Identitäre am Ende?

geschrieben von Janka Kluge

8. Juni 2020

Konservative wenden sich aus taktischen Gründen ab

In den letzten Monaten hat die so genannte Identitäre Bewegung (IB) einige Rückschläge hinnehmen müssen. Jüngstes prominentes Beispiel: Ende 2019 zog sie sich aus einem rechten Hausprojekt in Halle zurück. Zwei Jahre zuvor war das Projekt in der Adam-Kuckhoff Straße noch über die Seiten des rechten Publizisten Götz Kubitschek und der Gruppe »Ein Prozent für Deutschland« beworben worden. Der anhaltende Protest der Anwohner und der antifaschistischen Bewegung führte dazu, dass die Identitären in der Stadt nicht so Fuß fassen konnten, wie sie es angestrebt hatten. Neben dem Widerstand gab es aber noch etwas anderes, was den Rückzug verursachte. Der Verfassungsschutz kündigte an, die rechtsextreme Gruppe ab sofort zu beobachten. Daraufhin sprach sich einer der finanziellen Förderer des Hauses gegen ihren Verbleib aus.

»Konservative« Förderer

Das Haus wurde offiziell von der Titurel Stiftung gekauft, die konservative Projekte fördert. Bei Tagungen der Stiftung in Halle traf sich alles, was Rang und Namen in der rechten Bewegung hat. Mitglieder der AfD wie Gauland, Höcke und Weidel, Vertreter der Identitären Bewegung, Angehörige von Burschenschaften und neurechte Intellektuelle. Aus diesen Treffen entstanden immer wieder Kampagnen. Die bekannteste ist wahrscheinlich das Projekt »Ein Prozent«.

Neurechtes Kampagnennetzwerk

Der Verein »Ein Prozent« wurde gegründet, um rechte Kampagnen zu entwickeln und voranzubringen. Es wirkt nur auf den ersten Blick überraschend, wer an der Gründung beteiligt war. Das Institut für Staatspolitik mit Götz Kubitschek war genauso dabei wie der Herausgeber der auf Verschwörungen spezialisierte Zeitschrift »Compact« Jürgen Elsässer und der AfD Politiker Hans-Thomas Tillschneider. Vorsitzender des Vereins ist der Burschenschafter und Autor Peter Stein. Enge Verbindungen gibt es zu verschiedenen führenden Köpfen der so genannten Identitären Bewegung. Peter Stein gab in einem Interview mit der Welt am Sonntag an, dass bereits mehrere Aktionen der Identitären von »Ein Prozent« finanziert worden sind. Unter anderem sollen Anfang 2017 10.000 Euro zur Unterstützung eines Prozesses gegen die IB in Österreich gezahlt worden sein.

»Ein Prozent« hat auch die Werbetrommel zur Unterstützung der IB-Kampagne »Defend Europe« (Verteidigt Europa) gerührt. Mit dem Geld charterten die Rechten ein Schiff. Damit sollten Seenotretter gehindert werden, Geflüchtete aufzunehmen. Weil in Europa nicht genug Geld zusammenkam, reiste ein führende Kopf der so genannten Identitären Bewegung in die USA, um dort Geld zu sammeln.

Taktische Distanzierungen

Die Akteure der extremen Rechten kennen und unterstützen sich gegenseitig. Wenn sich jetzt Götz Kubitschek öffentlich von der so genannten Identitären Bewegung abwendet, lässt das aufhorchen. In einem Interview mit der rechten Zeitung »Neue Ordnung« sagt er: »Manche Leute und Gruppierungen werden zu ‚weißen Billardkugeln‘ gemacht, mit denen dann andere Kugeln ins Loch gestoßen werden sollen – Sie kennen das Spiel, nehme ich an. Mit Blick auf die Identitären war das zu erwarten, es war ziemlich bald klar, dass diese Rolle genau dieser Bewegung zugedacht wäre. Jung, aktivistisch, die eine oder andere einschlägige Biographie von rechtsextremistisch zu identitär (…): Das sind die Zutaten für einen miesen Cocktail, und alle Beteuerungen und Alltagsbeweise für die Friedfertigkeit haben nichts mehr ändern können.« (Zitiert nach Belltower News)

Das Zitat zeigt zwei Dinge deutlich. Es geht Kubitschek nicht darum, sich von der Politik der IB zu distanzieren. Vielmehr geht es ihm um Schadensbegrenzung. Noch ist es für Geldgeber schlecht, wenn sie zusammen mit rechtsextremen Gruppen genannt werden. Sie wollen konservative Projekte fördern, aber nach außen hin keine, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden. Hinzu kommt, dass die Rolle der IB als Tabubrecher derzeit nicht mehr benötigt wird. Die Gesellschaft und der öffentliche Diskurs sind in den letzten Jahren deutlich nach rechts verschoben worden.

Es sind also taktische Überlegungen, die zu einem Rückzug geführt haben. Ähnlich argumentierten Vertreter des Flügels, als sie die vom Bundesvorstand der AfD geforderte Selbstauflösung im März bekannt gaben. Der Rückzug einzelner Gruppen darf also nicht als Schwäche missverstanden werden.