Schlimm, der Extremismus…
21. November 2014
Klage der bayerischen VVN-BdA in erster Instanz abgewiesen
Am Anfang schleppte sich die Verhandlung vor dem Münchner Verwaltungsgericht wenig unterhaltsam dahin. Allerlei fachimmanentes juristisches Hin und Her, Erläuterungen und Nachfragen von der Richterbank zu den schriftlichen Einlassungen von Kläger- und Beklagtenseite, Verweise auf Gesetzes-passagen und darauf, was eventuell sonst noch zur Wahrheitsfindung beitragen könnte.
Rechtzeitig zu Prozessbeginn hatte die Süddeutsche Zeitung in einem ausführlichen Bericht dargelegt, was da an diesem 2. Oktober verhandelt werden sollte. Unter der Überschrift »Antifaschistisch statt linksextremistisch. Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes klagt gegen Nennung im bayerischen Verfassungsschutzbericht«. Zu Wort kamen in dem Artikel für die Klägerseite der Landesgeschäftsführer und die Landessprecherinnen der VVN-BdA Bayern und deren Anwalt, für die Beklagten ein Sprecher des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz.
Im Gerichtssaal saßen dann den VVN-Landessprecherinnen Renate Hennecke und Mastaneh Ratzinger und ihrem Anwalt Yunus Ziyal ein Vertreter der Freistaats-Landesanwaltschaft, zwei Damen vom Bayerischen Innenministerium und ein Herr vom Inlandsgeheimdienst gegenüber. Letzterem gelang es schließlich, mit einem seiner Beiträge für eine gewisse Heiterkeit im Saale zu sorgen.
Hatte doch der Richter milde Zweifel an der Relevanz der bisher von dessen Behörde vorgelegten »Erkenntnisse« über die Tätigkeit der VVN-BdA in Bayern geäußert, worauf der VS-Mann sich eifrig bemühte, deren Dürftigkeit zu erklären. Man habe, sagte er sinngemäß, in den letzten Jahren nicht mehr so viel Zeit gehabt, sich den linksextremistischen Umtrieben zu widmen. Weil man sich ja in dem Zeitraum, über den hier verhandelt werde, ständig mit dem Rechtsextremismus habe befassen müssen.
Angesichts dieses selbst ausgestellten Armutszeugnisses aus der Überwacher-Ecke – in der Verhandlung ging es um bayerische Verfassungsschutz-Veröffentlichungen aus den Jahren 2010 bis 2013 – hätte es eigentlich nahegelegen, die Kompetenz jener Behörde für überhaupt irgendetwas anzuzweifeln. Nicht zuletzt, weil bekanntlich das Befassen mit dem Rechtsextremismus auch und gerade in Bayern in Sachen NSU zu wunderlichsten Interpretationen und mörderischen Folgen geführt hatte. Weshalb bis heute der Eindruck besteht, dass die tatsächlichen Kompetenzen dieses Dienstes (hier nicht allein in Bayern) so richtig eigentlich nur in Tätigkeitsbereichen wie Aktenschreddern und Nebelkerzenwerfen auffällig geworden sind.
Umso bedauerlicher ist es deshalb, dass das Gericht der Klage der VVN-BdA Bayern, ihre Nennung als »linksextremistisch beeinflusst« in den in den vergangenen Jahren veröffentlichten Verfassungsschutzberichten des Freistaats ersatzlos zu entfernen, nicht stattgeben wollte. Die Klage wurde in mündlicher Verhandlung schließlich abgewiesen, eine schriftliche Begründung steht noch aus.
»Damit wird«, so Renate Hennecke und Mastaneh Ratzinger in einer öffentlichen Erklärung vom 7. Oktober, »die skandalöse Diffamierung unserer Organisation, die unsere Ziele und unser Wirken völlig missachtet, fortgesetzt.« Erwähnt werden in der Erklärung »ehemalige Widerstandskämpfer und Verfolgte des NS-Regimes in unseren Reihen, wie Ernst Grube, Hermann und Hugo Höllenreiner und Martin Löwenberg, die noch in hohem Alter die Jugend über den Nationalsozialismus aufklären und letztlich als ›Extremisten‹ auf die gleiche Stufe mit Neonazis gestellt werden«. Und angekündigt wird: »Die VVN-BdA wird dies nicht hinnehmen und Berufung gegen das Urteil einlegen.«
Wie wichtig das ist, wurde eine knappe Woche nach dem Prozess überdeutlich. Hatte der Geheimdienst-Mann in der Münchner Verhandlung noch für die kleinen Lacher gesorgt, titelte am 13. Oktober ein Kommentator der »Süddeutschen« auf den ganzen Freistaat bezogen: »Schlapphüte zum Schlapplachen«.
Da war gerade die Sache mit Maik M. öffentlich geworden. Jenem aus Brandenburg nach Oberfranken gezogenen bekannten Neonazi und Sänger der Band »Hassgesang«, der sich in seiner neuen Heimat knapp ein Jahr lang als Zivilrichter am Amtsgericht betätigen durfte.
Bis heute steht hinter den geheimdienstlichen Diskriminierungen ein »Extremismus«-Modell aus Kalten-Kriegs-Zeiten, für das die in obiger Zeitungs-Überschrift formulierte Alternative »Antifaschistisch statt linksextremistisch« gar nicht besteht. Denen ist da echt alles eins. Nach rechts aber sind sie, sanft ausgedrückt, offen.