Neofaschismus in den USA

geschrieben von Ulrich Schneider

23. März 2021


Aufschwung rechter Militanz durch den Trumpismus

Anfang Januar gingen die Bilder vom »Sturm auf das Kapitol« in Washington um die Welt. Bis heute ist nicht klar, welche Unterstützung diese bewaffneten Randalierer durch den hauseigenen Wachdienst oder Senatoren hatten. Während viele Medien vor allem skurrile Typen wie den »Schamanen« mit den Stierhörnern zeigten, war nicht zu übersehen, dass sich unter den Eindringlingen viele Neonazis, die in der Zeit der Trump-Regierung einen deutliche Aufschwung genommen hatten, befanden. Wie eine Untersuchung zeigte, kamen die Randalierer aus allen Teilen der USA, um mit diesem »Sturm auf das Kapitol« ihren Machtanspruch öffentlich zu dokumentieren. Im Sinne von Trumps Propaganda kämpften sie gegen den »gestohlenen Wahlsieg« und sahen sich als »Vollstrecker« des Volkswillens.

Wer sich schon länger mit der extrem rechten Szene in den USA beschäftigt, weiß, dass neofaschistische und rassistische Gruppen – nicht nur in den gewalttätigen Inszenierungen des Ku-Klux-Klans – eine lange Tradition haben. Getragen werden solche Bewegungen zumeist von WASPs (White Anglo-Saxon Protestant, »weißer angelsächsischer Protestant«), die sich als amerikanische »Elite« und als »white supremacists«, also Anhänger der These von der Überlegenheit der »weißen Rasse«, verstehen. Doch die Szene der neofaschistischen und rassistischen Gruppen ist sehr viel breiter. Wer bei Wikipedia »rechtsextremistische Gruppen USA« eingibt, bekommt eine Liste mit derzeit mehr als 20 aktiven Organisationen. Doch diese Angaben sind bei weitem nicht vollständig. Die zivilgesellschaftliche Organisation »Southern Poverty Law Center« (SPLC), die seit 20 Jahren die extrem rechte Szene in den USA verfolgt, listete in ihrem Jahresbericht für 2018 über tausend aktive »hate groups« auf, die teilweise nur in einzelnen Bundesstaaten bestehen, jedoch untereinander so vernetzt sind, dass sie sich zu gemeinsamen Aktionen verabreden können.

Die tatsächliche Gefahr, die von diesen neofaschistischen Gruppen ausgeht, ist ihre zunehmende Gewaltbereitschaft, verbunden mit dem verbreiteten – legalen – Waffenbesitz in ihren Strukturen. In den vergangenen Jahren war mehrfach von Massakern zu hören, so von einem 21jährigen, der in einer Walmart-Filiale in der texanischen Grenzstadt El Paso 22 Menschen tötete. Zuvor hatte er im Internet ein Manifest gegen Einwanderer aus Lateinamerika veröffentlicht. In Erinnerung dürften die Anschläge auf Synagogen in Pennsylvania und Kalifornien sein. Die Täter rechtfertigten ihr Verbrechen mit der kruden Behauptung, es sei ein jüdischer Plan, die Weißen in Amerika durch Einwanderer zu verdrängen. Und nicht zu vergessen, die Tötung von -Heather Heyer, einer antifaschistischen Demonstrantin 2017 in Charlottesville, als ein Neonazi mit seinem Auto gezielt in eine Gruppe von Antifaschisten fuhr und die Demonstrantin so schwer verletzte, dass sie starb. Allein 2020 waren es 39 Menschen, die dem rechten Terror in den USA zum Opfer fielen, so viel wie seit 25 Jahren nicht. Diese Gewalt geht nicht mehr von »Einzeltätern« aus, sondern zunehmend von gewalttätigen neofaschistischen Milizen wie »Three Percenters«, die ganz offen mit automatischen Waffen und schwerem Gerät für den Einsatz in einem Bürgerkrieg üben. Sie berufen sich auf die angeblich drei Prozent der kämpfenden Bürger im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Einer der Führer der Kampftruppe »Three Percenters« in spe ist Chris Hill, der sich »General des heiligen Krieges« nennt. Er bereitet seine Truppe im Zeichen der politischen Spaltung des Landes auf einen neuen Bürgerkrieg vor.

Wie in einer antifaschistischen Recherche über die neofaschistische Miliz »The Base« sichtbar wurde, rekrutieren diese Gruppen insbesondere ehemalige oder noch aktive Angehörige der Armee. Man wolle die Vorherrschaft der Weißen in den USA absichern. Die Mission sei ganz einfach, so Milizenchef Rinaldo Nazarro laut einem Mitschnitt eines Rekrutierungsgespräches: Das Ziel sei Chaos, um das anschließende Machtvakuum für sich zu nutzen.

Im Oktober 2020 enttarnte das FBI im Bundesstaat Michigan eine weitere Milizorganisation, die geplant hatte, die demokratische Gouverneurin Gretchen Whitmer zu entführen und nach einem Scheinprozess hinzurichten – angeblich aus Protest gegen die strikten Corona-Regeln in ihrem Bundesstaat. Insgesamt 17 mutmaßliche Verschwörer wurden verhaftet, die bereits Waffen, Sprengstoff und andere Materialien für dieses Verbrechen organisiert hatten.

Die »Proud Boys«, die derzeit bekannteste neofaschistische Miliz, versucht seit mehreren Jahren, Milizen und andere »hate groups« mit rechten Ideologiezentren und der »Alt-Right«-Bewegung zu vernetzen. Jene Spektren waren auch ber der »Unite the Right«-Demonstration 2017 in Charlottesville zugegen. Im November 2020 marschierte man in diesem Sinne gemeinsam mit der »Stop the Steal«-Bewegung, die Trumps Wahlsieg behauptet, in Raleigh, der Hauptstadt von North Carolina.

Da nicht erkennbar ist, dass amerikanische Sicherheitskräfte ernsthaft gegen solche Gruppen vorgehen, man bei Neonaziaufmärschen vielmehr den Eindruck haben kann, dass die Polizeikräfte mit ihnen sympathisieren, steht zu befürchten, dass auch 2021 über gewalttätige Übergriffe neofaschistischer Milizen in den USA zu berichten sein wird.

Plakataktion von CrimethInc.
kurzelinks.de/sjbz

Weitere Details der jährlich aktualisierten Untersuchung des »Southern Poverty Law Center« (SPLC) findet man auf deren Internetseite. Einen Überblick über die regionale Verteilung der »hate groups« findet sich auf dieser Seite: splcenter.org/hate-map

Substanzielle Informationen über 
die neofaschistische Miliz »The Base« finden sich hier: counterextremism.com/supremacy/base