Nicht genug nachgefragt

geschrieben von Janka Kluge

8. Mai 2016

Was hat der NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg gebracht?

 

In Baden-Württemberg wurde erst spät ein Untersuchungsausschuss eingerichtet. Er stand aber von Anfang an unter einem enormen Zeitdruck. Ein gutes Jahr blieb noch, um die Kontakte der Baden-Württembergischen Neonazis zum NSU-Kerntrio und deren Umfeld sowie den Mord an Michele Kiesewetter zu untersuchen. Der Ausschuss beschäftigte sich sehr lange mit dem Tod des jungen Aussteiger Florian Heilig. Er gehörte einige Zeit zu den Neonazis in Heilbronn. Noch vor dem Auffliegen des NSU sagte er im Wohnheim zu Mitschülerinnen, dass der Mord an Michele Kiesewetter von den Rechten begangen wurde. Er verbrannte im September 2013 in seinem Auto. Ungeklärt blieb die Frage, wie er zu Tode kam. Ausführlich ging der Ausschuss auch der Frage nach der Mitgliedschaft von zwei Polizisten im rassistischen Ku-Klux-Klan nach. Weitere neun Polizisten sollen den Kontakt zum Klan gesucht haben, ohne aber Mitglieder zu werden. Vermieden wurde dabei aber die Frage zu berühren, ob es einen strukturellen Rassismus in der Polizei gibt.

Einer der beiden Polizisten leitete auch den Einsatz, bei dem Michele Kiesewetter ermordet wurde. Für die Beschäftigung mit dem Mord an ihr, blieb kaum noch Zeit übrig. Es wundert nicht, dass der Ausschuss in seiner Einschätzung genau der Bundesanwaltschaft gefolgt ist. Michele Kiesewetter wurde von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ermordet und ihr Kollege schwer verletzt. Warum die beiden in Heilbronn waren und dort ihre Tat verübt haben sollen, wurde nicht thematisiert.

Die Frage ob der Verfassungsschutz (VS) auch hier im Land Spitzel in der Nähe der NSU-Unterstützer hatte, blieb auch offen. Immerhin war Achim Schmidt, ein führender Neonazi, Musiker in einer Naziband und Gründer der Klan-Gruppe, Informant des VS in Baden-Württemberg. Nach Angaben des Verfassungsschutzes wurde er allerdings abgeschaltet, nachdem das Amt von der Gründung des Klan-Ablegers erfahren hat. Diese Information bekamen sie aber nicht von ihrem Informanten, sondern vom Bundesamt für Verfassungsschutz.

Mit Thomas Richter, alias Corelli, hatten die auch einen Spitzel bei dem Klan. Während der ganzen Sitzungstage waren Beamte des Verfassungsschutzes als Zuschauer im Raum und gaben den Kollegen, die angehört wurden, immer wieder Zeichen was sie sagen dürfen und wo sie lieber schweigen sollen. Während der Sitzungen kam auch heraus, dass der VS dem Ausschuss nicht alle Unterlagen zur Verfügung gestellt hat. Offiziell wurde das Zurückhalten von fast 50 Ordnern damit begründet, dass der Inhalt für den Ausschuss nicht relevant sei. Diese Begründung verärgerte die meisten Abgeordneten, da sie der Meinung waren, dass es in ihrer Entscheidung liege, was wichtig sei.

Zu den Ungereimtheiten, die der Ausschuss nicht einmal lösen wollte, gehörte die Aussage eines ehemaligen Verfassungsschützers. Der Mann mit dem Tarnnamen Oettinger wurde 2003 in das Pfarrhaus einer kleinen Ortschaft bei Heilbronn geschickt. Hier war ein Mann, Torsten O., zum Pfarrer gekommen und hatte ihn gebeten einen Kontakt zum Verfassungsschutz herzustellen. Die Geschichte die der Mann erzählte, war für den Pfarrer so verwirrend, dass er schließlich den Verfassungsschutz informierte.

Er sagte, dass der israelische Geheimdienst Barschel und Palme ermordet habe. Der Verfassungsschützer »Oettinger« hörte sich die Geschichten des Mannes an, sagte ihm aber, dass er ihm nicht glaube. Daraufhin hat der Mann seine Ausführungen erweitert. Es gibt eine Gruppe von rechten Terroristen, die Banken überfallen und Ausländer ermorden. »Oettinger«, der eigentlich für Spionage zuständig war, hat die Information weitergegeben, wurde dann aber von seinem Vorgesetzten angewiesen, die Notizen zu vernichten. Der Mann nannte nicht nur den Namen der Gruppe, sondern auch noch Namen von vermeintlichen Mitgliedern. Darunter auch Mundlos. Nachdem »Oettinger« diese Aussagen bereits vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags gemacht hatte, wurde er so krank, dass er nicht arbeiten konnte und frühberentet wurde. Bis heute macht er sich Vorwürfe bereits im Jahr 2003 von der Terrorgruppe, sogar mit Namen, gewusst zu haben, aber auf Anweisung von oben geschwiegen zu haben.

Torsten O. wurde ebenfalls von dem Untersuchungsausschuss angehört. Er wurde in Handschellen hereingeführt, weil er eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt, zu der er laut seiner Aussage unschuldig verurteilt wurde. Er bestritt die Angaben des Verfassungsschutzbeamten »Oettinger«. Später kam er aber gegenüber dem Journalisten Thomas Moser wieder zu der alten Version zurück. Er habe die Informationen von Beamten des Bundeskriminalamts erhalten. Nach dieser Aussage wusste also auch das BKA vom NSU und kannte zumindest einen der Täter.

Der Landtag hat die Chance, an der Aufklärung des NSU Terrors mitzuwirken, selbstherrlich vertan. Daran wird auch ein zweiter Ausschuss, der wahrscheinlich von der neuen Regierung eingesetzt wird, nichts ändern.