Aufschwung in Europa

geschrieben von Ulrich Schneider

4. Juli 2024

Der Sommer des antifaschistischen Widerstandes 1944

Die an allen Frontabschnitten sich abzeichnende militärische Niederlage des deutschen Faschismus und seiner Verbündeten führte im Sommer 1944 zu einem Aufschwung des antifaschistischen Widerstandes in ganz Europa. Der Vormarsch der sowjetischen Streitkräfte an der Ostfront konnte von den Achsenmächten nicht mehr gestoppt werden. Trotz der Taktik der »verbrannten Erde« der faschistischen Armeen wurden große Teile der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik und der Belorussischen Sozialistischen Sowjetrepublik befreit. Gleichzeitig erreichte die Rote Armee die Karpaten und die östlichen Gebiete Polens. Während nach der Invasion der anglo-amerikanischen Truppen in Italien und der Absetzung Mussolinis im Sommer 1943 ein wichtiger Verbündeter ausfiel, wurde der Krieg seit Anfang Juni 1944 mit der Operation »Overlord«, der Invasion in der Normandie, für die Okkupationstruppen endgültig zu einem Zweifrontenkrieg.

Unter diesen Voraussetzungen gewann der antifaschistische Befreiungskampf in allen vom deutschen Faschismus noch besetzten Gebieten deutlich an Fahrt, wollten doch die Partisanen ihren Beitrag zur militärischen Schwächung der Besatzungsmacht und damit zur Befreiung ihrer eigenen Heimat leisten. Der bewaffnete antifaschistische Widerstand hatte einen bedeutenden Anteil daran, dass die faschistischen Truppen gezwungen waren, ihre Kräfte nicht nur an den jeweiligen Frontabschnitten den alliierten Streitkräften entgegenzustellen, sondern sie waren gezwungen, ihre militärische Kraft gleichzeitig zur Unterdrückung der antifaschistischen Kräfte in den okkupierten Ländern einzusetzen. Das entlastete die kämpfenden Truppen der Anti-Hitler-Koalition an den jeweiligen Frontabschnitten.

Die Besatzungsmächte, die Wehrmacht, die SS oder Einsatzgruppen reagierten auf diesen Aufschwung des bewaffneten Widerstandes mit verschärftem Terror, der sich in den berüchtigten Massakern im Juni 1944 von Tulle und Oradour in Frankreich, von Distomo in Griechenland oder im August 1944 bei Sant’Anna di Stazzema in Italien zeigte. Diese vier Orte stehen exemplarisch für zahllose Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung in den besetzten Ländern. Trotz oder besser gesagt wegen dieses brutalen Vorgehens wurde der Partisanenkampf zu einer Massenbewegung, die in koordinierter militärischer Aktion begann, die Okkupanten anzugreifen.

Der Warschauer Aufstand

Das erste sichtbare Zeichen war in Polen der Warschauer Aufstand am 1. August 1944. Schon 1943 mussten die Okkupationstruppen erleben, dass sich die jüdischen Internierten im Warschauer Ghetto der geplanten Vernichtung bewaffnet widersetzten. Dieser Aufstand endete nach einem Monat mit der endgültigen Zerstörung des Ghettobezirks (SS-Gruppenführer Jürgen Stroop: »Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk mehr in Warschau.«). Nun, mit dem Heranrücken der sowjetischen Truppen auf der östlichen Weichselseite begann am 1. August 1944 die Erhebung unter der Leitung der Armia Krajowa (AK, Heimatarmee). Trotz des Vormarsches der sowjetischen Armee war militärisch gesehen der Zeitpunkt des Aufstandes schlecht gewählt, da sich deren Einheiten noch deutlich entfernt von Warschau befanden. Als die Kämpfer der AK losschlugen, befanden sich die vorgerückten Spitzen der Roten Armee in ihrer Arrondierungsphase, das heißt, sie warteten darauf, dass das Hauptkontingent der Einheit sich wieder mit ihnen vereinigen konnte. Diese Zeit des Stillstandes nutzte die Wehrmachtsführung, einen militärischen Gürtel aus starken SS-Einheiten zwischen die aufständischen Kräfte in der Stadt und die Truppen der Roten Armee zu legen.

