Der Weg meines Vaters

geschrieben von Italo Poma

6. November 2015

Anello Poma kämpfte in Spanien und bei den italienischen Partisanen

 

Das Leben Anello Pomas ist ein typisches Beispiel für die Entwicklung eines antifaschistischen Kämpfers und Revolutionärs im 20. Jahrhundert.

Er wurde im Jahr 1914 in Italien geboren, in der Stadt Biella, dem Zentrum der italienischen Textilindustrie. Die Arbeit in den Fabriken weckte schon früh ein Gefühl der Rebellion gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung in ihm, das ihn stark prägte und dazu führte, dass er sich Mitte der dreißiger Jahre der im Untergrund tätigen PCI (Kommunistische Partei Italiens) anschloss.

Als der spanischen Bürgerkrieg ausbrach, verfolgte er den Widerstand gegen den faschistischen Putsch mit Leidenschaft und beschloss, Italien zu verlassen und nach Spanien zu fahren. Er trat in die XII. Internationale Brigade ein, die Brigade der Garibaldini. Während des Krieges wurde er mehrmals verwundet, er kämpfte an den Fronten in der Extremadura und am Ebro. Nach der Niederlage der Republikaner und der Verabschiedung der Interbrigadisten aus Spanien folgte für ihn, wie für viele antifaschistischen Kämpfer, eine Odyssee durch die Konzentrationslager im Südwesten Frankreichs. Die Haftzeit nutzte er für seine persönliche Entwicklung: Er lernte Sprachen, studierte und wurde zu einem gut ausgebildeten jungen Antifaschisten.

Im Jahr 1941, als die Mehrheit der Italiener in Vernet inhaftiert war, bat er um seine Auslieferung nach Italien, wo er zur Haft auf der Insel Ventotene verurteilt wurde. Mit großer Rührung erinnerte er sich später an die Atmosphäre dort, die von den Kämpfern des Spanienkrieges und führenden italienischen Antifaschisten (u.a. Luigi Longo, Sandro Pertini, Pietro Secchia und Altiero-Spinelli) bestimmt wurde. Hier setzte er seine politisch kulturelle Ausbildung unter der persönlichen Leitung von Pietro Secchia fort.

Im August 1943, nach dem Sturz des Faschismus, wurden die politischen Gefangenen freigelassen und Poma kehrte in seine Heimatstadt Biella zurück. Einige Tage später wurde Italien von den Nazis und ihren faschistischen Verbündeten besetzt. Die Spanienkämpfer gehörten aufgrund ihrer Erfahrung sofort zu den Hauptorganisatoren des antifaschistischen Widerstands. In Biella bildete sich die zweite italienische Partisanenbrigade, deren Kommandeure vier Kämpfer der Internationalen Brigaden waren: Piero Pajetta, Adriano Rossetti, Luigi Viana und Anello Poma.

Schon bald blieb nur Poma zurück: Pietro Pajetta wurde von den Faschisten ermordet und die beiden anderen wurden in verschiedenen Regionen des Landes mit politischen Aufgaben betraut, da sie aufgrund ihres Alters den anstrengenden Guerilla-Kampf in den Bergen nicht mehr dauerhaft leisten konnten. Anello Poma aber verfügte über erhebliche politische und militärische Erfahrung, kannte sich ausgezeichnet im Gelände aus und hatte mit dreißig Jahren das Alter und das Temperament jener jungen Menschen, die in die Berge gingen, um bei den Partisanen zu kämpfen.

Der Spanienkrieg hatte ihn gelehrt, wie man eine Volksarmee von unten her aufbaut, wie man die Kämpfer motiviert und wie man die Offiziere und verantwortlichen Militärs und politischen Funktionäre auswählt. Bereichert durch seine spanischen Erfahrungen besaß er die besondere Fähigkeit, den Dialog mit Andersdenkenden zu führen und gemeinsame Lösungen zu finden.

Anello Poma wurde Politkommissar der Garibaldi-Brigade, der Zweiten Brigade in Italien, die bald zwei Divisionen mit fast 4.000 Kämpfern umfasste. Poma war von Anfang bis Ende, der Kommandeur aller Partisanenbrigaden in der Region Biella, mit dem Rang eines Oberstleutnants des Corps der Freiwilligen für die Freiheit.

Nach dem Krieg war er in zahlreichen Positionen in seiner Partei und in der Gewerkschaft tätig. Im Jahr 1968 stand er an der Seite der Studentenbewegung, die das Land erschüttert hatte, und entfernte sich von der Linie seiner Partei. Anello wurde daher im Alter von 54 Jahren berentet. Den Rest seines Lebens war er in antifaschistischen Widerstandsverbänden tätig. Er beteiligte sich an der Erinnerungsarbeit an den spanischen Bürgerkrieg, trat als Zeitzeuge der Ereignisse auf, an denen er selbst teilgenommen hatte und wirkte als Historiker der Widerstandsbewegung. Sein Werdegang war ein Emanzipationsprozess – von einem jungen Arbeiter hin zu einer politischen Führungspersönlichkeit mit einer guten Bildung. Bis an sein Lebensende versuchte Anello Poma zu verstehen, was in der Welt geschieht, und den Dialog mit jenen zu führen, die für die Werte von Freiheit und Demokratie kämpften, für die er sich sein Leben lang einsetzte. Er starb im Dezember 2001 im Alter von 87 Jahren; bevor er starb, bat er darum, dass man seine Urne in die Fahne der spanischen Republik hüllen möge.

 

Italo Poma, Vorsitzender der AICVAS
(Associazione Italiana Combattenti Volontari Antifascisti di Spagna). Übersetzung: Kerstin Hommel