Angriffe auf den Kulturbereich Erfahrungen der Initiative »Verlage gegen Rechts«
22. März 2020
In den vergangenen Jahren waren auf den deutschen Buchmessen rechtsextreme Verlage und ihre Autoren vertreten. In Reaktion auf die Präsenz rechtsextremer Verlage und Akteurinnen auf Buchmessen gründete sich 2017 die Initiative »Verlage gegen Rechts« (VgR). Bei der Leipziger Buchmesse im März diesen Jahres hat sich von den größeren rechten Verlagen bislang lediglich Compact angemeldet, weder die Junge Freiheit noch Cato oder der Antaios Verlag haben einen Stand gebucht.
Nun ist es angesichts des Erstarkens der Rechten und rechter Gewalt sowie Schulterschlüssen zwischen Konservativen und Rechtsextremen nicht angesagt, das Fernbleiben von der Messe als politischen Erfolg zu bejubeln. Eher noch liegt die Vermutung nahe, dass diese Schulterschlüsse und die Anwesenheit rechter Intellektuellen in gesellschaftlichen Debatten und Talkformaten ihr Agieren auf der Messe überflüssig gemacht haben.
Darüber hinaus sind Angriffe rechter Akteure auf Kulturveranstaltungen Realität und verlangen eine antifaschistische Reaktion. Sie greifen gezielt unliebsame Personen raus, es folgen Trollattacken im Internet, verbale und schriftliche Drohungen, Störungen von Lesungen oder verkaufsschädigende, schlechte Bewertungen von Verlagen oder Buchhandlungen im Internet. Ausgehend von den Erfahrungen der Initiative »Verlage gegen Rechts« (VgR) lassen sich vier Handlungsfelder für ein zivilgesellschaftliches Agieren auf der Buchmesse skizzieren, die auch auf andere Kulturbereiche übertragbar sind:
1.) Betroffene stärken Die Schuld an Attacken durch rechte Akteure wird oft den Betroffenen selbst gegeben mit der Unterstellung, sie hätten provoziert oder den Konflikt gesucht. Die Isolation von Betroffenen und die Umdrehung von Opfern und Tätern ist eine erfolgreiche Strategie der Rechten. Es gilt, diejenigen, die Einschüchterung und Gewalt erleben, zu unterstützen. Konkrete Ansatzpunkte können sein, die betroffenen Personen anzusprechen, eine stärkende Mail oder positive Bewertung zu schreiben, Bücher der angegriffenen Verlage bzw. Autorinnen zu kaufen, sich öffentlich zu solidarisieren und damit Aufmerksamkeit umzulenken.
2.) In die Branche wirken: Selbstreflexion und Haltung zeigen In der Arbeit von VgR wurde deutlich, dass einige Kolleginnen in der Branche ihre Arbeit nicht als politisch werten und dadurch das eigene Handeln entpolitisieren. Hier braucht es Selbstreflexion, Gespräche und Aufklärungsarbeit, denn Kultur ist genuin politisch und setzt eine bewusste Haltung der Kulturschaffenden voraus. Eine nach rechts offene Programmarbeit oder ein unpolitisches Selbstverständnis führen nicht zu neutralen Programmen, sondern stärken diejenigen, die eine tolerante und demokratische Weltanschauung attackieren und unterminieren.
3.) Rechte Strategien verstehen und sich nicht instrumentalisieren lassen Rechte Publikationen und Verlage hat es in Deutschland immer gegeben. Doch das Agieren Rechtsextremer auf den Buchmessen der letzten Jahre ist strategisch einzuordnen. Der sogenannten Neuen Rechten geht es darum, die gesellschaftliche Meinungsbildung politisch zu dominieren und eine kulturelle Hegemonie herzustellen. Diesen Prozess beschreiben sie als »Metapolitik«. Um eine große Resonanz auf ihre Positionen zu bekommen, nutzen sie u.a. das Mittel der Provokation und greifen die von ihnen postulierte linke gesellschaftliche Hegemonie offensiv an. Dabei beschreiben Akteure der Neuen Rechten die Literaturbranche als einen Raum, der zwar Meinungsvielfalt und Diversität predige, konservativen und rechten Positionen jedoch keinen Platz lasse und sogar Zensur ausübe. Narrative der »Political Correctness«, des »Gendergaga«, der »Einschränkung der Meinungsfreiheit« und des »Multikultiwahns« erlangten große Aufmerksamkeit, sie wurden in der journalistischen Berichterstattung und bei Diskussionen mit Verlagskollegen und Messebesucherinnen reproduziert und in die Argumentation übernommen. Kenntnis über diese rechte Strategie und eine Reflexion über die eigene Funktion darin kann verhindern, sich zu Handlangern der Rechtsextremen zu machen und sie damit zu stärken.
4.) Eigene Inhalte und Antworten präsentieren Wir müssen lernen, eine Begeisterung für die Komplexität der Gesellschaft zu wecken und diese zu vermitteln. In der Literatur können Blicke geweitet und Utopien erlebbar werden. In Büchern lassen sich Antworten auf die brennenden sozialen und ökologischen Fragen dieser Zeit finden. Deshalb gilt es, Autor*innen, Kreativen und Denker*innen eine Bühne bieten und zu Diskussionen einzuladen.
»Verlage gegen Rechts« wird vom 13.-15. März mit einem großen Veranstaltungsprogramm in Leipzig und Halle vertreten sein. Mehr Informationen: verlagegegenrechts.com