Hindernis für den Frieden?

geschrieben von Wanja Musta

5. November 2023

30 Jahre PKK-Betätigungsverbot in Deutschland

Die PKK wurde 1978 in den nordkurdischen Gebieten auf dem Staatsgebiet der Türkei als Reaktion auf die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung und ihrer Identität sowie auf die Vertreibung der Kurd:innen in der Türkei und anderen Siedlungsgebieten gegründet. Diese Gebiete erstrecken sich seit dem Ende des Ersten Weltkrieges über Teile des Staatsgebietes Iraks, Irans und Syriens sowie der Türkei.

Historie von Maßnahmen gegen Kurden

In all diesen Staaten folgte eine Historie von Maßnahmen als Teil der sogenannten Kurdenpolitik. Dazu zählte die Kriminalisierung der Sprache, des Brauchtums und der Menschen selbst. 1984 begann als Reaktion auf die Unterdrückung der bewaffnete Kampf der PKK. Dieser erfolgte auf militärischer Ebene durch den Guerillakampf, aber auch im öffentlichen Raum durch gezielte Anschläge, was von Anfang an auch in solidarischen Kreisen scharf kritisiert wurde.

Erst im Nachhinein wurde öffentlich, dass viele Anschläge fälschlicherweise der PKK zugerechnet wurden. Darunter der Mord an dem schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme 19861, aber auch die Bombenanschläge in Istanbul 2003, Reyhanlı 2013 oder Suruç 2015. Mit der Wahl des türkischen Ministerpräsidenten Tansu Çiller 1993 wurde in der Türkei noch viel stärker gegen die kurdische Bevölkerung vorgegangen. Dabei kam es im Oktober desselben Jahres zu einem Angriff der türkischen Armee auf die kurdische Zivilbevölkerung in Licê.2 Auf diese Tat folgten große Proteste der kurdischen Bevölkerung in der deutschen Diaspora. Während dieser Proteste wurden türkische Geschäfte und Konsulate angegriffen oder auch deutsche Autobahnen besetzt. Die Reaktion des Bundesinnenministeriums unter Leitung von Manfred Kanther (CDU) war ein Betätigungsverbot für die PKK. Als im Zuge der Anschläge vom 11. September 2001 die EU-Terrorliste eingeführt wurde, wurde die PKK 2002 auch auf diese Liste genommen.

Kanther begründete damals die Durchsetzung des Betätigungsverbots unter anderem damit, dass »Deutschland nicht zum Ruheraum für Terroristen« werden solle, bzw. er nicht zulassen wolle, »dass Deutschland zum Schauplatz von Bandenkriegen und der Verfolgung politisch Andersdenkender wird«.3 Diese Einschätzungen wurden auch auf anderen Ebenen immer wieder stark diskutiert. Darunter beim Obersten Gericht in Belgien und beim Gerichtshof der EU, die die PKK zeitweise oder komplett aus der Kategorie »terroristisch« nahmen.4 5 Die Schweiz, Italien, Griechenland sowie China, Indien, Ägypten, Russland und die Vereinten Nationen stufen die PKK nicht als Terrororganisation ein. Was genau Terror ist, wird allgemein sehr vage ausgelegt. So wird im Verfassungsschutzbericht 2019 die PKK in Deutschland aufgrund von »Vorbereitungshandlungen in Europa« für »ihre terroristischen Aktivitäten in der Türkei« als terroristisch eingestuft. Dabei scheint es sich laut dem Bericht um Spendenkampagnen und Feste zu handeln, die die kurdische Bevölkerung veranstaltet.

Der Verfassungsschutz sagt, dass »zuletzt friedliche Veranstaltungen im Vordergrund (der Aktivitäten, d. Red.) standen«, die »Ausübung von Gewalt« bleibe »eine – auch strategische – Option«. Dass hinter dem Verbotsthema der PKK ein größerer politischer Komplex steht, wird auch noch mal durch den behördlichen antikurdischen Rassismus klar, der über die letzten Jahrzehnte von der Türkei in deutsche Behörden importiert wurde.

Warum Aufhebung des Verbots?

30 Jahre nach dem Verbot der PKK in Deutschland ist es an der Zeit, die politische Landschaft zu überdenken und nach Wegen zu suchen, wie wir zum Frieden beitragen können. Der Weg zu offiziellen Friedensverhandlungen einzelner Staaten und anderer Parteien mit der PKK ist aktuell durch die Einstufung als »terroristische Vereinigung« versperrt. Die Verhandlungspartner:innen hätten sofort mit Sanktionen und diplomatischen Konsequenzen zu rechnen. Die Aufhebung des Verbots könnte den Weg für offizielle Friedensverhandlungen zwischen der PKK und der türkischen Regierung ebnen, was zur Lösung der »Kurdenfrage« beitragen könnte. Es ist an der Zeit, dass Deutschland und die internationale Gemeinschaft eine aktivere Rolle bei der Förderung des Friedens im Nahen Osten spielen. Gleichzeitig muss es weiterhin einen kritischen und selbstkritischen Prozess gerade beim Thema Gewalt innerhalb der PKK geben, wenn sie von ihrem Friedenspotenzial überzeugen möchte.

Aktuell findet aus Teilen der kurdischen Community in Deutschland und einigen solidarischen Strukturen eine neue Kampagne dazu statt, die die nächsten Schritte gehen möchte. Mit Vortragsreihen und Veranstaltungen in ganz Deutschland und der Webseite www.verbot-aufheben.org soll der Diskurs um das Betätigungsverbot in die breitere Gesellschaft getragen werden.

1 faz.net/aktuell/politik/ausland/nach-34-jahren-heisse-spur-im-mordfall-
olof-palme-16808352.html

2 http://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Lice

3 bundesregierung.de/breg-de/service/bulletin/verbot-der-arbeiterpartei-kurdistans-in-deutschland-790068

4 vrt.be/vrtnws/fr/2017/09/16/pour_la_justice_belgelepkknestpasuneorganisationterroriste-1-3066615/

5 rsw.beck.de/aktuell