Ein aufrechter Mann
15. Januar 2014
Bremen würdigt die Lebensleistung von Willi Meyer-Buer
Der Weg entlang Bremens Wallgraben unweit der Kunsthalle und des Goethe-Theaters soll künftig den Namen Willi Meyer-Buers tragen, beschloss Bremens Beirat Mitte am 4. November 2013. Ausschlaggebend für die einstimmige Entscheidung war seine Lebensleistung, sein antifaschistischer Widerstand, die zweimalige Verurteilung und KZ-Haft und sein wiederholter Einsatz zur Rettung von Menschenleben. Die Würdigung gilt auch als späte Wiedergutmachung seiner erneuten Verurteilung im Jahr 1963.
Am 30. April 1911 wurde Willi Meyer-Buer als Sohn eines Bergwerksbeamten in Gelsenkirchen-Buer geboren, der Vater arbeitete auf der Schachtanlage EWALD III/IV in Buer-Resse. Willi Meyer-Buer absolvierte eine kaufmännische Lehre, wurde Mitglied im Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) und 1931 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Am 19. Oktober 1933 wurde er verhaftet, die Vernehmung abgebrochen, da er dem Sachverhalt nicht mehr folgen konnte. Bei der erneuten Vernehmung sprang Willi Meyer-Buer aus dem Fenster, blieb acht Meter tiefer bewusstlos auf dem Gefängnishof liegen, erlitt schwere innere Verletzungen. Polizeivermerk vom 2. November 1933: »Bei den stattgefundenen Gegenüberstellungen wollte er keine Person kennen und leugnete alles ab. Um seine Genossen nicht zu verraten, hat er einen Fluchtversuch unternommen…«
Nach drei Verhandlungstagen wurde er am 26. Oktober 1934 vom Oberlandesgericht Hamm zu 2 Jahren 3 Monaten Zuchthaus verurteilt. Vorgeworfen wurden ihm Herstellung und Verteilung von Flugblättern, Aufbau der zertrümmerten Organisation, Geldsammlungen, Unterstützung kommunistischer Funktionäre, insbesondere durch Beherbergung Flüchtiger. Bei dem 22-jährigen wurden Flugblätter mit der Überschrift »Wahrheit über den Reichstagsbrand« gefunden. Er war Kurier zwischen Instruktionsleiter und den Unterbezirken der verbotenen KPD, die er mit Material versorgte.
Im Januar 1936 wurde er aus der Haft entlassen und bereits im März wegen fortgesetzter illegaler Tätigkeit erneut verhaftet. Es folgten die Konzentrationslager Esterwegen und Sachsenhausen. »In Sachsenhausen wurden wir mit Hunden, Peitschen und Schlagstöcken empfangen. Mit fürchterlichem Gebrüll trieb uns die SS aus den Waggons.« Am 14. Dezember 1936 wurde er zum zweiten Mal wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« verurteilt, diesmal zu 4 Jahren 6 Monaten, die er im Zuchthaus Münster verbüßte. Dort lernte er den Sozialdemokraten Erwin Welke kennen, gemeinsam versorgten sie politische Gefangene mit Nachrichten. Als Kalfaktor kam Willi Meyer-Buer an die Krankenbücher und konnte dort ärztliche Verordnungen zusätzlicher Lebensmittel für andere politische Gefangene vortäuschen.
Nach seiner Entlassung am 24. September 1940 ging er nach Bremen und fand eine Anstellung als Leiter der Buchhaltungsabteilung der Uhren- und Schmuckwarenfirma Grüttert. Nach einem Jahr wurde er Prokurist. Als das Firmengebäude August 1944 durch Bombentreffer in Brand geriet, rettete er Leben und Wertgegenstände. Er wurde unter Trümmern begraben, konnte aber sich, ein junges Mädchen und zwei Männer aus den Trümmern ins Freie bringen. Das Mädchen und ein Mann erlagen ihren Verletzungen, er selbst erlitt schwere Verbrennungen, eine Rippenfellentzündung und Kreislaufstörungen. Die sollte er im Ausweichkrankenhaus Bassum auskurieren.
Als Bassum durch englische Truppen besetzt wurde, verhandelte er mit deutschen Offizieren, die Brücke in Groß-Henstedt nicht zu sprengen. Immerhin erreichte er, dass die Wehrmacht nicht auf englische Soldaten schoss. Unter dem Schutz der weißen Fahne überbrachte er dem englischen Kommandeur die entsprechende Zusicherung. Das Dorf Groß-Henstedt blieb unversehrt.
1946 wurde er KPD-Fraktionsvorsitzender in der Bremischen Bürgerschaft, in der er sein Mandat bis 1959 ausübte. Am 20. Mai 1963 wurde er für seine Einzelkandidatur zu den Wahlen zum Deutschen Bundestag 1961 wegen Verstoßes gegen das KPD-Verbot zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt. Damit verbunden war die Aberkennung sämtlicher Ansprüche auf Wiedergutmachung für 1933 bis 1945 erlittene Zuchthaus- und KZ-Haft. Bürgerschaftsdirektor August Hagedorn und Bürgerschaftsdirektor Wolfgang Müller (beide SPD) bezeichneten ihn als »sachlich und rührig in seinen politischen Aktionen«, als »Menschen anständiger Gesinnung und aufrechten Charakters«. Am 13. Juli 1997 verstarb Willi Meyer-Buer. Die Wegebenennung mitten in der Innenstadt stellt eine späte Wiedergutmachung dar, sein Verteidiger Heinrich Hannover wird anlässlich der Enthüllung des Wegeschilds im Frühjahr die Laudatio halten können.