»Banditi e ribelli«
12. Juli 2017
Die italienische Resistenza 1943-1945 »Banditi e ribelli«
Die italienische Partisanenbewegung war nach der jugoslawischen die zweitgrößte in Westeuropa, Zehntausende kämpften bewaffnet gegen Faschismus, deutsche Besatzung und Krieg. Eine neue Wanderausstellung vom Geschichtsinstitut Istoreco aus Reggio Emilia und CultureLabs aus Berlin hat ihr kein weiteres Denkmal gesetzt, sondern zeigt detailliert auf, was damals wie und warum passiert ist.
Die sehr schöne, gestalterisch mehr als gelungene Ausstellung stützt sich auf 58 Tafeln und vor allem auf 120 Bilder, sie ist fotodokumentarisch und mit sehr kurzen prägnanten Texten versehen – eine Gestaltung die bestens funktioniert.
Der italienische Historiker und Chronist des bewaffneten Widerstands gegen den Faschismus, deutsche Besatzung und Krieg in Italien, Santo Peli, Verfasser etlicher Bücher über die GAP, die antifaschistischen Stadtguerilla und die Resistenza, hat seine jahrzehntelangen Forschungen auf kurze Textblöcke von nicht mehr als 600 Zeichen reduzieren müssen. Das ist ihm in Zusammenarbeit und als Mitglied des Kollektivs der Ausstellungsmacherinnen und Steffen Kreuseler, der die Texte ins Deutsche übertragen hat, hervorragend gelungen.
Es sei für ihn eine große Herausforderung gewesen, nach Jahren als wissenschaftlicher »Einzelkämpfer« an der Universität von Padua, erzählt er bei der Eröffnung der Ausstellung in Berlin.
Drei Thesen ziehen sich durch die chrono-logisch aufgebaute Ausstellung. Die ribelli waren überwiegend sehr jung und schlossen sich zumeist spontan und aus unterschiedlichen Gründen den Gruppen der Resistenza an. Gemeinsam war ihnen aber eines, sie wollten leben, überleben, besser leben. Und das ging nur im bewaffneten Widerstand gegen den Faschismus.
Die Grundvoraussetzung für den Erfolg der Resistenza war die militärische Niederlage Italiens und der Waffenstillstand mit den USA und Großbritannien, den Marschall Badoglio am 8. September 1943 verkündete. Am gleichen Tag besetzten die Deutschen das Land ihres ehemaligen Achsenpartners Italien. Mussolini war bereits im April 1943 abgesetzt und verhaftet worden.
Die Organisatoren des Widerstands, der in einen Aufstand mündete, waren tausende erfahrene linke militanti, die sich auch nach 20 Jahren faschistischer Diktatur ihre klandestinen Organisationsformen bewahren konnten und nach dem Sturz Mussolinis aus dem Gefängnis oder der Verbannung freikamen oder aus dem Exil zurückkehrten.
So beginnen die »20 Monate«: von den ersten Streiks, Massendesertationen aus der italienischen Armee und bewaffneten Anschlägen auf die deutschen Besatzer, hin zu befreiten Gebieten und offenen militärischen Kampf gegen die deutsche Armee und faschistische Milizen bis zum 25. April 1945, dem Tag der Befreiung.
Der chronologische Aufbau der Ausstellung schildert das erst allmähliche, dann immer schnellere Schwinden der Unterstützung der 20 jährigen faschistischen Diktatur durch die italienische Bevölkerung. Soldaten die sich zuvor durchaus als Profiteure des Regimes fühlen konnten, wollten sich nach dem Beginn der Invasion der Alliierten in Süditalien und der Kapitulation des Königs nicht mehr in die Truppen der faschistischen »Sozialrepublik« von Deutschlands Gnaden pressen lassen. Der Krieg stand jetzt im eigenen Land. Zuvor hatten schon massive Lohnkürzungen, massive Ausbeutung, Hunger in den Städten, verbunden mit den beginnenden Bombardierungen der Alliierten, zu massenhaften Aufkündigungen des faschistischen Konsens geführt. Überwiegend kommunistische Aktivisten organisierten seit Frühjahr 1943 eine Streikwelle und gaben damit Orientierung für die gleichgeschalteten Arbeiter. Später demonstrierten die Aktionen der Stadtguerilla das Ende der Ohnmacht. Kommunistische, sozialistische, anarchistische, teils auch konservative Partisanengruppen auf dem Land und in den Bergen im Norden Italiens boten Deserteuren Zuflucht und jungen Leuten die Chance, ihr Leben endlich selbst in die Hand zu nehmen, den konservativen Elternhäusern zu entfliehen und sich auszutauschen.
Den jüdischen Italienerinnen und Italienern gab es zudem die Möglichkeit, den Nazis mit der Waffe in der Hand entgegenzutreten. Dokumentiert sind auch die brutalen, mörderischen Reaktionen der italienischen Faschisten und der deutschen Besatzer, die meisten Mörder waren im gleichen Alter wie die Aufständischen.
Die Ausstellung bietet spannende Aufklärung, konzentriertes Geschichtswissen, aber auch ganz einfach ein ästhetisches Vergnügen. So locker und klar wird Widerstandsgeschichte selten vermittelt. Toll auch der Katalog: In sieben hübschen Heften kann man die Texte und Bilder mit nach Hause nehmen.
»Da habe ich den Unterschied tatsächlich begriffen. Zuhause wäre es unmöglich gewesen, bei einem Mann zu schlafen« erinnert sich »Laila« Anita Malavasi lächelnd an ihren ersten Tag in einer bewaffneten Partisaneneinheit. »Wir haben die ganze Nacht geredet. Was wussten wir denn von Politik, im Faschismus war sogar diskutieren verboten.«
Die nächsten Ausstellungstermine sind vom 1. bis 20. September 2017 in Göttingen und vom 1.bis 22. Oktober 2017 in Hamburg.
Die Ausstellung kann und möchte möglichst oft ausgeliehen und gezeigt werden. Kontakt: Istoreco Via Dante Alighieri 11, 42121 Reggio Emilia / Italy : +39 0522 437327 info@banditi.org
Unter http://www.banditi.org/ finden sich auch Partisan*inneninterviews.