Erfolge und Probleme
8. März 2015
Die Wiedereröffnung der Ausstellung zum KZ Sonnenburg
Am 30 Januar 2015 wurde in dem grundsanierten Museum der Martyrologie in Słońsk eine neue Ausstellung zur Geschichte des deutschen KZ und Zuchthaus Sonnenburg eröffnet. Zeitgleich erschien beim Metropol-Verlag eine neue Publikation zu dem Thema. In Sonnenburg waren u.a. Antifaschisten aus Deutschland und Widerstandskämpfer aus vielen von der deutschen Wehrmacht besetzten Ländern weggesperrt. In der Nacht vom 30. zum 31. Januar 1945 wurden 819 Gefangene von einem SS-Kommando erschossen.
Die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes nimmt seit 2010 an den jährlichen Gedenkfeiern an die Opfer des KZ und Zuchthauses teil, die die Gemeinde veranstaltet. Ein neugegründeter Internationaler Arbeitskreis setzt sich seitdem dafür ein, dass die Gedenkstätte in Słońsk mit dem Museum und dem Friedhof für die Opfer des Zuchthauses auch ein europäischer Gedenk- und Mahnort wird.
Die Zusammenarbeit zwischen der Berliner VVN-BdA und der Gemeinde in Słońsk begann mit der Vorbereitung der viel beachteten Konferenz zur Geschichte des KZ und Zuchthauses Sonnenburg im September 2013. An dieser nahmen Angehörige ehemaliger KZ- bzw. Zuchthaus-Häftlinge teil: Erika Klug, Tochter von August Klug, der in dem berüchtigten Massaker 1945 ermordet wurde; Wolfgang Linke, Sohn von Emil Linke, der nach seiner Entlassung aus dem KZ Sonnenburg in die Sowjetunion floh und dort 1938 im Zuge des Großen Terrors ermordet wurde; Ingrid Kröning, Tochter des im Zuchthaus ermordeten deutschen Antifaschisten Paul Voss sowie die dritte Generation von KZ-Häftlingen Natalja Schäfer (Enkelin von Rudolf Bernstein, Autor des Buches »Die Hölle von Sonnenburg«) sowie Jan Lekschas (Enkel von Fritz Lange). An der Konferenz nahmen auch teil Peter Gerlinghoff, Leiter des Mitte der 1980er-Jahre begründeten »Arbeitskreis Ehemaliges KZ Sonnenburg« bei der Westberliner Friedenskooperative, Eckart Spoo, Herausgeber der Zeitschrift Ossietzky.
Kurz nach der Konferenz unterbreitete der Arbeitskreis der Gemeinde ein von Kaspar Nürnberg, Dr. Hans Coppi, Kamil Majchrzak und dem polnischen Historiker Dr. Andrzej Toczewski abgestimmtes Konzept über »Thematische Aspekte für eine neue Ausstellung im ›Museum der Martyrologie der Häftlinge – Opfer des Hitlerfaschismus‹ in Słońsk/Sonnenburg 1933-1945«. Nach eingehender Diskussion u.a. mit dem polnischen Prof. Tomasz Nodzyński, einem Experten für Geschichte des 19. Jahrhunderts, wurden die vorgelegten »Themen-Aspekte« Grundlage für die zweisprachige Ausstellung im Museum und die anschließende Ausschreibung der Gemeinde zu deren Gestaltung. Zuvor übergab Peter Gerlinghoff Materialien seines Arbeitskreises an die Berliner VVN-BdA. Frieder Böhne übertrug die darin enthaltenen ca. 500 Namen in eine von ihm angelegte Datenbank, die Ende Dezember 2014 – nach umfangreichen weiteren Recherchen – nunmehr 956 Namen von ehemaligen KZ-Häftlingen enthält. Der engagierte Fotograph Andreas Domma fertigte Mitte 2013 eine umfangreiche Inventarisierung der zerstörten Exponate der Ausstellung des Museums aus dem Jahre 1974 an.
