Ein Schlag ins Gesicht
17. Juli 2019
Strategien und Verbindungen der Neuen Rechten
Bücher über die Neue Rechte gibt es einige. Trotzdem lohnt sich immer wieder ein Blick in Neuerscheinungen. »Das Netzwerk der Neuen Rechten« von Christian Fuchs und Paul Middelhoff ist solch ein Buch. Die beiden arbeiten als Journalisten für »Die Zeit« und »Zeit online«. Seit Jahren beschäftigen sie sich mit der Neuen Rechten und der AfD.
In zehn Kapiteln versuchen die Autoren zu erklären, was eigentlich ein Widerspruch zu sein scheint. Wie kommt es, dass intellektuelle und gebildete Menschen für Rassismus, Ungleichheit und Nationalismus anfällig sind? Dabei beziehen sie sich auf die Konservative Revolution, eine Bewegung, die in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu den Wegbereitern des Faschismus gehörte. Über den Unterschied zur alten Rechten schreiben Fuchs und Middelhoff: »Die Strömung lehnt Hitler und seine Verbrechen ab, leugnet weder die Shoa, noch die Konzentrationslager und gibt sich als Vertretung der `christlich-jüdischen abendländischen Tradition‘.« Die neue Rechte leugnet die Verbrechen nicht, sie sind für sie nur nicht wichtig, oder wie Gauland sagte, ein »Vogelschiss der Geschichte«. Auch wenn diese Äußerung unerträglich ist, ist es wichtig, den Unterschied zur alten Rechten zu verstehen.
In den letzten Jahren hat sich ein Geflecht aus Organisationen, Gruppen und Think Tanks entwickelt, die sich immer wieder aufeinander beziehen. Götz Kubitschek gehört zu den einflussreichen Denkern dieser Neuen Rechten. In den vom »Institut für Staatspolitik« in Schnellroda organisierten Treffen kommen Politiker der AfD, Identitäre und Burschenschaftler zusammen. Hier werden Strategien besprochen, die dann einige Zeit später umgesetzt werden. Eine dieser Strategien war es, eine Kampagnenplattform aufzubauen, die sowohl Spenden sammelt, als auch mobilisieren kann. Wie gut das Netzwerk funktioniert, zeigt sich bei der Gründung von »Ein Prozent«. Die Gruppe wurde von Götz Kubitschek zusammen mit Jürgen Elsässer und Philip Stein gegründet. Jürgen Elsässer ist ein früherer linker Publizist, der mittlerweile tief im völkischen, nationalen Denken angekommen ist. Mit seiner Zeitschrift »Compact« bedient er ein immer größer werdendes Publikum, das in seinem Hochglanzmagazin Verschwörungstheorien und rechte Hetze lesen will. Philip Stein, der dritte in der Runde, kommt direkt aus Kubitscheks rechter Kaderschmiede. Stein wurde Koordinator der Kampagnengruppe von »Ein Prozent«. In einem Rundbrief an die Mitglieder schreibt er im März 2018: »Wie immer sind wir hinter den Kulissen schon zwei Schritte weiter und bereiten den nächsten Angriff auf die Macht des Establishments vor, Stück für Stück werden wir unser Land zurückholen – in den Parlamenten, auf der Straße, in den Betrieben, Schulen, Universitäten, an jedem Ort.«
Diese Strategie geht mehr und mehr auf. Elsässer und Stein unterstützten die gewerkschaftsfeindliche Gruppe von Zentrum Automobil und riefen dazu auf, bei den Betriebsratswahlen 2018 nationalistische Betriebsräte zu wählen.
Um Kampagnen durchführen zu können, Strukturen aufzubauen und Häuser zu kaufen, benötigt die rechte Szene Geld. Geld, das meist nicht aus eigenen Mitteln kommt. Hier zeichnet sich die hartnäckige Recherche der beiden Journalisten besonders aus. Sie versuchen, die Spur der Finanziers der rechten Szene nachzuzeichnen. Einer, der versucht, die Neue Rechte finanziell zu unterstützen, ist der Amerikaner Steve Bannon. Nachdem er als einflussreicher Journalist und Herausgeber von Breitbart News, einer rechten Internetseite, und Berater Donald Trumps gescheitert ist, versucht er, seinen Einfluss in Europa zu verstärken. Ihm stehen nach wie vor Mittel von amerikanischen Konservativen und Rassisten zur Verfügung, die rechte Parteien und Gruppen auf der ganzen Welt unterstützen. Auch wenn die AfD zumindest nach außen von ihm abgerückt ist, könnte das eine Spur im noch nicht aufgeklärten Spendenskandal der Partei sein.
Ein anderer Finanzweg ist ein dubioser Verein mit dem Namen »Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Einheit«. Er hat seinen Sitz offiziell in Stuttgart. Hier existiert aber nur die Adresse in einem Hochhaus mit vielen Briefkastenfirmen. Die Spur führt in die Schweiz, zur Werbeagentur Goal, die für rechte Parteien in Europa arbeitet. Der Verein hat für Millionen Euro Plakate für die AfD aufhängen lassen und mit dem »Deutschlandkurier« kostenlos eine Zeitung verteilt, in der für die AfD geworben wurde. Woher das Geld stammt, ist bis heute unklar. Inzwischen ermittelt die Bundestagsverwaltung wegen illegaler Spenden gegen die AfD.
Götz Kubitschek, der Mentor und Vordenker der Neuen Rechten, schrieb schon 2008 in »Provokationen«: »Wozu sich erklären? Wozu sich auf ein Gespräch einlassen und auf eine Beteiligung an einer Debatte? Nein, diese Mittel sind aufgebraucht und von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird Euch kein Wort überzeugen, sondern nur ein Schlag ins Gesicht.« Das Buch »Das Netzwerk der Neuen Rechten« ist eine gute Hilfe, diesen Schlag abzuwehren.