Und tatsächlich begann die AK den Aufstand, ohne sich mit der sowjetischen Armee im Vorfeld abzustimmen. Während sich die polnischen Streitkräfte der Armia Ludowa (AL, Volksarmee) als Teil der sowjetischen Streitkräfte in deren Kampfhandlungen einordneten, war es das Ziel der Kämpfer der AK, die Stadt Warschau vor den heranrückenden Einheiten der sowjetischen Armee zu übernehmen und daraus einen Machtanspruch für die zukünftige Gestaltung Polens abzuleiten.

Der Widerstand der AK gegen die militärische Übermacht der deutschen Truppen war heroisch, letztlich jedoch nicht erfolgreich. Am 3. Oktober 1944 mussten die Einheiten der AK kapitulieren. Die Bilanz ist erschreckend: Mindestens 15.000 Kämpfer der AK kamen ums Leben. Durch Granatenbeschuss, Bombardierung und Strafaktionen der deutschen Truppen nach der Kapitulation wurden mehr als 100.000 Zivilisten ermordet, die Stadt selber fast vollständig zerstört.

Die brutale Niederwerfung des Warschauer Aufstandes führte nach der Befreiung zu massiven politischen Auseinandersetzungen. Bis Ende der 1940er Jahre erlebte das Land teilweise gewalttätige innenpolitische Kämpfe zwischen Anhängern der AK und der AL, die bis in die heutige Zeit zu ideologischen Auseinandersetzungen führen.

Die Befreiung von Paris

An der Westfront gab es eine engere Zusammenarbeit zwischen alliierten Streitkräften und der Partisanenbewegung. Zur Unterstützung der alliierten Landung in der Normandie übernahm die französische Résistance die Aufgabe, den Zug- und Schiffsverkehr der Wehrmacht, ihre Nachschubkonvois und Nachrichtenverbindungen zu stören. In den deutschen Wehrmachtsberichten vom Juni 1944 wurde konstatiert, dass der »Bandenkampf«, wie es in der faschistischen Diktion hieß, sich ausweitete und eine fortschreitende Mobilmachung der Widerstandsgruppen und eine wachsende Bedrohung vereinzelter Stäbe, Kommandos und Wachen in Zentralfrankreich festzustellen sei. Im August 1944 begann das entscheidende militärische Eingreifen der Résistance zur Befreiung als Unterstützung der alliierten Streitkräfte und als eigener Beitrag zur Wiederherstellung eines freien Frankreichs.

Am 18. August blockierte ein Generalstreik in Marseille die Bewegungsfähigkeit der deutschen Verbände, die Hafenstadt Toulon, ein bedeutender Stützpunkt der Nazikriegsmarine, konnte befreit werden. Den Streitkräften der Résistance gelang es, große Gebiete im Süden Frankreichs unter ihre Kontrolle zu bringen. In Grenoble wurde die Wehrmacht am 22. August besiegt.

Am 10. August begann im Großraum Paris in den Werkstätten von Vitry ein Streik der Eisenbahner, am 15. August folgten die Bediensteten der Metro und sogar die Polizei. Am nächsten Tag schlossen sich die Postangestellten an, die den Telefonverkehr nur noch für die Verbindungen, die für die Résistance unentbehrlich waren, aufrechterhielten. Radio Paris, unter dem Befehl der Besatzungsmacht, stellte am 17. August alle Sendungen ein. Angesichts der Mobilisierung der Bevölkerung verbreitete das »Comité parisien de la Libération« (Pariser Befreiungskomitee) am 18. August auf Plakaten einen Aufruf zum »Aufstand zur Befreiung«, der am 19. August auch tatsächlich ausgelöst wurde. Dabei wandten die kämpfenden Einheiten zwei Taktiken an, die ein Teilnehmer folgendermaßen schilderte: Man desorientierte den Feind durch Beunruhigungsaktionen, brachte ihn durch vielfache Angriffe an zahlreichen Stellen außer Fassung und vermittelte damit den Eindruck einer größeren Kampfstärke als tatsächlich gegeben. Gleichzeitig wurden Gas- und E-Werke sowie die Telefonzentrale besetzt und die Sprengung von wichtigen Brücken durch bewaffnete Kämpfer verhindert.

