Keine Lösung
2. März 2024
Zum europäischen Militäreinsatz im Roten Meer
Die Vorgänge im Jemen sind im breiteren Zusammenhang einer selbsternannten »Achse des Widerstands« zu sehen. Dabei handelt es sich um einen lockeren Zusammenschluss mit dem Iran verbündeter Kräfte, die in den USA und Israel ihre Hauptfeinde sehen. Die Huthi sind als überwiegend schiitische Gruppe einer der gut ausgerüsteten militärisch-politischen Akteure in der Region.
Seit dem 19. November 2023 greifen jemenitische Huthis, unter Verweis auf den Krieg in Gaza immer wieder westliche Handelsschiffe im Roten Meer an. Unter Führung der USA wurden im Dezember Kriegsschiffe unter dem Motto »Wächter des Wohlstands« entsendet und nach einer Resolution des UN-Sicherheitsrats – die als Blankoscheck gewertet wurde – mehrfach Angriffe auf das von den Huthi kontrollierte Gebiet im Jemen durchgeführt. Auch die Europäische Union ist seit Februar mit der eigenen Militärmission »Aspides« unter Führung Griechenlands präsent. Laut Ratsbeschluss gehe es darum, »die Freiheit der Schifffahrt sicherzustellen«. Dafür werde man »Schiffe vor bereichs-übergreifenden Angriffen auf See unter uneingeschränkter Achtung des Völkerrechts, einschließlich der Grundsätze der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit, (…) schützen«. Beteuert wird, dass sich der Einsatz auf das Meer beschränkt und keine Angriffe auf den Jemen oder Stellungen der Huthi beinhaltet. Aktuell sind dafür mindestens drei Fregatten gleichzeitig vorgesehen. Für Deutschland ist die »Hessen« publikumswirksam Anfang Februar in See gestochen, noch bevor der Bundestag darüber debattieren konnte.
Von politischer Seite wird in der innenpolitischen Debatte in Deutschland erstmals auf die Notwendigkeit von Militäreinsätzen zur Durchsetzung ökonomischer Interessen verwiesen. Eigentlich war die Öffentlichkeit daran gewöhnt, dass die strategischen und ökonomischen Interessen Deutschlands hinter Militäreinsätzen nur in Fachgesprächen offen kommuniziert wurden, um sie dann für die politische Diskussion mit hehren Zielen anzureichern. So wurde der »Krieg für Menschenrechte« in Jugoslawien 1999 gerade nicht mit den sogenannten Verteidigungspolitischen Richtlinien flankiert. Diese sehen bereits seit 1992 die »Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung« vor. Das sprach 2010 Horst Köhler als Bundespräsident klar aus und wurde dafür politisch degradiert. Die Bevölkerung war damals noch nicht soweit.
Auch 2020, als es um die Entsendung deutscher Kriegsschiffe in den Persischen Golf ging, setzten sich prominente Kritiker wie der Verband deutscher Reeder gegen Befürworter wie den Bundesverband der Deutschen Industrie durch, und man beließ es bei einer politischen Unterstützung des französisch geführten Einsatzes. Von dieser Zurückhaltung wurde sich nun verabschiedet.
Ähnlich wie die USA argumentiert auch die EU mit einem Recht auf Selbstverteidigung. Dagegen gibt es hierzulande keinen nennenswerten Widerstand mehr, obwohl es einige Gründe gäbe, diesen Militäreinsatz abzulehnen.
Aus der UN-Resolution zur Verurteilung der Angriffe der Huthi lässt sich beispielsweise nicht ableiten, dass auch Bombardierungen des Jemen legitimiert sind. Vielmehr zielt die Resolution auf die Verteidigung der eigenen Schiffe, und es wird sogar explizit »Vorsicht und Zurückhaltung gefordert, um eine weitere Eskalation der Lage im Roten Meer und der gesamten Region zu verhindern«. Und auch das eigentliche Ziel dieses Einsatzes ist abhandengekommen. Denn die Nutzung der Passage durch Handelsschiffe ist nach Beginn der US-Angriffe an Land eingebrochen. Die Schifffahrt nimmt den Umweg über das Kap der Guten Hoffnung in Kauf. Das wissen anscheinend auch die USA – und bombardieren dennoch weiter. So gab US-Präsident Joseph Biden an: »Halten sie [die Angriffe an Land] die Huthis auf? Nein. Werden sie weitergehen? Ja.«
Ein weiterer Aspekt betrifft die Zusammenarbeit zwischen der europäischen Mission und dem Militäreinsatz der USA. Im Rahmen des Austauschs von Lagebildern wird letzterer womöglich auch durch die Fregatte »Hessen« gestützt, die mit ihrem Aufklärungsradar tief in den Jemen hinein reicht. Die Einsätze sind nicht zu trennen und werden auch so in der Region betrachtet. Obwohl die Huthis klar sagen, dass die Angriffe aufhören, sobald es einen Waffenstillstand in Gaza gibt, wird an dieser Lösung von niemandem ernsthaft gearbeitet. Vielmehr lässt der Westen Israel freie Hand und macht sich so mit dem Gerede vom Völkerrecht unglaubwürdig.
Um es kurz zu machen: Der Weltwirtschaft droht aufgrund der Ereignisse im Roten Meer keineswegs ein Kollaps, dafür sind die Transportkapazitäten zu groß und der Anteil der Transportkosten auch bei Umwegen noch zu niedrig. Doch der Ruf nach militärischen »Lösungen« ist inzwischen nahezu reflexhaft geworden. Allein schon, um nicht in diese Falle zu tappen, wäre es wichtig, zu einer kategorischen Ablehnung jeglicher Militäreinsätze zurückzukehren.