Fragen für hier und heute
28. November 2013
antifa-Gespräch mit Ernst Grube über Gedenkstätten und Lernorte
antifa: Im unlängst veröffentlichten »Fünfjahresbericht« der »Stiftung Bayerisches Gedenkstätten« ist festgehalten, dass »der engagierte Überlebende« – so steht es da – Ernst Grube 2012 zum Vorsitzenden des »Kuratoriums der Stiftung« gewählt wurde, »dem die in der Erinnerungsarbeit aktiven Vereine und Verbände angehören«. Was macht dieses Kuratorium?
Ernst Grube: Es handelt sich um ein Gremium, das laut »Gesetz über die Errichtung der Stiftung Bayerische Gedenkstätten« aus dem Jahr 2002 »den Stiftungsrat und den Stiftungsdirektor in allen fachlichen Fragen« beraten soll. Die Kuratoriumsmitglieder kommen aus verschiedenen zivilgesellschaftlichen Bereichen – unter anderem sind der DGB dabei, der Landesjugendring, Vertreter jüdischer Organisationen, der Verband der Sinti und Roma, kirchliche Gremien und Gedenkstättenleitungen. Ich gehöre dem Kuratorium als stellvertretender Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau an.
antifa: »Beratende Funktion« – das ist nicht selten ein weites Feld, auf dem jemand sich abarbeiten darf. Und letztlich machen die politisch und finanziell Entscheidenden dann doch das, was sie ohnehin wollen…
Ernst Grube: Gefeit davor ist niemand. Bisher allerdings hatte ich bei unserer Kuratoriums-Arbeit schon den Eindruck, dass viele unserer Anregungen auf fruchtbaren Boden fallen. Dass es also nicht um Alibi-Funktionen geht, sondern sehr ernsthaft mit den Anliegen und Anregungen vor allem der ehemals Verfolgten umgegangen wird. Es ist ja nicht so, dass das alles in einem quasi wertfreien wissenschaftlichen Raum stattfindet, sondern hat zu tun nicht nur mit politischen und weltanschaulichen Herangehensweisen, sondern ganz konkret auch mit regionalen und lokalen Formen des Gedenkens. Die hatten dort oft über Jahrzehnte hinweg ihre eigene Entwicklung und nicht immer die Aufmerksamkeit von politischer oder Medienöffentlichkeit, die ihnen eigentlich zugestanden hätte. Gerade in solchen Fällen glaube ich aber, dass auch mit Hilfe der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten hier etwas weitergebracht werden kann. Im Kuratorium jedenfalls beschäftigen uns derzeit vor allem die Außenlager der großen Konzentrationslager in Bayern, von denen bisher oft wenig bis gar nichts im allgemeinen Gedächtnis vorhanden ist.
antifa: Ein anderes Projekt, dem du dich, auch im Rahmen deiner Aktivitäten in der VVN-BdA, seit langem verschrieben hattest und hast, ist der Bau eines NS-Dokumentationszentrums in München. Konkret geht es um das nun entstehende Gebäude auf dem Terrain des ehemaligen »Braunen Hauses«, in dem der Weg Münchens zur einstigen Nazi-»Hauptstadt der Bewegung« dokumentiert werden soll.
Ernst Grube: Ich gehörte zu dem Initiativkreis, der vor weit über zehn Jahren mit der Idee an die Öffentlichkeit ging, im Umfeld des von der NSDAP als Aufmarschort umfunktionierten Königsplatzes mit den diesen flankierenden »Führerbauten« solch eine Einrichtung zu schaffen. Mir scheint das Dokumentationszentrum, für das ich derzeit als Vertreter jenes Initiativkreises im Politischen Beirat bin, nach langen nicht immer einfachen Vorbereitungen nun auf einem guten Weg. Im Gegensatz zur Stiftung, über die wir vorher gesprochen haben, geht es hier nicht um eine Gedenkstätte. Das Zentrum soll ein Ort werden, der von den Tätern handelt. Warum gerade hier in München – und wer war beteiligt? Ich persönlich halte diese Einrichtung, die im November 2014 eröffnet werden sein soll, deshalb für wichtig, weil sie unsere Zielvorstellung befördert, Hintergründe und Wurzeln auszuleuchten und nicht nur für die Jugend daraus Fragen für hier und heute zu entwickeln: Was geht uns das an, was können wir tun, damit so etwas nie wieder geschieht?
antifa: »Fragen für hier und heute«: Du warst ja im August dabei beim Besuch von Angela Merkel in der KZ-Gedenkstätte Dachau und wurdest danach in einem Bericht des Evangelischen Pressedienstes zitiert: »Ich habe ihr gesagt, dass eine schöne Rede nicht genügt, wenn man nicht die Gegenwart einbezieht.«
Ernst Grube: Gewünscht war von den Initiatoren des Besuchs, dass KZ-Überlebende teilnehmen und es für sie die Möglichkeit zu einem Gespräch mit der Bundeskanzlerin gibt. Mein Anliegen war, bei dieser Gelegenheit Frau Merkel zum Neofaschismus und zu juristischen Freibriefen für braune Aufmärsche und Propaganda, zum Rassismus und zum Umgang mit Flüchtlingen anzusprechen. Dabei erinnerte ich sie daran, dass die Verbreitung der »Auschwitz-Lüge« ja juristisch sanktioniert werde. Ich forderte sie auf, sich für ein Gesetz einzusetzen, das generell die Propagierung von Rassismus und Neofaschismus bei uns unter Strafe stellt. Ich verwies dabei auf das Grundgesetz und die darin schon angelegten Voraussetzungen. Nachdem das Gespräch bereits beendet war, kam sie danach noch einmal auf mich zu und meinte: »Eigentlich haben Sie ja recht. Ich werde darüber nachdenken.« Wir sollten die Kanzlerin bei Gelegenheit daran ab und zu erinnern.