Oberst Henri Rol-Tanguy, Kommunist, Offizier der Internationalen Brigaden in Spanien, Oberkommandierender der Streitkräfte der Résistance (FFI) in der Pariser Region, befahl daraufhin am 20. August von seinem Hauptquartier in den Katakomben der Stadt aus die Generalmobilisierung. Rol-Tanguy beauftragte seinen Stabschef, Major Gallois, mit den auf Paris vorstoßenden amerikanisch-französischen Truppen Kontakt aufzunehmen, um sie zu bitten, so rasch wie möglich in die Hauptstadt einzuziehen. Der US-General Patton lehnt es ab, seine Einheiten nach Paris in Marsch zu setzen. Gallois suchte daher den französischen General Leclerc auf, der sich im Widerspruch zu den amerikanischen Befehlen dazu entschloss, den Aufständischen in Paris zu helfen und seine Panzer beschleunigt in Richtung Paris rollen ließ. Am Abend des 23. August erreichten sie die Stadtgrenze und bewegten sich kämpfend auf das Zentrum zu. Die Aufständischen ihrerseits hatten das Rathaus besetzt, die Besatzer im Senatsgebäude und in der Kaserne »Prinz Eugen« umzingelt. Die Kämpfe tobten. Als FFI-Oberst Fabien mit Hilfe von sieben Panzern Leclercs das Senatsgebäude einnahm, kapitulierte der deutsche Besatzungskommandant Dietrich von Choltitz in seinem Hauptquartier im Hotel Meurice, das von Aufständischen eingeschlossen und von Panzern Leclercs bedroht war. Er wurde zunächst zur Polizeipräfektur, dann zum Bahnhof Montparnasse gebracht, wo er die Kapitulationsurkunde unterzeichnete, die die Unterschriften von General Leclerc und des Kommandanten der FFI-Oberst Rol-Tanguy trug.

Der Einzug der weiteren alliierten Verbände nach Paris gestaltete sich in den folgenden Tagen unter dem Jubel der Bevölkerung zu einem wahren Triumphzug. Einer der Teilnehmenden an dieser Befreiung von Paris, war Peter Gingold, der als Deutscher in den Reihen der Résistance kämpfte. Die Erinnerung an dieses Datum wird alljährlich unter großer Anteilnahme zelebriert.

Der slowakische Nationalaufstand

Vier Tage nach der Befreiung von Paris, am 29. August 1944, begann an der Ostfront, diesmal im südöstlichen Frontabschnitt ein weiterer Versuch, die eigene Heimat von der faschistischen Besatzungsmacht zu befreien, der Slowakische Nationalaufstand (SNP). Während die Rote Armee und mit ihr verbündete rumänische und ungarische Einheiten über die Karpaten-Front versuchten nach Südwesten vorzustoßen, begann im nördlichen Teil der Slowakei in der Region Banská Bystrica ein Aufstand gegen das Kollaborationsregime unter Jozef Tiso und seine Hlinka-Garden.

