Kämpferin für die Freiheit
2. August 2020
Cécile Rol-Tanguy war auf ewig mit der Résistance verbunden
Es ist eine wundersame Ironie des Schicksals, dass Cécile Rol-Tanguy (1919 – 2020) an einem 8. Mai, dem Tag der Kapitulation Nazi-Deutschlands, gestorben ist. Sie wurde hundert und ein Jahr alt. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Leiter der Forces Francaises de l’Interieur (Französische Streitkräfte im Inneren, FFI), Colonel Henri »Rol«-Tanguy (1), hat sie wesentlich zum Pariser Aufstand vom 25. August 1944 beigetragen. Wir blicken zurück auf das Leben einer außergewöhnlichen Frau, kommunistischen Aktivistin, Feministin und Antifaschistin.
2014 gewährte sie der Zeitung Libération zum nationalen Gedenktag an die Résistance ein Interview zu den Veranstaltungen anlässlich der Befreiung von Paris. In dem Gespräch sagte sie humorvoll: »Widerstand konserviert«. Da hätte sie selbst noch nicht geglaubt, dass sie mehr als 100 Jahre alt werden würde.
Am 20. Juni 1936 führt die Volksfront den bezahlten Urlaub für alle ein. Im November tritt eine junge Stenotypistin, Absolventin der berühmten Ausbildungseinrichtung »Cours Pigier«, in den Metallabeiter-Verband der CGT in Paris ein. Auf einem Schwarz-Weiß-Foto ist sie hinter einer Schreibmaschine zu sehen; unbekannt bleibt, ob es eine »Remington« ist. Cécile ist Tochter eines Elektrikers, der seit 1920 Mitglied der Kommunistische Partei in Tours war. Ihr ganzes Leben lang wird sie an der Seite der Arbeiter und Unterdrückten stehen. »Ich wurde von diesem Milieu geprägt. Bei uns sind viele Leute ein- und ausgegangen. »Mein Vater war ein überzeugter Internationalist«. Den Slogan: »Respekt für die Arbeiter und eine bessere Welt!« könnte Cécile bei den aktuellen Demonstrationen gegen die Maßnahmen der französischen Regierung gerufen haben. Ebenfalls im Jahr 1936 wird ein gewisser Henri Tanguy Sekretär der Pariser Metallarbeiter. Er ist gut zehn Jahre älter als Cécile. Sie übernimmt für ihn die »Kriegspatenschaft« als er aufbricht, um erste Kampferfahrungen bei den Internationalen Brigaden im Spanischen Krieg zu sammeln. Nachdem er verletzt zurückkehrt, heiratet er Cécile im April 1939 – die Geburtsstunde eines antifaschistischen Paares im Widerstand.
Die Besatzung
Im Oktober 1940 werden die ersten Antifaschisten verhaftet. Cécile lebt noch bei ihren Eltern an der Porte de Bagnolet in Paris. Henri bittet sie, »sein Bündel zu schnüren« und geht in den Untergrund. Cécile wird seine Verbindungsfrau. Sie liefert ihm unter falschen Namen wie Jeanne – Name der Tante ihres Mannes –, Yvette oder Lucie im Fond eines Landau versteckt nicht nur Nachrichten, sondern auch Revolver und Zündschnüre. Am 19. August 1944 beginnen die Nazis aus Paris zu fliehen. Cécile gehört zu den Pariserinnen, die sagen: »Wir werden sie nicht so davonkommen lassen!« Sie ist bei der Verteidiung ganz vorn dabei, als Nazi-Soldaten die Polizeipräfektur von Paris gegenüber der Kathedrale Notre-Dame angreifen. Um die Ankunft der 2. Panzerdivision von General Leclerc zu feiern, organisiert Cécile mit ihren Kameradinnen aus der Résistance eine Kissenschlacht im Kommandoposten ihres Mannes in den Katakomben am Platz Denfert-Rochereau in Paris. Ihr Ehemann Henri sowie der führende Widerstandskämpfer Maurice Kriegel-Valrimont unterzeichneten am 25. August gemeinsam mit General Leclerc die Kapitulation des Kommandanten von »Groß-Paris«, General von Choltitz.
Nach der Befreiung setzt Cécile ihr Engagement fort, sie bleibt der Kommunistischen Partei und der Metallarbeitergewerkschaft treu. Henri stirbt 2002. Zum Wahlrecht für Frauen, das es in Frankreich erst seit 1948 gibt, sagte sie: »Es stimmt nicht, dass General de Gaulle den Frauen das Wahlrecht gegeben hat. Es wurde von uns Widerstandskämpferinnen erstritten!« Sie freute sich über die Fortschritte, die die Emanzipation der Frauen in den letzten Jahren gemacht hat, selbst wenn das noch lange nicht genug ist. 2004 hat Patrick Barbéris dieser großen Frau eine Fernseh-Dokumentation mit dem Titel »Cécile Rol-Tanguy, eine Kämpferin für die Freiheit« gewidmet. In ihrem letzten Lebensjahr konnte Cécile, Großmeisterin der Ehrenlegion, am 25. August 2019 zum 75. Jahrestag der Befreiung von Paris noch an der Einweihung des neuen Museums der Befreiung von Paris – Musée Général Leclerc – Musée Jean Moulin teilnehmen.
(1) »Rol« ist das Pseudonym, das Henri »Rol«-Tanguy im Untergrund gewählt hatte, um damit einen seiner Kameraden der Internationalen Brigaden, Théophile Rol, Kommandant des Bataillons »Pariser Commune«, zu ehren, der am 8. September 1938 in der Sierra de Caballs in Spanien gefallen war.
Julien Le Gros ist Chefredakteur der »Patriote Résistant«