viele, die sich später ernüchtert und entsetzt zu Pazifisten entwickelten, gehörten 1914 zu den Kriegsbegeisterten. 1914 schrieb Heinrich Mann einen Essay über Emile Zola. Obwohl er den aktuellen Krieg darin mit keinem Wort erwähnt, ist der Text »eine Abrechnung mit dem deutschen Kaiserreich. Eine Prophezeiung von dessen Ende, und es war eine mutige Tat.«
Heinrich Manns Essay über Zola war auch eine Reaktion auf einen Aufsatz, den Thomas Mann unter dem Titel »Gedanken zum Kriege« in der Neuen Rundschau veröffentlicht hatte. Thomas Mann hat sich darin, wie auch später in den »Bekenntnissen eines Unpolitischen« für das Recht Deutschlands, eine Vormachtstellung einzunehmen, eingesetzt. Besonders Frankreich hat Thomas Mann jede tiefe Kultur abgesprochen. Sein Bruder Heinrich war für ihn nur der »Zivilationsliterat«, der Deutschland nicht repräsentieren könne. Erst in der Weimarer Republik haben sich die Brüder wieder angenähert.
Als er 1933 nach Frankreich emigrierte, musste sich Heinrich Mann mit dem Leben in seinem Sehnsuchtsland arrangieren. Die Zeitschrift Paris –Soir veröffentlichte im Juli 1933 einen Bericht über die Emigranten in den kleinen südfranzösischen Städten Sanary-sur-Mer und Bandol. Der Journalist hat sich auch mit Heinrich Mann getroffen. »In bestem Französisch habe der ehemalige Akademiepräsident erzählt, er lebe wie ein Student, mache seine Einkäufe selber, das halte jung. (…) Im Augenblick sei er Journalist, sagt Heinrich Mann, er schreibe Artikel für französische Zeitungen, erst später wolle er sich wieder seine Romane vornehmen.«
Heinrich Mann schrieb also erst einmal keine Romane, sondern stellte seine Arbeit in den Dienst antifaschistischer Aufklärung. Bereits im Herbst 1933 erschien in Amsterdamer Exilverlag Querido das Buch »Der Hass«. Lion Feuchtwanger bemerkte zu der nach der Befreiung neu herausgegebenen Ausgabe: »Heinrich Mann hat das Deutschland des letzten Jahrzehnts früher und schärfer vorausgesehen als wir alle. Er hat es dargestellt von seinen Anfängen her, lange bevor es Wirklichkeit wurde.«
Etwas gestört hat mich beim Lesen des Essays von Manfred Flügge, dass er die Aktivitäten des kommunistischen Widerstands und der ihm verbundenen Schriftsteller durchweg negativ darstellt. Heinrich Mann hatte schon vor der Machtübertragung an Hitler einen Aufruf mitunterzeichnet, in dem zu gemeinsamen Aktionen aller Antifaschistischen aufgerufen wurde. Auch während seines Exils hat er mit kommunistischen Gruppen zusammengearbeitet und einiger seiner Schriften sind in Moskau veröffentlicht worden. Trotzdem insgesamt ein sehr lesenswerter Essay über ein Stück antifaschistischer Literaturgeschichte.