Das Hauptgebiet des Aufstandes lag in der Mittelslowakei. Die slowakische Aufstandsarmee, die später den offiziellen Titel trug »1. tschechoslowakische Armee in der Slowakei«, stand unter dem Oberbefehl einer Militärzentrale des Slowakischen Nationalrats, der am 5. September 1944 die politische Macht in den befreiten Gebieten übernahm. Dieser stand mit der tschechoslowakischen Exilregierung in London in Kontakt. An seiner Spitze standen der slowakische Kommunist Karol Šmidke und Vavro Šrobár als Repräsentant des bürgerlich-demokratischen Lagers. Der Nationalrat und seine Organe waren im Prinzip gleichberechtigt mit Mitgliedern des sozialistischen Blocks und des bürgerlich-demokratischen Blocks besetzt.

Unterstützung erhielten die Aufständischen unter Führung von General Viest durch ausländische Zwangsarbeiter und Dienstverpflichtete, die sich den Kämpfern anschlossen. Damit erhielt dieser Aufstand vielfach einen internationalen Charakter. Das militärische Vorgehen wurde zudem mit der sowjetischen Armee abgestimmt, die durch die Eröffnung weiterer Frontabschnitte versuchte, Wehrmachtseinheiten zu binden. Zu Beginn des Aufstandes kontrollierten die Aufständischen über die Hälfte des damaligen slowakischen Staatsgebietes.

Wehrmacht und SS setzten massive militärische Mittel ein, um einen Ausfall der Slowakei zu verhindern. Dabei begingen sie zahlreiche Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung, sogenannte Strafmaßnahmen, denen mehrere tausend Menschen zum Opfer fielen. Außerdem wurden etwa 30.000 Slowaken in deutsche Kriegsgefangenen-, Arbeits- und Konzentrationslager deportiert. Nach 60 Tagen musste der Aufstand am 28. Oktober 1944 abgebrochen werden. Die militärische Führung der Aufständischen beendete mit dem Fall von Banská Bystrica den offenen Kampf gegen die Wehrmacht, ging aber ohne Kapitulation zum Partisanenkampf über. Einigen Einheiten gelang es, sich dem Zugriff der Wehrmacht und SS durch ein Ausweichen in bergiges Hinterland zu entziehen und lokal den bewaffneten Kampf bis zur endgültigen Befreiung des Landes im April 1945 fortzusetzen. Bis heute ist der 29. August Staatsfeiertag in der Slowakei.

Italienische Resistenza

Auch in Italien erlebte die Resistenza nach der Befreiung Roms Anfang Juni 1944 in Mittel- und Nord-italien einen deutlichen Aufschwung. Florenz wurde in Begleitung eines alliierten Vorstoßes Anfang September 1944 durch Partisanen befreit. Die Tatsache, dass sich dieser Kampf nach der Absetzung Mussolinis und der Besetzung Italiens durch die deutschen Truppen nun gegen eine fremde Okkupationsmacht richtete, führte dazu, dass die gesellschaftliche Breite des Widerstands deutlich zunahm. So wurde konspirativ im September 1944 in Mailand ein nationales Befreiungskomitee für Norditalien (Comitato di liberazione nazionale Alta Italia, CLNAI) gegründet, das sich aus allen sozialen Schichten und Mitgliedern aller Parteien einschließlich der Kommunisten zusammensetzte. Leiter dieses Komitees war Alfredo Pizzoni, genannt »Longhi«.

Im Sommer und Herbst 1944 gelang es den Partisanen, die Kontrolle über eine Reihe von Gebieten in Norditalien zu erlangen. Man sprach von »freien Zonen« (»zone libere«) oder »Partisanenrepubliken« (»repubbliche partigiane«). In der Literatur werden knapp zwanzig solcher Regionen angeführt, in denen tatsächlich die Partisanen antifaschistisch-demokratische Strukturen aufbauten, wo die Bevölkerung politisch beteiligt war. Dagegen gingen Wehrmacht und SS in aller Brutalität vor. Ende September 1944 kämpften am Monte Grappa in Venetien rund 1.100 Partisanen gegen die Okkupanten. Am Ende starben 300 im Kampf, 171 wurden erschossen oder gehenkt und 400 deportiert.