Bei der Suche nach einer zusammenhängenden Darstellung über die wechselvolle – und in der deutschen Erinnerungskultur weitgehend unbekannte – Geschichte des KZ und Zuchthauses, lagen bislang nur eine polnische Monographie von Przemysław Mnichowski und in deutscher Sprache lediglich eine Publikation von André Hohengarten aus Luxemburg zum Massaker vom 30./31. Januar 1945 und von Kaspar Nürnberg zum Konzentrationslager Sonnenburg vor. Der Internationale AK konsultierte deshalb Historiker in mehreren europäischen Ländern, die sich mit der Geschichte des KZ und Zuchthauses Sonnenburg befasst hatten sowie Gedenkstätten, deren Geschichte mit Sonnenburg verbunden ist. Insbesondere seien hier erwähnt: Irene von Götz, Kuratorin der »Gedenkstätte SA-Gefängnis Papestrasse«, Dr. Laurent Thiery von »Centre d`histoire et de mémoire du Nord de Calais: La Coupole« (Frankreich), der norwegische Forscher Thomas V. H. Hagen vom Stiftelsen Arkivet in Kristiansand sowie der engagierte Soziologe Jan Hertogen aus Belgien, der umfassende Recherchen zur Geschichte der Belgier in Sonnenburg vorlegte und Kontakt zu Angehörigen und mehreren noch lebenden ehemaligen Zuchthaus-Häftlingen herstellte.
Für die Erarbeitung der Inhalte der neuen Ausstellung waren die polnischen Partnerinnen und Partner für das Zuchthaus im 19. Jahrhunderts bis zum Jahr 1933 und für das Gedenken und Erinnern in den Nachkriegsjahrzehnten in Słońsk zuständig. Der Internationale Arbeitskreis zum Gedenken an die Häftlinge des KZ und Zuchthauses Sonnenburg bei der Berliner VVN-BdA wurde von der Gemeinde beauftragt, den Zeitraum von 1933 bis 1945 aufzuarbeiten. Autorinnen und Autoren der Recherchen und Texte der so entstandenen 15 Tafeln sind: Frieder Böhne, Dr. Hans Coppi, Christoph Gollasch, Thomas V. H. Hagen (Kristiansand, Norwegen), Jan Hertogen (Mechelen, Belgien), Irmtraudt Kuß, Kamil Majchrzak, Diete Oudesluijs (Amsterdam, Niederlande) sowie Daniel Queiser.
Die polnische Gemeinde Słońsk war bei den diesjährigen Gedenkfeiern sichtbar überfordert. Eine angemessene Einbindung der Angehörigen ehemaliger Opfer in das Gedenken fand nicht statt. Dabei waren 17 Angehörige ehemaliger Häftlinge, bzw. Vertreter von Opferverbänden aus Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Norwegen nach Słońsk gekommen. Sie wurden eingeladen, waren aber nicht willkommen. Sie wurden nicht begrüßt und teilweise am Zugang zu den Feierlichkeiten in Przyborów gehindert. Die Gemeinde änderte einseitig das Programm. Ohne Vorankündigung wurden die Reden des belgischen Konsuls aus Poznań Jan Spilliaert, Jan Hertogen und von Hans Coppi, der maßgeblich an der Erarbeitung der neuen Ausstellung im Museum beteiligt war, gestrichen.
Der Internationale AK bei der Berliner VVN-BdA wies in einem Schreiben an die Gemeinde auf das mangelhafte Impressum der Ausstellung und zahlreiche inhaltliche Fehler und Urheberrechtsverletzungen im gegenwärtig von der Gemeinde vertriebenen Ausstellungs-Katalog und der Ausstellung hin. Die Ausblendung der Autorinnen und Autoren der Ausstellung ist umso fragwürdiger, als die Sanierung des Museums und die Ausstellung selbst von der Europäischen Union finanziert wurden. Ohne die intensive Zusammenarbeit von Bürgern und Institutionen mehrer europäischer Länder und der Bemühungen des Internationalen Arbeitskreises bei der Berliner VVN-BdA wäre die Ausstellung in dieser Form nicht möglich gewesen.
Einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Geschichte des Zuchthaueses Sonnenburg und seiner juristischen Aufarbeitung leisteten auch der polnische Staatsanwalt Janusz Jagiełłowicz sowie Frau Magdalena Dźwigał von der Kommission für die Verfolgung von Verbrechen gegen die polnische Nation in Szczecin. Jagiełłowicz hat am 24. Februar 2014 die Ermittlungen der polnischen Staatsanwaltschaft wegen Kriegsverbrechen im Zuchthaus Sonnenburg wieder aufgenommen. Darüber informierte er die Angehörigen im Anschluss an die Ausstellungs-Eröffnung.