Ein Verhinderungsgesetz
7. Januar 2022
Proteste in NRW mit wenig Wirkung gegen Grundrechte einschränkende Regierung
Rund 7.000 Menschen demonstrierten Ende Oktober in Köln gegen das geplante Versammlungsgesetz der schwarz-gelben NRW-Landesregierung. Aufgerufen hatte das Bündnis »Versammlungsgesetz NRW stoppen! Grundrechte erhalten«, getragen von mehr als 100 Organisationen, darunter die VVN-BdA-Landesvereinigung NRW. Der gemeinsame Protest von Antifaschist:innen, Friedensaktivist:innen, Klimaaktivist:innen, Gewerkschafter:innen, Politiker:innen verschiedenster Couleur, migrantischen Initiativen, Antikapitalist:innen, Jurist:innen, Fußballfans und Datenschützer:innen schien Wirkung zu zeigen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung sah sich genötigt, den Gesetzentwurf abzuändern. Leider blieb es bei kosmetischen Änderungen. Am Kern der Kritik ändere sich nichts, so der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein, der Verein Demokratischer Juristinnen und Juristen und das Komitee für Grundrechte und Demokratie in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Der Entwurf bleibe ein Versammlungsverhinderungsgesetz. Die Versammlungsfreiheit werde als potenzielle Gefahr begriffen und Demonstrationen sowie Kundgebungen polizeilich eingeschnürt. Die Anwendbarkeit von Polizeirecht in Versammlungen, die Errichtung von Kontrollstellen zur Identitätsfeststellung und Durchsuchung, das Verbot der Teilnahme mithilfe von Meldeauflagen, Videoüberwachung und -aufzeichnung oder Gefährderansprachen seien auch weiterhin sämtlich im Entwurf enthalten. Nunmehr werde sogar explizit ermöglicht, Versammlungen mit Drohnen zu filmen. Das sogenannte Störungsverbot wurde im Kern ebenso wenig aufgehoben wie das »Militanzverbot«: Nach wie vor werden antifaschistische Gegenproteste erschwert bzw. Blockadetrainings verboten, die Bußgeldbewährung nicht aufgehoben. Dass »nicht auf Behinderung zielende kommunikative Gegenproteste« vom Störungsverbot ausgenommen wurden, ändere hieran nichts, sondern gebe lediglich den verfassungsrechtlichen Grundgedanken wieder, dass auch die abweichende Meinung kollektiv und öffentlich geäußert werden darf.
Die VVN-BdA-Landesvereinigung NRW e. V., die diese Stellungnahme teilt, weist auf die massive Behinderung antifaschistischer Aktion hin. So verlangt der Gesetzentwurf weiterhin, dass in der Einladung zu einer öffentlichen Versammlung der Name des Veranstalters oder der Veranstalterin angegeben werden muss. Sie werden somit einer breiten Öffentlichkeit bekannt und der Gefahr faschistischer Übergriffe ausgesetzt. Die Abstimmung über den Gesetzentwurf war die Nagelprobe für die FDP. Im Wahlkampf hatte sie gebetsmühlenartig ihre liberalen Glaubenssätze vorgetragen. Wie erwartet wurde diese Nagelprobe von der FDP nicht bestanden. Mit Stimmen der CDU und der FDP wurde das Versammlungsgesetz beschlossen. SPD und Grüne im NRW-Landtag haben wie angekündigt der geänderten Gesetzesvorlage nicht zugestimmt.
Das Bündnis »Versammlungsgesetz NRW stoppen! Grundrechte erhalten« kündigt mit allen demokratischen Mitteln Widerstand gegen dieses Gesetz an. Es wird nicht hinnehmen, dass NRW das autoritärste und undemokratischste Versammlungsgesetz in der Bundesrepublik hat. Anfang Januar 2022 wird über weitere Maßnahmen beraten. Das NRW-Versammlungsgesetz steht in einer Reihe mit den Polizei- und Versammlungsgesetzen anderer Bundesländer. Diesem Abbau von demokratischen Rechten beharrlich und konsequent länderübergreifend entgegenzutreten muss ein Schwerpunkt antifaschistischer Arbeit sein, so die VVN-BdA NRW.
Bis zur Föderalismusreform war das Versammlungsrecht Sache des Bundes. Ein Gesetz für alle. Höchstrichterliche Rechtsprechung für alle. Die Föderalismusreform brachte neben den Polizeigesetzen auch das Versammlungsrecht in die Kompetenz der Länder zurück. Seitdem tobt in fast allen Bundesländern der Streit um die Neufassungen.
Infos zu NRW: www.nrw-versammlungsgesetz-stoppen.de