Trotz einer schriftlichen Übereinkunft mit dem alliierten Oberkommando betrachtete die britische Seite die Resistenza wegen der starken Rolle der kommunistischen Widerstandskämpfer mit Skepsis. Das hinderte sie jedoch nicht, zur Unterstützung des alliierten Vormarsches nach Norditalien die Aufständischen mit mehr als 1.200 Tonnen Material zu versorgen.

Die italienische Resistenza war ein opferreicher Kampf für die Freiheit des Landes. Tatsächlich starben mehr als 60.000 Partisanen während der Kämpfe, 8.000 wurden in den Konzentrationslagern ermordet. Hinzu kamen Tausende von unschuldigen Zivilisten, die im Rahmen von Vergeltungsmaßnahmen getötet wurden.

Selbst im faschistischen Deutschland setzte sich durch die militärische Entwicklung die Einsicht durch, dass der faschistische Eroberungskrieg nicht gewonnen werden kann. Da Kreise der militärischen und bürgerlichen Eliten erkannten, dass Hitler als Repräsentant der faschistischen Herrschaft ein entscheidendes Hindernis zur Beendigung des Krieges darstellte, versuchten Anhänger des militärischen Widerstands am 20. Juli 1944 Adolf Hitler mit einem Attentat zu beseitigen. Unter dem Codewort »Operation Walküre« bereiteten Militärs und Adelige diesen Anschlag vor. Claus Schenk Graf von Stauffenberg deponierte bei einer Führerbesprechung in der »Wolfsschanze« eine Bombe im Tagungsraum. Nach dem Anschlag sollten in Berlin, anderen Teilen des Reiches und in Paris die Naziführung und ihr Terror-apparat ausgeschaltet werden. Der Fehlschlag des Bombenattentates, Hitler überlebte unverletzt, sowie das Zögern beim Auslösen der »Operation Walküre« ließen den Staatsstreich scheitern.

Begründet wurde der Umsturzversuch mit der Hoffnung, so – aus der Sicht der Militärs und der alten Eliten – die Basis für eine Nachkriegsordnung zu schaffen, die nicht von einer totalen Niederlage des Landes ausgeht. Bezeichnenderweise waren es nicht die politischen und rassistischen Verbrechen des NS-Regimes, die Widerspruch auslösten, sondern die Furcht, dass durch eine ungebremste Fortsetzung der faschistischen Kriegspolitik das Deutschland der konservativen Elite selbst unabsehbaren Schaden erleiden werde. Handlungsleitend für das Attentat vom 20. Juli war also neben manchen humanistischen Begründungen vor allem ein nationalistisches Interesse.

Zum politischen Umfeld der Attentäter gehörte der »Kreisauer Kreis«. In diesem Netzwerk bereitete man den Umsturz vor und diskutierte über einen politischen Neuanfang ohne Hitler und die NSDAP. Zu ihm gehörten nicht nur Vertreter der konservativen und militärischen Elite, sondern auch ehemalige Funktionäre der sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen und christlich-sozialen Arbeiterorganisationen. Konkret waren dies die Sozialdemokraten Julius Leber, Theodor Haubach, Carlo Mierendorff und Adolf Reichwein sowie weitere Gewerkschafter, die bereit waren, sich an politischen Planungen für die Zeit nach Hitler zu beteiligen. Dazu gehörten Wilhelm Leuschner vom ADGB und Jakob Kaiser vom Christlichen Gewerkschaftsbund, selbst Max Habermann vom Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband. Auch aus den Reihen der katholischen Arbeitervereine waren einzelne Repräsentanten wie Josef Wirmer und Bernhard Letterhaus vertreten.

