Aus Begegnungen Kraft geschöpft

geschrieben von Dieter Chitralla

4. Januar 2015

Zum 100. Geburtstag von Hans Lauter am 22. Dezember 2014

 

Zumindest hatte er ihn in persönlichen Gesprächen gegenüber Freunden bei seinen letzten Geburtstagen »angepeilt« – seinen 100. Geburtstag am 22. Dezember 2014, den er gern mit seiner Familie, mit seinen Genossen, Kameraden und Freunden gefeiert hätte.

Sein Gesundheitszustand – nach zehn Jahren Haft in den Gefängnissen und in den Moorlagern während der Zeit des Faschismus sowie nach aktiver, kräftezehrender Aufbauarbeit für ein neues Deutschland nach 1945 in zahlreichen Funktionen in der SED sowie als Hochschullehrer in Leipzig und in Chemnitz – erlaubten es ihm nicht, dieses Jubiläum zu erleben. Er verstarb am 31. Oktober 2012 nach langer schwerer Krankheit, genau ein Jahr nach seiner Teilnahme an der Einweihung der neugestalteten Gedenkstätte in Esterwegen im Emsland.

Foto: Gustav Peinel

Foto: Gustav Peinel

1914 im erzgebirgischen Adelberg geboren, musste er frühzeitig erkennen, dass er als Kind einer Arbeiterfamilie nicht studieren kann. So hat er den Beruf des Glasschleifers erlernt um zum Lebensunterhalt beizutragen. Geprägt von jugendlichen Vorbildern aus dem Arbeiter-Turn-und-Sportbund wurde er 1930 Mitglied des KJVD. 1935 wird er verhaftet, ist im Polizeigefängnis in der Leipziger Wächterstraße schlimmsten Misshandlungen ausgesetzt und wird zu 10 Jahren Zuchthaus und anschließender Sicherheitsverwahrung wegen » Vorbereitung zum Hochverrat unter erschwerenden Umständen« verurteilt. Drei Jahre sitzt er in Waldheim, danach kommt er ins »Moor«, ins Emsland. Hier hat er all das ertragen müssen, was die meisten aus dem Lied »Die Moorsoldaten« kennen. Auch die weiteren Jahre in Haft erneut in Waldheim und im Gefängnis Radebeul konnten seinen Willen nicht brechen und er gab seine kommunistische Überzeugung nie auf.

So auch nicht nach Rückschlägen durch ungerechtfertigte Anschuldigungen in seiner politischen Tätigkeit in der SED, denen Jahre später die vollständige Rehabilitierung folgte.

Mit viel Engagement widmete sich Hans Lauter der Zeitzeugenarbeit mit der Jugend, bei der er jede noch so profan erscheinende Frage ernst nahm und in seinen Antworten eine große Glaubwürdigkeit ausstrahlte. Ich konnte das bei zahlreichen Veranstaltungen mit Schülern immer wieder aufs Neue erleben. Zum ersten Mal bei einer Begegnung mit Schülern eines Gymnasiums aus Hannover, die in Leipzig weilten. Gespannt lauschten sie den Ausführungen von Hans Lauter über seine Kindheit und Jugend, seine Freude am Sport, seine Tätigkeit im KJVD, seine Verhaftung und seine Jahre im Gefängnis und im Emsland sowie seine abenteuerliche Flucht mit falscher Identität in den letzten Kriegstagen.

Wahrscheinlich schöpfte er selbst – wie viele andere Antifaschisten auch – gerade aus den Begegnungen mit der Jugend immer wieder neue Kräfte, um über die Ursachen und über das Wesen des Faschismus mit seinen unterschiedlichen Facetten aufzuklären und vor dem aufkommenden Neofaschismus im wiedervereinigten Deutschland zu warnen. Legendär waren die zahlreichen Auftritte von Hans Lauter im Rahmen der seit 1995/96 in Hoyerswerda um den 27. Januar stattfindenden Projekttage »Wider das Vergessen« vor Schülern aus fünf Einrichtungen, bei denen er die Zuhörer aufgrund seiner analytischen Fähigkeiten und klaren Sprache sowie seines bescheidenen Auftretens faszinierte.

Diese Eigenschaften verschafften Hans Lauter auch in seiner Arbeit auf Bundes- und Landesebene der VVN-BdA, als langjähriger Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen und Mitglied des Bundesausschusses große Anerkennung bei seinen Kameraden, die ihn auf dem 3. Bundeskongress im Mai 2008 – gemeinsam mit der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejerano – zum Ehrenvorsitzenden ernannten. Bei den Repräsentanten von zahlreichen Kommunen in ganz Deutschland, in denen er als Zeitzeuge auftrat, genoss er eine hohe Wertschätzung nicht nur aufgrund seines hohen Alters.

So ist es m. E. maßgeblich seinem Auftreten auf einer 8. Mai-Veranstaltung von BdA und VVN-BdA in den neunziger Jahren auf dem Leipziger Südfriedhof zu verdanken, dass Oberbürgermeister und Stadtverwaltung das Gedenken an die Befreiung vom Faschismus einige Jahre später zu einem festen Bestandteil der Erinnerungskultur der Stadt Leipzig machten.

Es gäbe noch vieles über Hans Lauter zu berichten – als Familien-Mensch trotz seiner umfangreichen Tätigkeit, als Kenner der klassischen deutschen Literatur und letztlich als einen warmherzigen Menschen, wie ich ihn persönlich erleben durfte. Die Begegnung mit Hans Lauter hat mein Leben sehr bereichert – nicht nur im politischen Bereich.

Seine Chemnitzer Kameraden, Genossen und Freunde haben bereits am 31.10.2014 in einer Veranstaltung an Hans Lauter erinnert In Leipzig erfolgt das erinnernde Gedenken durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, den BdA Leipzig und den Stadtverband der Leipziger Linken am 17. Januar 2015.