Die AfD nach Dresden
31. Mai 2021
Der Bundesparteitag markierte die Wende zum Schlechtesten
Wenn Politik die Kunst ist, in einer gegebenen Situation das Mögliche für die eigenen Ziele herauszuholen, ist Jörg Meuthen ein Politiker, Björn Höcke aber nicht. Selbstverständlich möchte Meuthen an die Macht, aber er verhält sich dabei wie ein »normaler« Politiker: Er organisiert Mehrheiten innerhalb der eigenen Partei, er sucht nach Bündnispartnern außerhalb derselben, und er orientiert sich bei der Zielformulierung daran, was (gerade noch) durchsetzbar scheint.
Der AfD-Bundesparteitag am 10. und 11. April hat deutlich gemacht, dass er auf allen drei Ebenen seine Grenzen erreicht hat, ohne zum Ziel gekommen zu sein. Die mühsam organisierte knappe Mehrheit gegen die Protagonisten des »Flügels« ist dahin. Die zunehmende Stigmatisierung als »eindeutig rechtsextrem« verringert die Wahrscheinlichkeit eines Bündnisses mit der Union, verstärkt durch die Führungsentscheidungen in derselben. Zwischen beiden Parteien vermittelnde Akteure verlieren mit ihrem Einfluss auch die Hoffnung. Inhaltlich hat der Parteitag Beschlüsse gefasst, die einer weiteren Radikalisierung gleichkommen. Insbesondere mit der nun mehrheitlich erhobenen Forderung nach einem »Dexit«, dem Austritt der BRD aus der EU, verbunden mit der vagen Forderung nach einer anderen Form der Organisierung der europäischen Staaten, hat sich die AfD aus der Realpolitik verabschiedet. Dadurch werde man »nichts erreichen«, warnte Meuthen. In der Debatte zu diesem Punkt verwies u. a. auch Alexander Gauland auf den Kontext. »Nach zwei verlorenen Weltkriegen« könne das Vorhaben im Ausland »falsch verstanden werden« und dort die Sorge vor einem neuen »deutschen Sonderweg« umgehen. Knapper machte es ein Befürworter des Antrages mit den Worten: »Die EU muss sterben, wenn Deutschland leben will«. Damit ist man schon wieder beim Spruch von 1914: »Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!«
Möglich wurden all diese Weichenstellungen durch die ersten deutlichen Rückschläge der Partei bei den Wahlen in Westdeutschland. Sie verstärken die Ost-West-Spannung, denn die Wahlprognosen für die neuen Bundesländer bleiben mit mehr als 20 Prozent auf sehr hohem Niveau und bestätigen die dort eindeutig vorherrschenden Vertreter des »Flügels«. Auffällig war in Dresden Höckes Rollenwechsel: Hatte er noch in Kalkar vornehm geschwiegen, übernahm er nunmehr die Regie. Mit Meuthen und Konsorten wurde bewusst noch nicht abgerechnet, denn vor der Bundestagswahl braucht man sie noch. In einem halben Jahr, beim nächsten Bundesparteitag in Rostock, wird wohl Schluss damit sein.
Die Isolierung der Partei ist ganz in Höckes Sinn. Schon immer warnte er vor der »Verweichlichung« und dem Aufgehen »im System«. Politiker ist Höcke nämlich doch, nur eben nach NS-Art. Kompromisse und Bündnisse mag es geben, sie sind aber nichts wert, denn sie werden bei erstbestem Anlass gebrochen. Ehemalige Partner, besser »nützliche Idioten«, verfallen der Rache und werden fallen gelassen, sobald sich die Gelegenheit ergibt. Das ist die Situation vor dem nächsten entscheidenden Akt, den Wahlen in Sachsen-Anhalt. Dort gibt es in der Union aktuell genügend nützliche Idioten und eine klar neofaschistische AfD, die darauf setzt, durch eigene Stärke das System zu lähmen, was ihr in einem nicht geringen Ausmaß bereits gelungen ist. Besorgniserregend ist die Neigung in der dortigen Politik, vor diesem Grundkonflikt die Augen zu verschließen und die AfD als Hauptformation des deutschen Neofaschismus am liebsten gar nicht zu benennen.