Vernetzung gegen rechts ausbauen
29. Juli 2019
Eine Einschätzung der Wahlen auf europäischer Ebene
Vor den Wahlen zum Europäischen Parlament gab es wilde Spekulationen über das Abschneiden der faschistischen und rechtspopulistischen Parteien. So wurde das Auftreten von Steve Bannon, einem rechten Strippenzieher, und andere Entwicklungen von den Medien dramatisiert und skandalisiert, ohne an einer tatsächlichen Aufklärung interessiert zu sein.
Als positives Ergebnis dieser Medienkampagne kann jedoch festgehalten werden, dass in fast allen europäischen Ländern die Wahlbeteiligung stieg. Das war nicht die Folge einer »Europa-Euphorie«, sondern zeigte die Sorge vieler Menschen in den jeweiligen Ländern, dass eine niedrige Wahlbeteiligung zu einer erhöhten Zahl von Abgeordneten der extrem rechten, nationalistischen und rechtspopulistischen Parteien führen könnte.
Insgesamt kann man festhalten, dass es in diesem Wahlkampf zum ersten Mal eine breite internationale gesellschaftliche Mobilisierung – nicht für eine Partei, sondern gegen den Vormarsch der europäischen Rechten gegeben hat. Der Machtanspruch, den LePen (RN), Salvini (Lega), Strache (FPÖ), Wilders (PVV), Meuthen (AfD) und anderer Führer europäischer Rechtsparteien in den vergangenen Monaten mehrfach erhoben hatten, hat viele Menschen gegen diese Gefahren mobilisiert und zu einem deutlich schwächeren Resultat der Rechtsparteien geführt, als diese es sich erhofft hatten. Die rechten »Höheflüge« erlitten– zum Glück – in mehreren Ländern eine politische Bauchlandung.
Die FPÖ, die als Regierungspartei angetreten ist, verlor durch den Skandal um ihren Frontmann HC Strache deutlich an Einfluss. Auch in anderen Ländern (Niederlande – Wilders PVV, Dänemark – Danske Volkeparti, Finnland – Die wahren Finnen) blieben sie hinter ihren früheren Ergebnissen zurück. Dort, wo die offenen Rechten Stimmengewinne zu verzeichnen hatten, holten sie ihre Mandate oftmals zu Lasten der konservativen Parteien der Europäischen Volkspartei, wie zum Beispiel die offene Franco-Partei VOX in Spanien.
Drei Resultate der Rechten müssen jedoch genauer betrachtet werden: Der Anteil der Stimmen der italienischen Lega wuchs auf über 30 %, was eine Verdoppelung bedeutete. Zusammen mit Forza Italia und Fratelli d’Italia erreichte damit die extreme Rechte etwa 50% der Wählerstimmen. Damit verschoben sich die politischen Gewichte innerhalb der italienischen Rechtsregierung zugunsten von Salvini, der sich bereits als zukünftiger »Führer« der europäischen Rechtsparteien sieht.
Erschreckend waren auch die Resultate für den französischen Rassemblement National (RN) (früher FN) von Marine LePen. Die Partei ließ das Wahlbündnis des Präsidenten Macron deutlich hinter sich und wurde zur stärksten Partei in Frankreich, obwohl der RN bei dieser Wahl noch hinter den Ergebnissen der Parlamentswahlen zurückblieb. Bemerkenswert ist, dass es den Rechten nicht gelang, die gesellschaftliche Protestbewegung der »Gelbwesten« einzufangen.
Ein Ergebnis, was nur wenige Zeitungen kommentiert haben, ist jedoch mindestens genauso erschreckend. In Belgien wurden die völkischen und offen faschistischen Parteien N-VA – Nieuw-Vlaamse Alliantie und Vlaams Belang mit zusammen etwa 25% die stärksten Parteien. Das hat Konsequenzen nicht nur für das Europaparlament, sondern auch für die innenpolitische Lage in den drei genannten Ländern.
Zu den erschreckenden Ergebnissen der Europawahlen müssen auch die Wahlerfolge der polnischen PiS-Partei mit gut 45 % und der ungarischen FIDESZ mit über 50% gerechnet werden. Deren Regierungspolitik ist seit Jahren eine Bedrohung für Demokraten, Antifaschisten und alle Menschen, die nicht zur »Volksgemeinschaft« gerechnet werden, wie Migranten, Roma oder gesellschaftliche Minderheiten.
Mit Blick auf das neue Kräfteverhältnis im Europaparlament müssen wir festhalten, dass die antifaschistischen, antirassistischen und demokratischen Parteien schwächer geworden sind. Die politische Linke (GUE/NGL) ist auf unter 40 Abgeordnete geschrumpft. Die sozialdemokratischen Parteien haben nur noch gut 150 Mandate. Die ökologisch-orientierten Parteien und das heterogene liberale Spektrum konnten deutlich zulegen.
Auffällig ist, dass zahlreiche Nischenparteien, die sich für Partikularinteressen einsetzen, mit einzelnen Abgeordneten im Europaparlament vertreten sind. Bei ihnen ist es nicht klar, welche Positionen sie zu Fragen wie die Militarisierung Europas, die Verschärfung der Grenzregime (FRONTEX) oder den neoliberalen Wirtschaftskurs einnehmen werden.
Im Vorfeld der Europawahlen haben antifaschistische Verbände und unterschiedliche gesellschaftliche Netzwerke und Initiativen ihre Vorstellungen für ein anderes Europa im Interesse der Menschen formuliert. Hierin wurden positive Perspektiven benannt, für die es sich auch nach dem Wahltermin einzusetzen gilt. Diese Gemeinsamkeiten zu verstärken, sollte das Ziel zukünftiger Arbeit sein. Grundlage dafür ist eine Vernetzung von antifaschistischen Verbänden und antirassistischen Initiativen, globalisierungskritischen Organisationen und der Friedensbewegungen in den verschiedenen Ländern. Als gewichtigem gesellschaftlichen Partner ist dabei auch die Verbindung zu den Gewerkschaften auszubauen.