Maulkörbe für »Zivilgesellschaft«

geschrieben von Cornelia Kerth

30. Mai 2019

Auch die VVN-BdA ist betroffen

In den letzten Wochen haben sich die schlechten Nachrichten gehäuft:

  • die VVN-BdA Bayern muss erneut gegen die Ablehnung der Gemeinnützigkeit infolge der sachlich falschen, gleichwohl gerichtlich bestätigten Behauptungen des bayrischen Landesamts für Verfassungsschutz klagen
  • mehreren Kreisvereinigungen der VVN-BdA wird von den Finanzämtern in NRW in gleichlautenden Schreiben die Gemeinnützigkeit unter Hinweis auf die Nennung unserer Vereinigung im bayrischen VS-Bericht aberkannt
  • die Rote Hilfe, seit fast 50 Jahren im Focus des Inlandsgeheimdienstes, soll gleich ganz verboten werden, weil ihr die gigantische Repressionswelle nach G 20 einen enormen Mitgliederzuwachs beschert hat, und
  • der Bundesfinanzhof entscheidet, dass attac die Gemeinnützigkeit entzogen wird.

Während unsere aktuellen Auseinandersetzungen in Bayern und NRW (s. Länderseiten) Teil der noch immer vom VS und mit ihm verbundenen Wissenschaftlern betriebenen Stigmatisierung des Antifaschismus als »linksextremistisch« sind, stellt das Urteil gegen attac eine neue Bedrohung zivilgesellschaftlichen Engagements dar. So teilt der Bundesfinanzhof in seiner Stellungnahme zum Urteil klar und deutlich mit: »Die Verfolgung politischer Zwecke ist im Steuerrecht nicht gemeinnützig. Gemeinnützige Körperschaften haben kein allgemeinpolitisches Mandat, …«.

Weiter heißt es: »Politische Bildungsarbeit setzt aber ein Handeln in geistiger Offenheit voraus. Daher ist eine Tätigkeit, die darauf abzielt, die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen, nicht als politische Bildungsarbeit gemeinnützig.«

Das klingt, als solle der »Beutelsbacher Konsens«, der Schulen und öffentliche Kultur- und Bildungseinrichtungen zur »Neutralität« verpflichtet, nun auf die »Zivilgesellschaft«, also auf alle, die sich in gesellschaftliche Kontroversen einmischen, ausgeweitet werden. Politik wird von Politikern gemacht? Oder von denen, die eigenes Geld haben, ihre politischen Ziele durch Presse, Funk und Fernsehen und großflächige Plakate bewerben zu lassen?

Nicht ganz. Noch immer ist der ultrarechte Verein »Uniter« als gemeinnützig anerkannt, von dem ein Informant berichtet, ein harter Kern seiner Mitglieder habe Waffendepots angelegt. Ebenso ist das Hetz-Portal »JouWatch«, das als Vereinszweck die »Förderung der Volksbildung« angibt, weiterhin gemeinnützig wie auch die »Ludendorff-Gedenkstätte« in Tutzing am Starnberger See oder die »Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft« in Hamburg, eine 1962 vom einstigen Goebbels-Referenten Hugo Wellems mit gegründete Einrichtung, die eine Scharnierfunktion zwischen Rechtskonservativen und der extremen Rechten unterschiedlicher Prägung wahrnimmt.

Also ist wieder alles so, wie wir es kennen: Stören tut, was von »links« kommt, ganz besonders, wenn es kampagnen- und mobilisierungsfähig ist. Da war schon immer das Label »linksextremistisch«, aufgeklebt durch den Inlandsgeheimdienst, dessen »Verstrickungen« mit dem rechten Milieu notorisch sind, zur Hand. Da dieses in Zeiten neuer sozialer Bewegungen stumpf zu werden droht, kommt der Beeinträchtigung der finanziellen Bewegungsspielräume der Akteure, die diese tragen, neue Bedeutung zu.

Was heißt das nun für uns? Unsere Chancen in NRW stehen nicht schlecht, denn die Landesvereinigung Bayern ist juristisch gesehen ein anderer eingetragener Verein als die nun betroffenen Vereinigungen in NRW. Die offensichtlich konzertierte Aktion lässt allerdings einen übergeordneten politischen Willen erkennen, der weitere Angriffe befürchten lässt.

Und dann könnte das Urteil des Bundesfinanzhofs gegen attac auch für uns bedeutsam werden. Bürgerschaftliches Engagement wird in allen möglichen Sonntagsreden gefordert. Gefördert werden soll es offensichtlich nur noch, wenn es sich im Caritativen erschöpft und nicht, wenn Positionen durch Mobilisierung Gehör in der politischen Debatte verschafft wird.

Gut, dass es die Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung« e.V. gibt, die mit allen von solchen Angriffen auf die Gemeinnützigkeit Betroffenen gemeinsame Perspektiven in Richtung auf die dringend gebotenen Änderung des Gemeinnützigkeitsbegriffs entwickelt: Zivilgesellschaftliches Engagement muss auch in Zukunft steuerlich begünstigt werden. Und gut, dass das inzwischen auch im politischen Raum diskutiert wird. Trotzdem: Wir müssen uns auf eine lange Auseinandersetzung einstellen, die uns alle gemeinsam betrifft.

Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung« e.V.

zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de