Zum Platz an der Sonne
24. März 2014
Die Große Koalition reist familienfreundlich nach Afrika
Nein, man sollte sich nicht beklagen. Insgesamt 13 mal auf 130 Seiten taucht das Wort Frieden in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und der SPD auf. Merkwürdig nur, dass es niemals alleine und für sich steht. Niemals geht es darum, Frieden zu halten und Frieden zu wahren, sondern immer darum »Verantwortung in der Welt für Frieden und Menschenrechte (zu) übernehmen«, wie es in der einzigen Überschrift, in der das Wort vorkommt, heißt. Der Frieden ist für diese Regierung eine Sache, die es von deutschem Boden aus weltweit, das heißt vor allem anderswo durchzusetzen gilt: auf dem Balkan, im Nahen und Mittleren Osten, in Afghanistan und aktuell und ganz besonders in Afrika. Wie das geschehen soll, bleibt kein Geheimnis, nämlich durch »den Einsatz der Bundeswehr für Frieden und Freiheit weltweit. Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz.« Das soll sie bleiben auch nach dem Willen dieser Koalition. Kanzlerin Merkel begann und endete ihre Regierungserklärung mit dem Blick auf den hundertsten Jahrestag des Ersten Weltkrieges und, wie sie nicht zu erwähnen vergaß, den 75. des Zweiten. Aber gelernt hat sie und ihre famose Regierung nichts daraus. Am deutschen Militärwesen soll auch nach 100 Jahren wieder die Welt genesen.
Da ändert auch die erstmalige Ernennung einer Frau in der bisherigen Männerdomäne des Militärministers gar nichts. Im Gegenteil. Ursula von der Leyen wurde zur Bundeswehrministerin ernannt, um einen neuen Aufbruch durchzusetzen. Ähnlich, wie es damals die Regierungsbeteiligung der Grünen brauchte, um endlich wieder Krieg gegen Jugoslawien führen zu können, braucht es jetzt in der Großen Koalition eine Frau, um endlich die Fesseln der Geschichte abzustreifen, die Kultur der Zurückhaltung aufzugeben und »Verantwortung zu übernehmen« oder welche Floskeln auch immer das böse Wort vom Krieg ersetzen sollen.
Es geht nicht darum, dass die Bundeswehr familienfreundlich wird. Krieg ist nicht familienfreundlich. Es geht darum, das Kriegshandwerk zu einem gesellschaftlich als normal empfundenen, attraktiven Beruf zu machen. Weg vom »archaischen Kämpfer« wie ihn sich ein ehemaliger Generalinspekteur vorgestellt hatte, hin zur high-tech-Kriegerin mit Kitaplatz im Teilzeitkilling. Hin aber vor allem zu jenen Kriegsschauplätzen, auf denen es was zu holen gibt. Nur dürftig verhüllt geht es beim Abstreifen der militärischen Zurückhaltung auch darum, die enge Bindung des bisherigen militärischen Engagements an die US-Außenpolitik aufzugeben. Nicht in Afghanistan, wo es für deutsche Interessen wenig und nur das, was die USA abzugeben bereit sind, zu gewinnen gibt, sondern im »Nachbarkontinent« Afrika, wo, so von der Leyen, eine »europäische Aufgabe« auf die Bundeswehr wartet. »Afrika ist ein Kontinent mit phantastischen Chancen«, spricht sie im Interview nach, was der BDI, in dessen Papieren Afrika als »Chancenkontinent« bezeichnet wird, zuvor aufgeschrieben hat. Gemeint sind die Rohstoffe ebenso wie die Märkte, die dort ihrer Erschließung und Ausbeutung harren. So wird nun auch die zum Eurokorps mutierte deutsch-französische Brigade endlich wieder zum Afrikakorps. Was man immer vermutet hatte, was aber bisher die von einer Mehrheit der Bevölkerung und nicht zuletzt der Friedensbewegung erzwungene »Kultur der Zurückhaltung« und ein Rest von Anstand immer verhindert hatte, wurde mit dem Einsatz in Zentrakafrika nun beschlossen.
Diesen Rest von Anstand zu beseitigen, hat sich nun kein geringerer als der Bundespräsident vorgenommen: Geradezu als Sprachrohr der Großen Koalition forderte auch er von der deutschen Politik mehr »Internationale Verantwortung« zu übernehmen. »Tun wir, was wir könnten, um unsere Nachbarschaft zu stabilisieren, im Osten wie in Afrika?« fragte er und gab damit die Richtung für die neue Einmischungskultur vor: Regimechange in der Ukraine und Bundeswehreinsatz in Afrika.
Ausgerechnet auf der Münchner »Sicherheitskonferenz«, auf der es noch niemals um Menschenrechte, sondern immer um Aufrüstung und Kriegseinsätze ging, entdeckte er »Kräfte, die Deutschlands historische Schuld benutzten, um damit bis heute ein fragwürdiges ›Recht auf Wegsehen‹ zu begründen«. Mit diesen fragwürdigen Kräften meint er niemand anderen als jene Bevölkerungsmehrheit, die immer noch und immer wieder das Recht zum Hinsehen in Anspruch nimmt, wenn ihre Repräsentanten zum Krieg trommeln. Lasst uns diese Kräfte, die der neokolonialen und militaristischen Ausrichtung der deutschen Politik im Wege stehen, stärken, so gut wir können.