Kein »Ein-Buch-Autor«
1. März 2016
Eine politische Biographie über Bruno Apitz
»Jeder Schriftsteller hat sein Thema. Das meine ist der Antifaschismus, und ich betrachte seine literarische Gestaltung als eine wichtige und aktuelle Aufgabe unserer sozialistischen Literatur.« Dieses Bekenntnis formulierte Bruno Apitz (1900 – 1979) im Jahr 1966 in der Zeitschrift »Neue Deutsche Literatur«. Sein Ziel war »eine neue moralische Qualität unserer Jugend« zu fördern. Und er leistete dazu mit dem Buchenwald-Romans »Nackt unter Wölfen!« und der eindrucksvollen Skulptur »Das letzte Gesicht« wichtige Beiträge.
Doch über den Autor und Künstler selbst, über das politische, schriftstellerische und künstlerische Schaffen dieses Antifaschisten und Buchenwald-Häftlings, ist heute wenig bekannt. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt er vielfach als »Ein-Werk-Autor«, obwohl er mehrere Romane, Erzählungen und zahlreiche Essays verfasst hat, selbst wenn manche davon erst spät, teilweise nach seinem Tod, veröffentlicht wurden. Und in der Wahrnehmung des Literaturbetriebes der alten BRD war Apitz darüber hinaus noch als »linientreuer« Autor negativ vorbelastet, da er trotz aller eigenen negativen Erfahrungen unbeirrt zur DDR und der Idee des Sozialismus stand – also kein »Regimekritiker« oder »Freigeist« war, mit dem man sich in der BRD gerne schmücken konnte.
Lars Förster hat mit seiner 2014 beendeten Doktorarbeit nun eine Informationslücke geschlossen. Auf der Basis umfänglicher Quellenarbeit und ausführlicher Gespräche mit Marlis Apitz, der Witwe von Bruno Apitz, und zahlreichen Freunden und Weggefährten gelang es ihm, eine fundierte, aber gleichzeitig empathische Biographie zu verfassen, die den Schriftsteller als politischen und privaten Menschen in seiner ganzen Vielschichtigkeit erfasst.
Förster schildert den politischen Werdegang von Apitz in der Kaiserzeit und der Weimarer Republik, wie er als Jugendlicher aus dem proletarischen Milieu kommend zum revolutionären Sozialisten wird, der wegen seiner Kriegsgegnerschaft ins Gefängnis geworfen wird. Für Apitz war die Novemberrevolution ein Versprechen auf eine bessere Zukunft, so dass er sich in der Weimarer Republik in der KPD engagierte und in Leipzig eine Agitprop- Gruppe aufbaute. Als die Faschisten an die Macht gelangten, organisierte er gemeinsam mit anderen eine illegale Widerstandszelle. Er wurde verhaftet, angeklagt und zu Zuchthaushaft in Waldheim verurteilt. Förster beschreibt diese Periode der Entwicklung zwar mit dem Wissen der heutigen Zeit, aber er hält sich mit bewertenden Urteilen über die Überzeugungstreue der damaligen Antifaschisten erfreulich zurück. Für ihn steht die Bereitschaft, sich für die Ideen einzusetzen, im Vordergrund.
Am 4. November 1937 wurde Apitz mit der Häftlingsnummer 2417 in das KZ Buchenwald verschleppt. Förster nimmt als wichtige Quelle den Tatsachenbericht: »Das war Buchenwald«, den Rudi Jahn 1946 im Auftrag der KPD Leipzig zusammengestellt hatte. Apitz hatte dazu mehrere Beiträge beigesteuert. Apitz hatte im Kommando Bildhauerei eine relativ ruhigere Arbeitsstelle. In das Kommando Pathologie verlegt, nutzte er die Möglichkeiten des Büros, um auch schriftstellerisch tätig zu werden. Manche seiner Texte konnte er bereits im Lager vortragen. Auf der »Liste der 46« stehend, von der SS gesucht, wurde Apitz im April 1945 vom ILK versteckt und konnte bis zur Selbstbefreiung überleben.
Nach der Zerschlagung des Faschismus vertrat er eine ganz eigene »Kollektivschuld-These«: »Wir müssen der Welt beweisen, daß wir in jeder Beziehung mit dem Faschismus und Militarismus und seiner Ideologie gebrochen haben.« In diesem Sinne setzte er sich für den Aufbau des Sozialismus in der DDR ein. Förster zeichnet das Verhältnis von Apitz zu seiner Partei und der DDR-Staatsführung kritisch und offen nach. Selbst bei der Herausgabe des Romans »Nackt unter Wölfen« gab es zahlreiche Einsprüche und Vorbehalte, auf die sich Apitz zähneknirschend eingelassen habe. Interessant ist auch die Perspektive auf den politischen Umgang der BRD mit Apitz. Als er im Oktober 1962 auf Lesereise unterwegs war, wurde er in Dortmund von der Polizei verhaftet und wegen »fehlendem Visum« in die DDR abgeschoben – und das, obwohl die BRD zu dieser Zeit die Existenz der DDR überhaupt nicht anerkannt hatte.
Lars Förster ist mit dem vorliegenden Band eine einfühlsame und sehr solidarische Biographie eines großen Antifaschisten gelungen.