Widerstand in Brandenburg
23. März 2020
Eine historische Spurensuche
Die soeben erschiene Publikation von Dr. Hans-Rainer Sandvoß stellt überzeugend unter Beweis, dass die Thematik des antifaschistischen Widerstands gegen das NS-Regime immer noch große weiße Flecken aufweist, die weiter zu erforschen sind. Auf diesen Umstand verweist der Autor treffend, über siebzig Jahre nach Ende der NS-Schreckensherrschaft liegt z.B. immer noch keine Gesamtdarstellung zum Widerstand in der früheren Provinz Brandenburg vor.
Im Kapitel »Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und der verlorene Kampf um die Weimarer Republik« belegt er mit sorgfältig recherchierten Fakten, wie früh sich die Angehörigen des Reichsbanners dem aufkommenden Faschismus in Deutschland entgegenstellten und das Ringen gegen die braune Diktatur nach dem 30. Januar 1933 fortsetzten.
H.-R. Sandvoß schildert beeindruckend die Vielfalt des Widerstandes in der Provinz Brandenburg. Er benennt die wichtigsten Stützpunkte der Widerständler. Am Beispiel der illegalen Reichsbannergruppen um Theodor Haubach und Karl Heinrich erfahren die Leserinnen und Leser, wie umfangreich der Widerstand in der Provinz Brandenburg war, und dass er weit bis in die dreißiger Jahre reichte. Der Autor verweist dabei immer wieder darauf, dass es enge Kontakte zum Widerstand in Berlin gab. Gekonnt und sehr lebendig schildert der Autor anhand unterschiedlichster Biografien die Beweggründe, sich dem NS-Regime zu widersetzen. Dieser Abschnitt der Publikation ist besonders spannend zu lesen.
Im Kapitel »Widerstand aus den Reihen von SPD und Freien Gewerkschaften« geht H.-R. Sandvoß ausführlich auf die Struktur der SPD in der Provinz ein. Die Hochburgen der SPD lagen in Brandenburg/Havel, Cottbus, Luckenwalde, Velten und in der Lausitz. Die Leser erfahren, dass die Phase der anfänglichen Anpassung an die NS-Diktatur bereits im Frühjahr 1933 überwunden wurde und die sich in Freiheit verbliebenen Sozialdemokraten aktiv gegen die faschistische Regierung wehren. Ein entscheidender Faktor dafür, so der Autor, war der unmittelbar einsetzende Terror gegen alle Andersdenkenden.
H.-R. Sandvoß belegt diesen Fakt mit umfangreichen Prozessakten von verfolgten Antifaschisten. Zugleich schildert er aber auch, dass die nicht entdeckten Kampfgefährten ihr Ringen nicht aufgaben und – wenn auch auf kleiner Flamme – bis 1945 fortsetzten. Die Widerständler schufen sich illegale Netzwerke in den Großbetrieben wie in Basdorf bei Berlin (dort befanden sich die Brandenburgischen Motorenwerke für die Luftwaffe), in Hennigsdorf und Velten/Mark .
Im Landkreis Niederbarnim wirkte die »Gruppe Nordbahn« unter Leitung des Eisenbahnergewerkschafters und Reichsbannerkameradschaftsführers, Otto Scharfschwerdt. Anschaulich skizziert der Autor das illegale Wirken dieser Gruppe, die in Hohen Neuendorf, Liebenwalde, Hammer, Bergfelde und Birkenwerder Mitstreiter hatte und Kontakt zu dem erfahrenen Gewerkschafter Hermann Schlimme in Berlin besaß. Erst 1937 wurde diese Widerstandsgruppe enttarnt, der ca. 120 Antifaschisten angehörten. In fünf Prozessen vor dem Volksgerichtshof und dem Berliner Kammergericht wurden 46 von ihnen angeklagt und zu hohen Haftstrafen verurteilt.
Das Kapitel »Kommunistischer Widerstand in der Provinz Brandenburg« umreißt den umfangreichen Widerstand der KPD, beginnend von 1933 bis zum 8. Mai 1945. Detailliert belegt der Autor, wie sie in den Hochburgen der KPD, wie zum Beispiel in Luckenwalde und den umliegenden Ortschaften, trotz harter Verfolgung den Kampf gegen die NS-Diktatur fortsetzten. Er reichte von der Verbreitung illegaler Zeitungen, Broschüren, Tarnschriften über die Organisation von Sabotageaktionen in der Rüstungsindustrie bis zur Hilfe für verfolgte Antifaschisten und für die Kriegsgefangenen nebst Zwangsarbeitern, die in der gesamten Wirtschaft Sklavenarbeit verrichten mussten. H.-R. Sandvoß verweist auch darauf, dass Oranienburg »nicht nur eine Stadt der Konzentrationslager« war.
Der Autor erläutert auf der Grundlage seiner langjährigen Forschungsarbeit zum antifaschistischen Widerstand in Berlin das illegale Wirken der umfangreichen Widerstandsgruppen unter Leitung von Robert Uhrig und Anton Saefkow, die von Berlin aus von 1939 an neue illegale Leitungsstrukturen entwickelten, die weit in die Provinz Brandenburg reichten und darüber hinaus im gesamten Land aktiv Widerstand leisteten. Er schildert diese intensive Widerstandstätigkeit unter anderem an Hand von Erinnerungsberichten der damaligen Akteure, die eine ausgewogene Sicht vermitteln.
Resümierend ist festzuhalten, dass der Autor überzeugend nachgewiesen hat, dass die Provinz Brandenburg »mehr als eine Provinz war« und unter äußerst schwierigen Umständen vielfältig Widerstand geleistet wurde. Ein umfangreicher Anhang, gegliedert in Archivquellen, Zeitzeugenberichte bzw. Befragungsprotokolle und entsprechenden Literaturangaben runden die Publikation ab. Leserfreundlich sind die zahlreichen Fußnoten auf den jeweiligen Seiten vermerkt. Das vorliegende Buch regt zur weiteren Erforschung des Themas an, das nicht vergessen werden darf.
Eindrucksvoll berichtet der Autor auch über das illegale Wirken der Antifaschisten, die sich in unabhängigen Gruppen organisierten, wie in der SAP, dem Leninbund und in der Linken Opposition (bekannt als Trotzki-Anhänger) sowie dem »Roten Stoßtrupp« (benannt nach der von ihm verbreiteten illegalen Zeitung, der in unterschiedlicher Form im ganzen Land verbreitet war und zu Emigranten nach England Kontakte besaß) und der »Gemeinschaft für Frieden und Aufbau«. Diese Gruppe, die in Luckenwalde gut vernetzt war, beteiligte sich maßgeblich an der Hilfe für verfolgte jüdische Bürger.