Eine neue Ikone der Nazis?

geschrieben von Janka Kluge

5. August 2018

Der lange Weg der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel

Seit der Verhaftung von Ursula Haverbeck-Wetzel wegen Leugnung des Holocausts haben Nazis eine neue Heldin. Die fast 90 jährige hat systematisch an dieser Rolle gearbeitet.

Die Geschichte dieser Frau ist nicht ohne die ihres Mannes zu verstehen. 1970 heirate sie Werner Georg Haverbeck. Bereits mit 14 Jahren wurde der 1923 Mitglied im »Jugendbund« der NSDAP, einem Vorläufer der Hitlerjugend. Drei Jahre später trat er dann der Partei bei. Allerdings wurde seine Mitgliedschaft gelöscht, nachdem beschlossen wurde, dass Minderjährige nicht beitreten dürfen. Kurz vor seinem 20. Geburtstag wurde er dann in die NSDAP aufgenommen. Seinen Werdegang bei den Faschisten im Detail zu schildern würde zu weit führen. Entscheidend war: als überzeugter Nazi ist er trotzdem immer wieder in Ungnade gefallen. Unter Baldur von Schirach war er Mitglied in der Reichsleitung der Hitlerjugend, wurde aber im Dezember 1932 aller Ämter enthoben. Er war frühes Mitglied der SA und wurde von Rudolf Heß in seinen Stab geholt. Dort sollte er die sogenannte Volkstumsarbeit organisieren. Im August 1933 gründete er den »Reichsbund Volkstum und Heimat«, der zur Deutschen Arbeitsfront (DAF) gehörte. Doch Robert Ley, der Führer der DAF, warf ihm vor, keine klare nationalsozialistische Gesinnung zu haben. Im Juli 1933 bezeichnete ihn Ley als »nicht mehr tragbar« und im Oktober setzte er ihn ab. Der Reichsbund wurde 1935 offiziell aufgelöst.

Haverbeck versuchte, sein Studium der Vergleichenden Religionswissenschaften, Geschichte und Philosophie fortzusetzen. In dieser Phase wurde Himmler auf ihn aufmerksam und fing an, ihn zu unterstützen. Haverbeck bekam ein Stipendium der SS und wurde SS-Untersturmführer. 1938 schloss ihn Himmler mit der Begründung aus der SS aus, »nicht die primitivsten Eigenschaften von Disziplin und menschlicher Anständigkeit zu besitzen, die von einem SS-Führer verlangt werden müssen«. Nachdem auch die SS für ihn verschlossen war, wechselte er ins Auswärtige Amt. 1942 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Durch diese Brüche in seiner Karriere konnte Haverbeck sich nach 1945 erneut der Förderung des »Volkstums« widmen. Er engagierte sich in der Anthroposophischen Gesellschaft und wurde Pfarrer der Christengemeinschaft. Hier fand er nicht nur eine Heimat, sondern auch die Möglichkeit, unbeobachtet ein rechtes Netzwerk aufzubauen.

An dieser Stelle kommt Ursula Wetzel ins Spiel. Nachdem sie schon lange zusammen gelebt und gearbeitet hatten, heirateten sie 1970. Von da an tritt sie auch öffentlich an seiner Seite auf. Den Weg nach weit rechts außen bis zur Holocaustleugnung gingen sie gemeinsam. Bereits 1963 hatten sie das Schulungszentrum »Collegium Humanum« gegründet. In dem bei Vlotho gelegenen Zentrum trafen sich rechte Naturschützer, Anthroposophen und Anhänger von Silvio Gesell, einem antisemitischen Wirtschaftstheoretiker. Da Haverbeck Anfang der sechziger Jahre auch im Kuratorium des Ostermarsches saß, besaß er lange selbst bei Linken einen guten Ruf. Das änderte sich, als er das Heidelberger Manifest unterschrieb, mit dem sich die neue Rechte in Deutschland zum ersten Mal zu Wort meldete.

Im Collegium Humanum trafen sich in der Folge deutlich rechtere und neonazistische Gruppen. Eng verbunden mit dem Collegium ist der Weltbund zum Schutz des Lebens (WLS). Ursula Haverbeck-Wetzel war von 1983 bis 1989 Präsidentin der deutschen Sektion. In die Zeit ihres Vorsitzes fiel auch der Ausschluss der deutschen Sektion aus dem Internationalen Verband des WLS wegen zu deutlicher Sympathien für den Faschismus und neo-nazistische Aktivitäten.

Nachdem keine Rücksicht mehr auf andere WLS Gruppen genommen werden musste, wurde das Collegium Humanum und der WLS immer offener Teil von rechten Strukturen. 1984 traf sich das »Komitee Adolf Hitler«, eine Nachfolgeorganisation der neonazistischen FAP, in den Räumen des Zentrums. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm Ursula Haverbeck-Wetzel den Vorstand des Zentrums Collegium Humanum. Unter ihrer Leitung traten auch immer öfter Holocaustleugner in den Räumen auf. Am 9. November 2003 wurde hier auch der »Verein zur Rehabilitierung der wegen des Bestreitens des Holocaust Verfolgten« gegründet. Sitz des Vereins war Berlin, erster Vorsitzender der Schweizer Holocaustleugner Bernhard Schaub, zweite Vorsitzende Ursula Haverbeck-Wetzel. Ziel des Vereins war, Holocaustleugnern in Deutschland ein Sprachrohr und wegen Holocaustleugnung Inhaftierten ein Unterstützungsnetzwerk zu bieten.

2008 wurden sowohl der Verein, als auch das Collegium Humanum vom Bundesinnenminister verboten. Ursula Haverbeck-Wetzel wurde mittlerweile mehrfach wegen Leugnung des Holocaust verurteilt und ist im Mai in ihrer Wohnung verhaftet worden. Sie nahm das in Kauf, weil sie als Neunzigjährige im Gefängnis zum Idol werden kann. Neonazis in ganz Deutschland führen seitdem Aktionen zu ihrer Unterstützung durch.