Krisengewinner
18. Mai 2020
Die falschen Antworten der Prepper
Zu den wenigen Gewinnern in der Corona-Krise gehört vermutlich die Zeitschrift »Tactical Gear« (Taktische Ausrüstung), eines von mehreren Magazinen der deutschen Prepper-Szene. »Prepper«, der Begriff kommt von »to be prepared« (vorbereitet sein) sind bezeichnet Personen, die sich systematisch auf den gesellschaftlichen »Systemzusammenbruch« vorbereiten. Zu diesem Zweck werden insbesondere Vorräte angelegt und Ausrüstung bereitgestellt. Prepper werden im öffentlichen Diskurs zunehmend als »rechts« wahrgenommen, insbesondere wegen ihrer teilweisen Nähe zur Reichsbürgerszene. Der Chefredakteur der »Tactical Gear«, Thomas Laible, beklagt diese in der Politik immer häufiger anzutreffende Zuschreibung als ungerecht, muss aber zugeben, dass »die Szene höchst unterschiedlich« ist.
Staatskritik und -Anhimmelung
Explizit politische Aussagen findet man in der Zeitschrift kaum. Herauslesen kann man allerdings ein eigentümliches Verhältnis zum Staat. Sozusagen Betriebsgrundlage des Preppertums ist die Vorstellung vom Versagen des Staates, insbesondere seiner Ordnungskräfte. Man wünscht sich einen »starken« Staat, der mit bewaffneten Organen im Innern für Ordnung sorgt und zum Beispiel Gruppenkriminalität (Stichwort »Clans«) ausradiert.
Polizisten und Soldaten werden einerseits ange-himmelt und in der äußeren Anmutung nachgeahmt, andererseits als »schwächlich« kritisiert, wenigstens aber als von der Politik »verraten« dargestellt. Man sei deshalb einfach gezwungen, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen! Wer hier an Wild West und Selbstjustiz denkt, liegt richtig, denn Kernland der Prepperszene sind tatsächlich die USA. Prepper sind konservativ, im konkreten Handeln staatsfeindlich, denn den Staat, den sie wollen, gibt es nicht.
Ein wesentlicher Unterschied zu den USA ist das restriktive deutsche Waffenrecht, das Ende 2019 noch einmal verschärft wurde. Das wird von Tactical Gear heftig beklagt. Während die amerikanische Prepperszene bürgerkriegsmäßig bewaffnet ist, muss sich die deutsche mit Messern und Pfefferspray behelfen. Ein Umstand, für den man der Politik vollständig dankbar sein muss. Allerdings darf man von einem starken Hang zur illegalen Bewaffnung ausgehen, denn man wähnt sich schließlich in einer Notwehrsituation. Was man gerne hätte, kann man an der Bebilderung sehen: Sturmgewehre und Handfeuerwaffen zieren das Heft.
»Taktische« Konsumanregung
Die Ideologie von Tactital Gear zeigt sich ohnehin weniger programmatisch als im empfohlenen Tun. Es ist eine einsame Welt, denn jeder möge für sich Rucksäcke, Campingkocher, Outdoor-Kleidung, Messer, Medikamente, Werkzeuge usw. beschaffen. Und so sind sie unter uns und schleppen täglich ihre kiloschwere EDC-Ausrüstung (»every day carry«) mit sich herum. Wer weiß schließlich schon morgens, ob die Welt nachmittags noch funktioniert. Das Denken ist tatsächlich »taktisch« wie der Name der Zeitschrift sagt und nicht strategisch. Ob es überhaupt klug ist, bei einem möglichen Zusammenbruchs alles auf »Ausrüstung« zu setzen und nicht vielleicht doch eher auf soziale Beziehungen, wird nämlich nicht hinterfragt.
Tactical Gear ist über weite Strecken ein Verkaufsmagazin, in dem Redaktions- und Werbeteil verschwimmen. Wer sich »richtig« vorbereiten will, ist demnach vollkommen auf das Funktionieren des Marktes angewiesen. Aus Sicht eben dieses Marktes sind die Prepper wiederum besonders gute Bürger, denn ihr Hunger nach immer mehr teurer und nutzloser Ausrüstung ist unstillbar.
Das Bildmaterial von Tactical Gear lässt auf eine vorwiegend männliche Leserschaft schließen. Sie kann sich als Form des Sozialen am ehesten noch die Meute vorstellen. Wer zu einer solchen gehören will, muss aber, wenn man einen Blick auf andere Prepper-Medien wirft, erst einmal ausrüstungsmäßig das »Niveau« erreichen, denn mit durchgeschleppt wird nicht. Nicht einmal mehr eigene Frauen und Kinder spielen in dieser Hinsicht eine Rolle – Babyflaschenfächer gibt es in den Überlebensrucksäcken nicht.
Die Zeitschrift will ein Tonikum für angstbesetzte Männer sein und tut doch nichts anderes als diese Angst immer weiter anzufachen und ökonomisch auszubeuten. Das wäre noch das politisch beste Ergebnis. Das negativste sind radikalisierte Gruppen, die den herbeigeängstigten Kampf selber beginnen.