Die wahren Menschen

geschrieben von Thomas Willms

4. Januar 2015

Über Schwedens Rechtspopulismus und den Umgang mit »Hubots«

 

Schweden muss ein nettes friedliches Land sein. Selbst die Rechtsradikalen sind ein bisschen verdruckst. Und so erscheinen die elementaren Konflikte und Interessensgegensätze, die die international erfolgreiche Fernsehserie »Äkta människor« (bei uns als »Real Humans« im Vertrieb) durchdiskutiert, auf den ersten Blick immer noch als familienfreundliche Version typischerer Erscheinungen des Genres – ja welches eigentlich?

»Äkta människor« steht tief in der Tradition von Science-Fiction-Klassikern wie »Westworld« und hat auch deutliche Bezüge zum neueren Highlight »Cloud Atlas«. Es geht um Roboter, die ein Ich entwickeln; Klone, die an ihrer Identität zweifeln; künstliche Intelligenz, die der menschlichen überlegen ist usw. usf.

»Real Humans – Echte Menschen«, erste Staffel: 600 Minuten, 2012, 18,99 Euro

»Real Humans – Echte Menschen«, erste Staffel: 600 Minuten, 2012, 18,99 Euro

Nur merken tut man dies nicht, denn die Filmemacher haben erfolgreich alles getan, um jeden Anflug von Sci-Fi zu vermeiden. Mit den »Hubots« (humanoiden Robotern) wird in der schwedischen Wohnstraße etwa so umgegangen wie mit Handys. Man kann sie kaufen, wegwerfen oder entsorgen; sie sind Spielzeug, Arbeitsgerät oder Prestigeobjekt; die neuen sind teuer und die gebrauchten billig; manche haben mehr Funktionen als andere und »frisieren« kann man sie auch.

Und damit ist man beim zweiten – hier stärker interessierenden Strang – der Serie. Die Hubots stehen für Migranten und Ausländer, die es in dieser »alternativen Realität« nämlich nicht gibt. Einerseits geht es darum, welchen Platz sie sich selbst erkämpfen wollen, andererseits darum, wie die so aufgeklärte schwedische Gesellschaft mit ihnen umgeht und welche Abgründe hier lauern.

Modellhaft stehen für die Arbeiterschicht die Familie Larsson und für die Mittelschicht Familie Engman. Besonders große Schwierigkeiten mit den Hubots hat Familienvater Roger Larsson. Als eigentlich überflüssiger Vorarbeiter in einem Großhandel hat er gesehen wie die fleißigen, verantwortungsbewussten Hubots nach und nach alle seine Kollegen ersetzt haben. Noch schlimmer ist es zuhause: Seine Ehefrau hat sich bereits einen intelligenten, sportlichen, sauberen, lustigen Begleit-Hubot zugelegt und ihn – nicht ganz legal – auch noch zum dauerpotenten Liebhaber umprogrammiert. Das ist nicht einfach für den übergewichtigen und schlampigen Roger, den es deshalb zur Bewegung der »wahren Menschen« verschlägt. Wie im echten Schweden die »Schwedendemokraten« erzielen diese zehn Prozent der Wählerstimmen mit einem Ausländer-, nein Hubotfeindlichem Programm. Rogers Sohn reicht das nicht. Der nimmt lieber gleich den Baseballschläger, nichtahnend, dass sein leicht beeinflussbarer Vater im geheimen zur rechtsterroristischen Aktion übergegangen ist.

Zerfällt auf der einen Straßenseite exemplarisch die Arbeiterfamilie Larsson, sieht es auf der anderen bei den Mittelschichts-Engmans zunächst besser aus. In mildes IKEA-Licht getaucht, kommen Mutter, Vater, Sohn und Tochter auch ohne Hubot gut zurecht, bis dann doch »Mimi« in ihr Leben tritt. Das erschreckend verletzlich und nicht zufällig koreanisch wirkende künstliche Geschöpf ist das emotionale Zentrum des ganzen Geschehens. Äkta Människor nimmt hier die Vorgabe von »Cloud Atlas« an: wenn schon nicht mehr edle Wilde das Herz anrühren, so sind es jetzt ätherische Koreanerinnen.

An Mimi wird die narzisstische Versuchung, die die rechtlosen Hubots hervorrufen, besonders deutlich. Man kann sie einfach so lange arbeiten lassen wie es einem beliebt, denn sie machen klaglos alles mit. Darüber hinaus müsste man nicht mehr tun als den »Sex-Chip« einsetzen, um sie vollständig ausnutzen zu können, wissen Engman-Vater und Engman-Sohn. Das nicht zu tun, zermürbt beide. Straflos Gewalt gegen menschenhafte Wesen ausüben zu können, ist die dritte Facette der Versuchung, der im Laufe der Handlung auch ausgiebig nachgegangen wird.

Der ideale Hubot ist eigentlich der rechtlose Mensch. Möglich und bereit zur Sklavenhaltung ist jeder, wenn es gesellschaftlich akzeptiert ist. Das ist die beunruhigende Botschaft des Films.

Hubot-Feinde und Hubot-Freunde oder gar –Befreier treten in einen kulturellen und politischen Wettkampf. Und hier beginnen bereits in der zweiten Staffel die dramaturgischen Schwierigkeiten von Äkta Människor, denn der Sci-Fi-Strang und der Antisklaverei-Impetus lassen sich nicht ohne weiteres kombinieren. Ist der aufgeklärte Mitteleuropäer einerseits selbstverständlich für die Befreiung der Hubots, ist den Verschrottungsfantasien der »Wahren Menschen« sachlich kaum etwas entgegen zu halten. Auch wenn es mit eventuellen weiteren Staffeln vermutlich kein gutes Ende nehmen wird, kann sich der Zuschauer doch über eine politisch hochinteressante und hintersinnige erste Staffel freuen.