Ein britisches No pasarán
6. November 2014
Bewegender Film über antifaschistisches Musical zum Spanienkrieg
Weltstädte wie London und Barcelona verbindet nicht wenig, zum Beispiel die Nähe und Verbindung zum Meer. Dass aber ein Musical dieser Tage an die Solidarität junger Engländer mit der ihre Republik verteidigenden spanischen Antifaschisten 1936 erinnern würde, erfuhren die Teilnehmer des Internationalen Jahrestreffen der »Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik« am 18. Oktober im Berliner Kino Babylon auf bewegende und eindrucksvolle Weise. Sie applaudierten einem Film über ein Antifaschistisches Musical mit dem Titel »Goodbye Barcelona«. Gewöhnlich wird dieses Genre vornehmlich mit seichter Unterhaltung verbunden. Nicht in diesem Fall. Englische Komponisten, Szenaristen, Regisseure sowie talentierte Sängerinnen und Sänger riefen in einem Londoner Theater Herz und Sinne aufrüttelnd jene Jahre in die Erinnerung zurück, als englische Freiwillige in Spanien aufopferungsvoll und leidenschaftlich an der Seite ihrer spanischen Kameradinnen und Kameraden für Freiheit und Demokratie stritten. Die spanische Zeitung »El País« sieht in diesem Stück ein Sinnbild »für die Träume unserer Großeltern und deren Glauben an eine bessere Welt«. Die Musik zur Handlung kann der Londoner »Evening Standard« nicht anders als »aufwühlend« beschreiben. Menschen, wie der Komponist und Regisseur KS Lewkowitz erzählte, haben mit Mühe und großem Enthusiasmus um künstlerischen Zugang zu diesem für sie weitgehend unbekannten Thema gerungen. Als Ergebnis erlebten die Zuschauer eine beinahe meisterhafte politisch-musikalische und natürlich historische Zusammenfassung der Auseinandersetzung um Werte, die auch heute höchst aktuell sind. Begriffe wie Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit, Menschenwürde stehen im Musical jenen Worthülsen gleichen Namens entgegen, die zu instrumentalisieren sich wirtschaftliche, politische oder andere Kreise nicht scheuen, so ihre Interessen betroffen oder gefährdet sind.
Die Freiwilligen sind auf abenteuerlichen Wegen nach Spanien aufgebrochen. Meist ohne Mittel, nötige Kleidung oder behördliche Zeugnisse. Getragen hat sie der Wille, jenen wirklichen Patrioten an die Seite zu treten, die ihre durch Wahlen gewonnene Republik per faschistischen Putsch verlieren sollten. Geleitet hat sie nicht der Segen ihrer Dienstherren, wie heute, geschützt haben sie nicht eine solide Ausrüstung und moderne Waffen wie heute, begleitet wurden sie nicht von fragwürdigen Argumenten und wohlfeilen Lügen, wie heute. Ihr Kompass waren Selbstbestimmung und ein ehrenwertes Gespür dafür, wo Recht zu verteidigen und Unrecht zu tilgen sind. Die Entscheidung, solidarisch zu sein, wurde, um am Beispiel des »Guerra Civil« in Spanien zu bleiben, weder geschult noch bezahlt. Sie entsprang vielmehr selbst empfundener Ungleichbehandlung, Benachteiligung oder anderer Ungerechtigkeiten im eigenen Land und dem Wunsch, dem Faschismus zu trotzen.
Bedürfte es eines Beweises für die Aktualität besagten Musicals, war es eine Kundgebung der Teilnehmer des Jahrestreffens der Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik.
Am Nachmittag des gleichen Tages erinnerten sie an die Tage, Wochen und Monate erbitterten Widerstandes nationaler und Internationaler Brigaden gegen eine Übermacht spanischer, italienischer und deutscher Faschisten und das Versagen einer so genannten Nichteinmischungspolitik. Unter und mit ihnen ein 95 jähriger spanischer Brigadist, den Alter und körperliche Gebrechen nicht daran hinderten, an dieser kleinen aber ehrlichen und aufrichtigen Manifestation teilzunehmen. Begriffe wie Freiheit, Würde, Gleichheit, Demokratie waren da keine notwendigen Floskeln, sondern bewusst ge- und erlebte Erkenntnis. Besonders gedachten die internationalen Gäste deutscher Brigadisten, denen kein Opfer, und sei es das des eigenen Lebens, zu gering war, um an der Seite ihrer spanischen Schwestern und Brüder für jene Ziele zu streiten, die in diesen Tagen an Aktualität nicht verloren haben. Einige von ihnen waren am Werden eines deutschen Staates beteiligt, dem heute, dem Zeitgeist nahe, das allumfassende Diktum des Unrechts auferlegt wird. Die solches zu tun bereit und aktiv dabei sind, sollten Pein und Scham dabei empfinden, sich bei ihren Urteilen, Aussagen und Bewertungen vom Standpunkt der Beliebigkeit oder Käuflichkeit, nicht aber von den Überzeugungen jener Menschen leiten zu lassen, von denen »Goodbye Barcelona« erzählt. Dass der berühmte Ruf der Spanienkämpfer No pasarán – Sie kommen nicht durch, auch wenn eine militärische und politische Niederlage erlitten wurde, noch immer gilt, mag eine kleine Episode zu Beginn der 80er Jahre in Madrid beweisen. Bei einem Empfang in der Botschaft einer heute nicht mehr existenten UdSSR galten Bewunderung, Interesse und Aufmerksamkeit einer einzigen Person, nämlich Dolores Ibarruri, der Großen Gestalt aller Antifaschisten in der »Guerra Civil«.
Eine erlittene Niederlage heißt nicht, das Ziel aus den Augen zu lassen. Ihr Leben war dafür beispielhaft und so zeigt sich auch heute: »No Pasarán« bleibt sehr aktuell!