Besondere Kombination

geschrieben von Nils Becker

14. September 2023

Die Bundesregierung will rassistische Stimmungen und Nützlichkeitsdenken verbinden

Im August präsentierte die Bundesregierung zwei Vorschläge zur Begrenzung und Regulierung der Zuwanderung. Einerseits wurde auf die gestiegenen Zahlen von Asylanträgen mit Vorschlägen zur Beschleunigung von Abschiebungen reagiert, andererseits eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts eingebracht, das vor allem diejenigen befriedigt, die Deutschland im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe gefährdet sehen. Beides wird das Leben für zahlreiche Geflüchtete schwerer machen.

Faesers Populismus

Ende Juli wurden die Flüchtlingszahlen für die erste Jahreshälfte bekanntgegeben. Demnach haben 175.000 Menschen Asyl in Deutschland beantragt. Das sind fast doppelt so viele wie in der ersten Jahreshälfte des vorigen Jahres. Aufgrund der sich verschlimmernden Lage in den Herkunftsländern kommen die meisten aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. Bei rund 70 Prozent der Schutzsuchenden wird der Anspruch auf Asyl deshalb auch anerkannt. Dennoch führte Deutschland im August eine aufgeregte Debatte über »illegale Migration« und Grenzkontrollen. Statt auf die Realität hinzuweisen, nämlich dass »legale« Migration überwiegt, und sich über gemeinsame Anstrengungen für Unterkunft, Versorgung, Sprachkurse und Integration Gedanken zu machen, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Mythos des »Abschiebedefizits« aufgegriffen. Geplant sind massive Verschärfungen des Ausreisegewahrsams (bis zu 28 statt bisher 10 Tage) und die Ausweitung der Haftgründe. Dabei sind schon jetzt 50 Prozent der Menschen nachweislich rechtswidrig inhaftiert, worauf Pro Asyl hinwies. So sollen Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote künftig für die Verhängung von Abschiebehaft ausreichend sein. Wer im Asylverfahren keine, falsche oder unvollständige Angaben zur eigenen Identität macht, soll künftig mit Haft bestraft werden können. Zur Sicherungen von Abschiebungen soll die Polizei zudem mehr Befugnisse bekommen, unter anderem ganze Wohnheime durchsuchen dürfen.

Demo »Solidarität mit den Frauen und den Hazara in Afghanistan« im Februar 2023 in Stuttgart für Bleiberechtsperspektiven von Menschen, die in Afghanistan durch den Terror der Taliban-Regierung verfolgt werden.

Demo »Solidarität mit den Frauen und den Hazara in Afghanistan« im Februar 2023 in Stuttgart für Bleiberechtsperspektiven von Menschen, die in Afghanistan durch den Terror der Taliban-Regierung verfolgt werden.

Tatsächlich gab es 2022 rund 250.000 sogenannte Ausreisepflichtige, von denen der Großteil »geduldet« wird und nicht abgeschoben werden kann. Die Hälfte davon ist mehr als fünf Jahre in Deutschland und könnte im Rahmen des bereits beschlossenen »Chancenaufenthaltsrechts« dauerhaften Aufenthalt zugesprochen bekommen. In Deutschland leben 13,4 Millionen Menschen ohne deutschen Pass, rund zwei Drittel von ihnen seit mehr als fünf Jahren. Ein geringer Anteil davon hat Anspruch auf die Erlangung einer deutschen Staatsbürgerschaft und damit auch auf das aktive und passive Wahlrecht – also demokratische Teilhabe und Mitbestimmung. Die durchschnittliche Wartezeit auf eine Einbürgerung liegt aktuell aber bei mehr als zwölf Jahren. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus Bündnis 90/Die Grünen, SPD und FDP wurde daher vereinbart, die Einbürgerung zu beschleunigen. Vor allem um Fachkräfte nach Deutschland zu locken soll außerdem die Mehrstaatlichkeit möglich werden.

Stimmungmache à la FDP

Wer aber überhaupt in den Genuss der deutschen Staatsbürgerschaft kommen soll, verkündete Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Tag der Vorlage des Gesetzentwurfes: »Wir machen Einbürgerung für Menschen leichter, die von ihrer eigenen Hände Arbeit leben. Regeln für Menschen, die vom Sozialstaat leben, werden verschärft. Das setzt Anreize zur Aufnahme von Arbeit und zeigt: Wir wollen Einwanderung in den Arbeitsmarkt. Nicht in den Sozialstaat.« Es wird in Zukunft für viele also nicht leichter, den deutschen Pass zu erlangen, sondern schwerer. Denn die bisherige Regelung sah eine möglich Einbürgerung nach sechs bis acht Jahren vor, ohne dass es immer darauf ankam, ob der Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit durchgängig gesichert ist. Es gab viele Ausnahmen, um auch jene einzubürgern, die zeitweise auf Sozialleistungen angewiesen sind. Dies kann etwa Menschen mit einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit, pflegende Angehörige, Alleinerziehende oder Schüler/Auszubildende/Studierende betreffen. Auch wenn nun die acht Jahre sogenannte Voraufenthaltszeit auf fünf Jahre bzw. bei besonderen »Integrationsleistungen« auf drei Jahre reduziert werden kann, so kommen doch tendenziell weniger Menschen in den Genuss einer Einbürgerung, da die Ausnahmen so gut wie wegfallen. Pro Asyl geht davon aus, dass viele ihr ganzes Leben lang keinen Anspruch auf Einbürgerung erlangen können, da sie nicht voll arbeitsfähig sind und nur noch auf Härtefallregelungen hoffen können. Das bemängelt auch die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, deren Stelle sich die Regierung zwar gönnt, aber deren Hinweise sie nicht ernst nimmt.

Beide Vorstöße aus Innen- und Justizressort sind oberflächlich betrachtet Belege für die Orientierung der Bundesregierung an der öffentlichen Stimmungslage. Allerdings stehen sie auch für die paradoxe Kombination, einerseits dem rassistischen Bedürfnis Rechnung zu tragen, Asylsuchende fern zu halten, und andererseits der deutschen Wirtschaft mit Fachkräften aus aller Welt auszuhelfen.

Aktuelle Informationen und Stellungnahmen zum Thema unter proasyl.de