An den Ursprung
4. September 2022
Güstrow (Landkreis Rostock) war 2017 das Zentrum des »Nordkreuz«-Skandals
Für den 16. Juli rief die Initiative »Ihr seid keine Sicherheit« bundesweit zur Demo gegen extrem rechte Netzwerke in Justiz, Polizei und Militär nach Güstrow auf. Anlass waren u. a. die Machenschaften der 2017 in Mecklenburg-Vorpommern bekanntgewordenen rechten Preppergruppe »Nordkreuz«, die sich aus mehreren Dutzend (ehemaligen) Mitgliedern staatlicher Sicherheitsorgane zusammensetzt und Teil des bundesweiten »Hannibal«-Netzwerkes ist.
Der Ort im Landkreis Rostock war mit Bedacht gewählt: In Güstrow werden an der Fachhochschule neue Polizeianwärter:innen ausgebildet. Der dortige Schießplatz spielte in den Ermittlungen der letzten Jahre eine wichtige Rolle bei der Aufklärung der extrem rechten Preppernetzwerke, die sich auf den sogenannten Tag X – den vermeintlichen Zusammenbruch der staatlichen Ordnung – vorbereiten. Die Verstrickungen des Schießplatzbetreibers kosteten sogar den damaligen Innenminister Lorenz Caffier (CDU) seinen Posten, der gute Kontakte dorthin hatte. Das besonders Pikante: Auf besagtem Schießplatz übten auch Polizist:innen, unter anderen Angehörige des Kommandos Spezialkräfte (KSK). Viele der Mitglied der »Nordkreuz«-Gruppe kommen aus dem Landkreis Rostock oder anliegenden Landkreisen. Die Vernetzungen verschiedener Mitglieder in gesellschaftlichen Bereichen sind vielfältig. Ein Beispiel sei hier stellvertretend genannt: Jan Hendrik Hammer war Anwalt und als Mitglied der Rostocker Bürgerschaft ab 2017 stellvertretender Vorsitzender der UFR – der »Unabhängigen Bürger für Rostock«. Die UFR stellten bis 2019 den Oberbürgermeister in der Hanse- und Universitätsstadt Roland Methling.
Die Gründe, in der Barlachstadt Güstrow eine bundesweite Demonstration gegen rechtsextreme Netzwerke in staatlichen Institutionen durchzuführen, sind also vielfältig. Leider wurden im Vorfeld der Demonstration lokale Strukturen kaum eingebunden, so dass auch die Mobilisierung innerhalb Mecklenburg-Vorpommerns eher schleppend -verlief. Erst ein paar Tage vor der Demo konnten in Güstrow, Rostock und einigen anderen Städten Plakate und Flyer verteilt werden. Zeitgleich mit der Demo fand im nahen Rostock der Christopher Street Day mit 10.000 Teilnehmenden statt, und nur eine Woche zuvor hatte es in Güstrow das Festival Rhythmus gegen Rassismus gegeben. Die zeitliche Nähe zur Demo am 17. Juli hat der Mobilisierung sicher nicht gutgetan. Viele wären bestimmt nach Güstrow gekommen, hätte es im Vorfeld eine bessere Absprache und Einbindung lokaler Akteure gegeben. Natürlich ist es schwierig, ein Organisationsnetzwerk länder-übergreifend zu organisieren, dass es aber möglich ist, zeigen beispielsweise die Vorbereitungen für die Veranstaltungen zum 30. Jahrestag des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen.
Dennoch war die Demo in einer Stadt, die auch abseits rechtsextremer Seilschaften in staatlichen Institutionen über eine große und aktive Neonazi-szene verfügt, ein wichtiges Zeichen im Kampf gegen menschenverachtende Einstellungen. Mehr als 500 Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und anderen Ländern nahmen an dieser Demo teil. Damit ist sie eine der größten antifaschistischen Veranstaltungen der letzten Jahre im Landkreis Rostock.
Der Autor ist Kreisvorsitzender der Linken im Landkreis Rostock und Mitglied im Landesvorstand der
VVN-BdA Mecklenburg-Vorpommern