Kontakt zum kommunistischen Widerstand

Julius Leber und Adolf Reichwein nahmen darüber hinaus sogar Kontakt zum kommunistischen Widerstand auf. Am 22. Juni 1944 fand ein Treffen mit Franz Jacob und Anton Saefkow in Berlin statt. Gemeinsam mit Bernhard Bästlein leiteten die beiden seit 1942 eine kommunistische Widerstandsgruppe, die ab 1943 die illegale Zeitschrift Die Innere Front verbreitete. Die Gruppe bildete die »Operative Leitung der KPD in Deutschland«. Der politische Schwerpunkt der Widerstandsgruppen lag in den Berliner Rüstungsbetrieben, wo man gegen den Krieg agitierte und zu Sabotageaktionen aufrief. Zu einer Fortsetzung der Verhandlungen zwischen Jacob, Saefkow, Leber und Reichwein kam es nicht. Bei dem ersten Treffen war ein Spitzel zugegen. Anfang Juli wurden alle vier von der Gestapo verhaftet, es folgten weitere Verhaftungen. Insgesamt sollen mehr als 280 Mitglieder der Gruppe verhaftet worden sein, von denen im Herbst 1944 in Hochverratsprozessen viele zum Tode verurteilt wurden. Am 18. September 1944 wurde Anton Saefkow durch das Fallbeil im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. In einer Bilanz wird davon gesprochen, dass mehr als 100 Verhaftete hingerichtet wurden oder in den KZ und Haftstätten starben.

Verschärfter Terror der Nazis

Ausgelöst durch das Attentat vom 20. Juli verschärfte das NS-Regime den Terror gegen die Arbeiterbewegung. Bei einer Führerbesprechung wurde befohlen: »Ernst Thälmann ist zu liquidieren«, was am 18. August 1944 im KZ Buchenwald stattfand. Im Rahmen der »Aktion Gitter« wurden Ende August 1944 SPD-Funktionäre und frühere Mandatsträger verhaftet. Etwa 5.000 Verhaftete wurden in die Konzentrations-lager Buchenwald, Dachau, Neuengamme und Sachsenhausen verschleppt. Der Gewerkschafter und ehemalige hessische SPD-Innenminister Wilhelm Leuschner war schon Mitte August 1944 verhaftet worden, wurde vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 29. September 1944 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Trotz dieser Verfolgung wirkten in verschiedenen Teilen des Deutschen Reiches Gruppen des Arbeiterwiderstands weiter. Im mitteldeutschen Industriegebiet arbeiteten Georg Schumann, Otto Engert und Kurt Kresse. Die Gruppe orientierte sich in ihren programmatischen Aussagen am Nationalkomitee Freies Deutschland, dessen Manifest sie über Radio Moskau kennengelernt hatten. Diese Gruppe agierte relativ eigenständig. Es dauerte daher bis zum Sommer 1944, bis es der Gestapo gelang, die Schumann-Engert-Kresse-Gruppe aufzuspüren und deren wichtigste Vertreter zu verhaften. Trotz schwerer Folter gaben sie keine Namen von Mitgliedern der Gruppe preis und retteten so vermutlich vielen Widerstandskämpfern das Leben. Im November 1944 verurteilte der Volksgerichtshof in Dresden alle drei zum Tode.

Alle hier genannten Aktionen des antifaschistischen Widerstandes haben es verdient, tief im kollektiven Gedächtnis der Völker als nationaler Beitrag zur Befreiung der eigenen Heimat vom Faschismus verankert zu sein. Dass dieses Handeln – wie das Beispiel des Warschauer Aufstandes zeigt – auch in Abgrenzung zur Hauptmacht der Anti-Hitler-Koalition geschehen konnte, oder – wie am Beispiel des 20. Juli 1944 zu sehen – aus teils reaktionären Überzeugungen entstanden ist, schmälert nicht deren Bedeutung aus der Perspektive des europäischen Widerstandskampfes.

In Saint-Algis (im Norden des Départements Aisne) wird im Jahr 1944 mit einer Sendeanlage und einem Stromaggregat dafür gesorgt, dass Informationen verschickt und die Kämpferinnen und Kämpfer des Widerstands in Frankreich damit versorgt werden können.